Initiative Digitale Bildung – Mehr Tumo-Zentren für Deutschland gewünscht

Kinder und Jugendliche sollen spielerischer und leichter mit MINT-Themen in Berührung kommen. Dafür sollen auch mehr Tumo-(Jugend)Zentren eingerichtet werden.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 19 Kommentare lesen
Tumo Berlin

(Bild: Tumo)

Lesezeit: 7 Min.
Inhaltsverzeichnis

Spätestens seit Beginn der Coronavirus-Pandemie wird die digitale Kompetenz von Menschen besonders geschätzt. Schließlich konnte häufig nur so Bildung, Arbeit und Infektionsschutz unter einen Hut gebracht werden. In einem eher nach dem Zufallsprinzip digitalisierten Bildungswesen wie in Deutschland (Status des Internetanschlusses + Kompetenz der Lehrkräfte + Ausstattung von Schule, Lehrkräften und Familien = möglicher digitaler Unterricht), konnten die verschiedenen Ausgangssituationen deshalb bereits zu großen Ungleichheiten führen.

Durch die Initiative Digitale Bildung und den Aktionsplan MINT soll das aber alles grundsätzlich besser werden und um nicht nur die digitale Infrastruktur auszubauen, sondern auch die Entwicklung von Inhalten und Didaktik voranzutreiben, werden auch Leuchtturmprojekte gestartet, die den Weg weisen könnten.

Artikelserie "Schule digital II"

Wie sollte die Digitalisierung in unseren Schulen umgesetzt werden? Wie beeinflusst die Coronavirus-Pandemie das Geschehen? Was wurde im Schuljahr 2020/2021 erreicht - wie ging es 2021/2022 weiter? Das möchte unsere Artikelserie beleuchten.

Im Rahmen der Initiative Digitale Bildung hat Bundeskanzlerin Angela Merkel nun am Donnerstag dieser Woche das Tumo-Bildungszentrum für digitale und kreative Workshops in Berlin virtuell besucht und wünscht sich, dass in Deutschland mehr solche Einrichtungen für Kinder und Jugendliche entstehen sollen. Die Idee der Tumo-Zentren stammt ursprünglich aus Armenien und soll Kindern und Jugendlichen einen kostenlosen Zugang zu digitalen und kreativen Projekten verschaffen. Der Begriff leitet sich von einem Park in Jerewan ab.

Das Angebot richtet sich an Kinder und Jugendliche im Alter von 12 bis 18 Jahren und bietet Workshops in den Bereichen Fotografie, Film, Animation, 3D Modeling, Grafik Design, Zeichnen, Spiele-Entwicklung, Musik-Produktion, Programmieren und Robotics an. Ein Kurs kann in ungefähr sechs Monaten absolviert werden. Gelernt wird pro Woche nachmittags in zwei zwei-Stunden-Blöcken – also ähnlich zu Wahlpflichtfächern in Schulen oder Hobbies in der Freizeit. Die Tumo-Zentren arbeiten also in Ergänzung zum regulären Schulbetrieb, orientieren sich aber etwa an den Ferienzeiten. In den Sommerferien wäre ein Tumo-Zentrum momentan geschlossen.

Die Ausbildung oder auch das Coaching übernehmen Werkstudent:innen und Menschen, die auch noch als Teilzeitkräfte in der Industrie arbeiten. So soll der Wissenstransfer und auch die Aktualität des vermittelten Wissens gewährleistet werden.

Kapazität hat das erste deutsche Zentrum in Berlin für circa 1500 Lernende gleichzeitig, durch die Corona-Pandemie wird momentan aber nur virtuell mit einer weitaus geringeren Zahl von Menschen zusammen gelernt und experimentiert. Lange ist das Zentrum auch noch nicht eröffnet. Erst im November 2020 – also mitten in der Pandemie – startete es. Seitdem sollen sich ungefähr 400 Kinder und Jugendliche für Workshops eingeschrieben haben.

Dass so ein junges Projekt direkt ausgeweitet werden soll, kann deshalb zunächst verwundern. Allerdings kennt Angela Merkel Tumo bereits seit dem Jahr 2018 durch einen Staatsbesuch in Armenien, wo das Konzept 2011 entwickelt wurde. Neben Deutschland haben auch andere Länder wie etwa Frankreich oder Russland das Konzept bereits übernommen. Merkel habe sich nach ihrem Besuch in Armenien darum bemüht, dass auch Deutschland ein Tumo-Zentrum erhalte.

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek kündigte nun an, dass in Deutschland in nächster Zeit zumindest 45 MINT-Cluster entstehen, die auch in ländlichen Gebieten angesiedelt werden sollen. Man habe bereits 20 [sic!] MINT-Cluster-Standorte ausgemacht (auf der Ministeriumsseite werden 22 genannt) und im Sommer sollen noch 25 weitere hinzukommen. Ob MINT-Cluster zugleich auch Tumo-Zentrum heißt, wurde nicht genau beantwortet. Das kommt wohl auf die Gestaltung vor Ort an, denn zu den Angeboten eines MINT-Clusters können "Maker Spaces, Forschungswerkstätten, Lern- und Experimentierlabore oder eine Mischung aus Präsenz- und Online-Veranstaltungen unter Einsatz virtueller Techniken" gehören.

