Mit Malariamittel, Blutdrucksenker und HIV-Medikament gegen COVID-19

Forschende identifizieren 90 schon bekannte Wirkstoffe gegen verschiedene Krankheiten, die auch gegen SARS-CoV-2 helfen könnten.

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(Bild: visuals / Unsplash)

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Auch wenn die Impfungen gegen COVID-19 weltweit große Fortschritte machen, fehlt es nach wie vor an wirksamen Medikamenten, die denen das Leben retten, die sich dennoch infizieren. Immer neue Mutationen treten auf und es ist zwar zu hoffen, dass das Virus sich immer weiter an uns adaptiert und damit ungefährlicher wird, aber schwere Verläufe und überfüllte Intensivstationen können mit jeder neuen Mutation wieder zum Problem werden.

Die Entwicklung neuer Medikamente dauert allerdings Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Eine Abkürzung ist das sogenannte Drug-repurposing – die Medikamenten-Umwidmung. So nennt die Arzneimittelforschung es, wenn ein schon bekanntes Medikament gegen eine ganz andere Krankheit eingesetzt wird, als die, für die es entwickelt wurde.

Ein berühmtes Beispiel für Drug-repurposing ist Thalidomid von Grünenthal, das als Beruhigungs- und Schlafmittel Contergan Anfang der 1960er-Jahre wegen schwerster Fehlbildungen bei Kindern in Mutterleib wieder aus dem Verkehr gezogen wurde. Heute wird es unter strengen Auflagen wieder eingesetzt – gegen schwere Formen der Lepra und gegen multiples Myelom, eine aggressive Form des Knochenmarkkrebses.

Im kalifornischen La Jolla haben nun Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Scripps Institutes eine der weltweit größten Arzneimittelsammlungen systematisch nach Wirkstoffen gegen COVID-19 durchsucht. Sie haben unter 12.000 Verbindungen 90 Stoffe gefunden, die in der Lage sind, das Virus in zwei unterschiedlichen Sorten von menschlichen Zellen zu hemmen. Alle Substanzen der Sammlung sind entweder bereits als Medikamente zugelassen oder gelten als sogenannte Medikamentenkandidaten, sind also über die ersten Forschungsstadien hinaus und sind auf ihre Sicherheit bei der Anwendung an Menschen getestet.

Von diesen 90 Substanzen könnten 13 als Medikamente eingesetzt werden, die COVID-19-Patienten einfach schlucken müssten: vier davon sind sogar bereits zugelassen und neun weitere sind auf dem Weg zur Zulassung. Die bereits zugelassenen Wirkstoffe sind Halofantrin, ein antiparasitäres Medikament gegen Malaria; Nelfinavir, das zur Therapie von HIV-Infektionen verwendet wird; Simeprevir, ein Wirkstoff gegen chronische Hepatitis C und das blutdrucksenkende Medikament Manidipin, das vor allem zur Verbesserung der Nierenfunktion verwendet wird.

Das einzige bedingt gegen COVID-19 zugelassene Medikament ist Remdesivir, das ursprünglich von Gilead zur Behandlung von Ebola entwickelt wurde. Auf die Wirkung des Virostatikums wurden viele Hoffnungen gesetzt, die sich jedoch nicht erfüllt haben. Die Aufgabe des Wirkstoffes ist, die rasante Vermehrung des Virus in den infizierten Zellen zu unterdrücken, indem er die virale Kopiermaschine RNA-Polymerase stoppt. Das gelingt Remdesivir jedoch nur teilweise.

Nun hat sich in der Scripps-Studie gezeigt, dass unter den 90 antiviralen Treffern 19 Wirkstoffe sind, die in der Lage wären, die Wirkung von Remdesivir zu ergänzen und zwei weitere haben sogar das Potenzial, sie zu verstärken. Bei diesen beiden Medikamenten handelte es sich um Riboprin, eine Verbindung, die bereits als Präventivmittel gegen Übelkeit getestet wurde, und 10-Deazaaminopterin, ein Derivat des Vitamins Folsäure. Nun werden diese Treffer weiteren Tests unterzogen – an menschlichen Geweben und anschließend an Tieren –, um festzustellen, welche davon am ehesten beim Menschen wirken würden. (jsc)