Halbleiterfertigung: IBM verklagt Globalfoundries auf 2,5 Milliarden US-Dollar

Globalfoundries sollte für viel Geld IBMs Haus-und-Hof-Chiplieferant werden, kippte jedoch die Entwicklung neuer Fertigungsprozesse – laut IBM Vertragsbruch.

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(Bild: IBM)

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CPU-Entwickler IBM will Chipauftragsfertiger Globalfoundries auf 2,5 Milliarden US-Dollar Schadensersatz verklagen, weil sich der ehemalige Partner nicht an gemeinsame Verträge gehalten haben soll. IBM hat die Klage noch nicht öffentlich gemacht, Globalfoundries aber bereits mit einer Gegenklage reagiert. Eine Schlammschlacht könnte ihren Lauf nehmen.

Eigentlich hätte Globalfoundries für IBM als Exklusivpartner alle modernen Power-Serverprozessoren produzieren sollen. Die Partnerschaft begann im Jahr 2014, als Globalfoundries IBMs Halbleiterwerke in East Fishkill im US-Bundesstaat New York sowie Essex Junction, Vermont, übernahm (damalige Pressemitteilung von IBM).

Beide Fertigungsstätten wirtschafteten zur Zeit der Übergabe an Globalfoundries mit hohen Verlusten: Laut IBM machte die entsprechende Microelectronics-Sparte im Jahr 2013 ein Minus von gut 700 Millionen US-Dollar und im ersten Halbjahr 2014 von rund 400 Millionen. Folglich "verkaufte" IBM die Halbleiterwerke nicht im wörtlichen Sinn, sondern zahlte Globalfoundries etwa 1,5 Milliarden US-Dollar für die Übernahme. Zudem gingen rund 16.000 Patente an Globalfoundries und etwa 5.000 Mitarbeiter wechselten den Arbeitgeber.

Ein Kernteam, das weiter an der Verkleinerung von Transistoren forscht, blieb bei IBM, unterstützte Globalfoundries jedoch. Im Gegenzug verpflichtete sich Globalfoundries, kommende Power-Prozessoren mit Strukturen von 14, 10 und 7 Nanometern zu fertigen. Power9-CPUs mit 14-nm-Technik erschienen verzögert Ende 2017 in kleinen Mengen – aufgrund von Entwicklungsschwierigkeiten lizenzierte Globalfoundries damals Samsungs Fertigungsprozesse.

Einen 10-nm-Prozess hat der Fertiger nie in die eigene öffentliche Roadmap geschrieben, er soll sich dort aber in Entwicklung befunden haben, unter anderem für die Power10-Generation. Im Entwurf von IBMs Klageschrift, die The Next Platform (großzügig geschwärzt) veröffentlicht hat, heißt es, dass Globalfoundries die Entwicklung nur zwei Monate nach dem gemeinsam unterzeichneten Deal eingestellt habe. Laut IBM sei das bewusste Täuschung gewesen.

Globalfoundries erwidert in einer Gegenklage, dass beide Unternehmen die Entwicklung von 10-nm-Strukturen einvernehmlich eingestellt hätten, um sich auf 7-nm-Prozesse zu konzentrieren. Im Sommer 2018 hat Globalfoundries schließlich auch diese auf Eis gelegt, woraufhin IBM zu Samsung als Chiplieferant wechselte.

Globalfoundries argumentiert nun: IBM kam dadurch schneller und günstiger an 7-nm-Technik für eigene Prozessoren. Die Verzögerungen führten allerdings zu erheblichen Anpassungen in IBMs Roadmap – aus Power10-CPUs mit bis zu 48 Rechenkernen wurden so etwa 60-Kerner.

Die geforderten 2,5 Milliarden US-Dollar setzen sich aus IBMs Zahlungen an Globalfoundries in Höhe von 1,5 Milliarden US-Dollar sowie Globalfoundries' Einnahmen durch den Verkauf der ehemaligen IBM-Fabs vor gut zwei Jahren zusammen. Das Halbleiterwerk in East Fishkill ging für 430 Millionen US-Dollar an ON Semiconductor, Globalfoundries' Tochterfirma Avera Semiconductor samt Essex-Junction-Fab für 650 Millionen US-Dollar an Marvell.

Der Verkauf solchen Eigentums dürfte allerdings zum guten Recht des neuen Besitzers zählen, auch wenn er wenige Jahre nach dem Deal mit IBM einen bitteren Beigeschmack hat. Für die Klage dürfte der wirtschaftliche Schaden durch die Einstellung neuer Fertigungsprozesse maßgeblich sein, sofern es IBM bis vor das New Yorker Gericht schafft.

Globalfoundries glaubt derweil, dass IBM den Zeitpunkt für die Klage nicht zufällig ausgewählt habe: Der Chipauftragsfertiger geht in der eigenen Klage auf Gerüchte eines Börsengangs ein, den die arabischen Eigner der Mubadala Investment Company in Erwägung ziehen sollen und der durch IBM behindert würde. Explizit bestätigt wurden die Pläne bislang nicht.

Derzeit konzentriert sich Globalfoundries auf die Entwicklung kosteneffizienter Spezialprozesse, etwa Transistoren mit 12-nm-Strukturen, bei denen Silizium-Wafer mit Fully Depleted Silicon-on-Insulator (FD-SOI) zum Einsatz kommen. Entsprechende Chips könnten künftig im Dresdener-Halbleiterwerk vom Band rollen.

IBMs Forschungsabteilung hat kürzlich erste lauffähige 2-nm-Bausteine mit dem neuen Transistoraufbau "Gate All-Around" (GAA) gezeigt. Deren Serienproduktion liegt allerdings viele Jahre in der Zukunft – womöglich mit Samsung als Partner. Derzeit produziert Samsung, genauso wie TSMC, Chips mit Strukturen von 5 nm in Serie.

(mma)