Angela Merkel im Gespräch mit den Teilnehmenden. Hierzu gehörten der Oberbürgermeister von Mannheim, Dr. Peter Kurz, (unter Merkel, und von links oben nach rechts unten) Mitarbeitende des Tumo-Zentrums Berlin, Bundesbildungsministerin Anja Karliczek, Christiane Bauer von den SAP Young Thinkers, KfW-Vorstand Dr. Günther Bräunig, Inger Paus von der Vodafone Stiftung Deutschland und Digital-Staatsministerin Dorothee Bär. Moderiert hat Johannes Büchs, der auch von der Moderation der Sendung mit der Maus bekannt ist.

Der Ausbau von möglichen Tumo-Zentren wird zugleich zwei Projekten beziehungsweise Förderstrukturen zugeordnet: Den Aktionsplan MINT gibt es seit dem Jahr 2019, die Initiative Digitale Bildung wurde im Laufe der Corona-Pandemie entwickelt, der Startschuss erfolgte im Februar 2021. Zudem mischte bei Tumo-Berlin auch noch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) als Förderer mit.

Hier zeigt sich, dass nicht nur auf den Länderebenen, sondern auch auf der Bundesebene weiterhin ein großes Nebeneinander oder auch Kuddelmuddel herrscht, wenn es um verschiedene Bildungs-Initiativen geht. Unter der "Initiative Digitale Bildung" lässt sich aber erkennen, dass Projekte nun zumindest unter einer Marke stärker zusammengezogen werden. Was die Finanzierung betrifft, stehen die Tumo-Zentren nämlich auf vergleichsweise wackeligen Füßen.

Laut Kanzlerin schlägt die Förderung eines Zentrums mit etwa 2 bis 2,5 Millionen Euro pro Jahr zu Buche (gemessen am Berliner Zentrum). Die KfW verdeutlichte, dass Tumo wie ein Franchise nach Deutschland komme und es nach ihrer Vorstellung public-private-Partnerships geben müsse. Das Zentrum in Berlin solle deshalb auch Sponsoren zeigen, was möglich sei.

Ein Tumo-Zentrum entsteht also dann, wenn eine Stadt beispielsweise ein passendes Gebäude bereitstellen kann und Sponsoren die "Tumo-Boxen" anschaffen. Das könnte erneut bedeuten, dass Städte und Gemeinden, die nur über wenige Mittel oder einen geeigneten Gebäudebestand verfügen, oder die sich nicht über spendierfreudige Firmen und Menschen freuen können, leer ausgehen oder mit stark abgespeckten Zentren Vorlieb nehmen müssen. Hier erhofft man sich mehr Fördertöpfe von einer neuen Bundesregierung, hieß es etwa von der Geschäftsführerin Inger Paus der Vodafone-Stiftung Deutschland, die an dem virtuellen Rundgang teilnahm.

Die Idee der Tumo-Zentren erinnert an klassische Jugendzentren, da es nicht nur um Workshops, sondern auch Begegnung geht. Hätte man den (Franchise)Begriff "Tumo" nicht nutzen wollen, wäre auch Maker Space ein passender Begriff gewesen, wobei Maker noch stärker an Hardware herumfrickeln würden. Tumo scheint momentan noch eher softwareseitig zu arbeiten. Es ist gut möglich, dass hier über die Jahre Konzepte oder auch lokale Angebote verschmelzen.

Da sich das Angebot erst an Kinder und Jugendliche ab 12 bis 18 Jahren richtet und nur begrenzt Plätze pro Zentrum zur Verfügung stehen, müsse klar sein, dass die grundsätzliche Arbeit an Schulen – und auch schon an Grundschulen – durch die Tumo-Zentren nicht ersetzt werden kann. Darauf wiesen verschiedene Teilnehmer der Runde hin. Digitalisierung, das Hineinschnuppern in MINT-Fächer, das Experimentieren und kreative Gestalten muss schon ab der ersten Klasse möglich sein, hieß es vielfach. Sonst erreichen Zentren wie Tumo wieder nur die, die sich schon in ihrer Freizeit um eine facettenreiche Ausbildung bemühen.

Angela Merkel, die sich wie einige Teilnehmende der Runde über zu viele Zuständigkeitsebenen und wenig Durchgriffsrechte erneut nicht erfreut zeigte, sah das ebenso. Sie wolle keine Schule "beleidigen" (Video Minute 54), erklärte sie, aber es sei klar, dass diese Form des Lernens und der Ausbildung auch dort ankommen müsse. Dies kann erneut als Appell an den Bund und insbesondere die Länder verstanden werden, die all die Initiativen für mehr Digitalisierung in Schulen über die Grenzen des Föderalismus hinweg letztendlich gestalten und umsetzen müssen.

(kbe)