Helfer ohne Ansteckungsgefahr: Schlägt jetzt die Stunde der Roboter?

Desinfizieren, Medikamente liefern oder Abstandsregeln überwachen – all das können Serviceroboter erledigen. In der Corona-Pandemie kamen sie öfter zum Einsatz.

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(Bild: MikeDotta/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Frederick Mersi
  • dpa
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Mit einem Blinken blinzelt Pepper seinem Gegenüber zu. "Einen wunderschönen guten Morgen!", sagt der weiße Roboter. "Ich hoffe, Sie haben alle gut geschlafen und sind bereit, mit mir Gymnastik zu machen." Über ein halbes Jahr hat Pepper während der Corona-Pandemie Senioren in einem Altenheim in Ehningen (Landkreis Böblingen) beim morgendlichen Bewegungsprogramm angeleitet – und dort nach und nach Sympathien gewonnen.

"Die erste Skepsis, die wir im November und Dezember 2020 noch hatten, hat abgenommen", sagt Heimleiter Julian Krüger von der Stiftung Liebenau. "Die schönste Reaktion war: 'Den würde ich auch heiraten'." Etwa 30.000 Euro hat die Stiftung für den 1,20 Meter großen Roboter bezahlt, die Programmierung übernahm die Hochschule Ravensburg-Weingarten. "Wir wollen damit jungen Menschen zeigen, dass auch in der Pflege immer mehr Technik Einzug hält", sagt Krüger. "Zukunftsorientiert erhoffen wir uns aber schon eine Entlastung."

Während der Corona-Pandemie seien Serviceroboter wie Pepper öfter zum Einsatz gekommen als zuvor, sagt Wirtschaftsinformatik-Professor Oliver Bendel. "Es wurde viel experimentiert." Vor allem in den Bereichen Sicherheit, Transport und Reinigung oder Desinfektion seien die androiden Helfer bislang gefragt gewesen.

Im Böblinger "V8 Hotel Motorworld" zum Beispiel desinfiziert der Roboter "Hero21" mit UVC-Licht unter anderem das Restaurant und alle Zimmer beim Gästewechsel. "So stellen wir sicher, dass jeder Gast ein korrekt desinfiziertes Zimmer vorfindet", sagt Direktor Markus Hofherr. Der Roboter sei kein Ersatz für die Mitarbeiter, könne aber deren Infektionsrisiko senken. Bei den Besuchern mache der Roboter auch Eindruck, sagt Hofherr. "Viele Gäste finden es toll, dass er sich um ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden kümmert. Sie machen Bilder mit unserem Roboter und wollen mehr über ihn wissen."

Auch Corona-Testabstriche von Maschinenhand sind möglich: In München setzt die Automationsfirma Franka Emika nach eigenen Angaben seit diesem Jahr einen selbst entwickelten Roboterarm ein, um ihre Mitarbeiter mehrmals wöchentlich zu testen. Auch in einer öffentlichen Teststation im Münchner Stadtteil Schwabing sei das System im Einsatz, sagte eine Unternehmenssprecherin. Durch den Roboter könnten beim Testen die Mindestabstände eingehalten werden, außerdem bleibe die Qualität der Abstriche immer gleich hoch.

Zwei Studien der Technischen Universität Darmstadt (TU) zufolge ist gerade in der Corona-Pandemie die Akzeptanz für den Einsatz solcher Maschinen gestiegen. Mehr als zwei Drittel der Befragten hätten deutliche Vorteile von Servicerobotern gesehen. So sinke das Infektionsrisiko, es beuge dem Fachkräftemangel vor und reduziere die Überbelastung menschlicher Arbeitskräfte.

"Roboter übernehmen in der Regel Tätigkeiten, die für uns schwer, unmöglich oder gefährlich sind", sagt Wirtschaftsinformatik-Professor Bendel. "Wenn also Krisen und Katastrophen zunehmen, wird die Robotik einen Boom erleben." Wirklich große Förderprogramme gebe es zur Forschung in diesem Bereich bislang aber kaum, sagt Brendel. "KI ist ein Riesen-Hype, Servicerobotik wird sträflich vernachlässigt."

Dem widerspricht das Bundesforschungsministerium. Assistenz- und Servicerobotik spielten "eine immer wichtigere Rolle", sagt ein Sprecher. Unter anderem fördere das Ministerium das Projekt "ProteCT", das Telemedizin mithilfe feinfühliger Roboterarme ermöglichen soll. "Die Gesundheitsversorgung von morgen wird sich zunehmend auf digitale und kontaktlose Anwendungen stützen", teilt das Ministerium mit. "Die Servicerobotik kann ein Baustein sein, um mit Herausforderungen wie der Covid-19-Pandemie umzugehen."

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Gerade in der Pflege sind die Hürden für den Einsatz von Robotern aber groß. "Man hat bis heute keine Roboter, die Patienten anziehen oder füttern können", sagt Wirtschaftsinformatik-Professor Bendel. "Damit ein Roboter das kann, muss er sehr schwer sein. Und wenn so ein Gerät umfallen sollte, ist der Patient platt."

Auch am Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) in Stuttgart sieht man kurzfristig größere Chancen für Roboter bei Material-Transport und Desinfektion. "Wenn ein Roboter das übernimmt, sinkt das Infektionsrisiko für die Mitarbeiter", sagt die Gruppenleiterin für Haushalts- und Assistenzrobotik, Birgit Graf. Unter anderem hat das IPA den "DeKonBot" entwickelt, der Oberflächen wie Türklinken und Lichtschalter mit einer Wischdesinfektion reinigen kann. Auch ein intelligenter Pflegewagen zum Transport von Wäsche oder Verbandsmaterial wurde in der Praxis getestet.

Von solchen anspruchsvollen Aufgaben sei Pepper ein ganzes Stück entfernt, sagt der stellvertretende Leiter des Instituts für Künstliche Intelligenz an der Hochschule Ravensburg-Weingarten, Benjamin Stähle. "Aber das war der erste Testballon." Als Nächstes wolle man Pepper beibringen, sich selbstständig im Altenheim zurechtzufinden. "Dann könnte er die Leute begrüßen und ans Trinken oder an die Medikamente erinnern", sagt Stähle. Die gewonnenen Sympathien der Bewohner dürften bei dieser Aufgabe kaum schaden.

(bme)