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Was war. Was wird. Von hölzernen und fliegenden Pferden

Alan Shepards "Freedom 7" revisited? Hal Faber ignoriert die Wiederholung 60 Jahre alter Errungenschaften durch angebliche Nerds und kümmert sich um Realitäten.

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"Wochenend und Sonnenschein. Kein Auto, keine Chaussee. Und niemand in unsrer Näh'" - ach ja, das wär doch mal was, kein Sport, kein Starkregen, keine wildgewordenen Apothekerverbände und keine doch noch klimaschützenden, aber Politik nicht verändernden Wahlkämpfer im Bloß-kein-Change-Wahn. (Übrigens: Mehr zu Alan Shepars Freedom 7 gibts in der Wikipedia und bei der NASA.)

(Bild: LeManna / Shutterstock.com)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

*** Aus dem Schlamm zu den Sternen! Nach dem Milliardär Richard Branson hat nun auch der Milliardär Jeff Bezos seine Reise an den Rand des Erdraums hinter sich gebracht, begleitet von Wally Funk, die 60 Jahre auf den Flug warten musste. In dem Zwischenraum zwischen der Erdatmosphäre und des Weltraums großer Eintönigkeit ist das neue Davos entstanden, das von Milliardären genutzt wird. Jetzt warten wir nur noch auf den Start von Ozzy Khan, den 37ten Milliardär, der sich mit dem nach seinem Baikal Trust genannten Raumschiff Baikal als Rentier in die Tiefen des Raumes absetzt, begleitet von einem kryonischen Tank, in dem er für drei Jahre eingefroren werden kann. Unterdessen wird auf der Erde eine künstliche Intelligenz namens Baikal Decision-Support Concierge die Dinge in die Hand nehmen. Aber ich will kein Spielverderber sein und das Ende der spannenden Geschichte spoilern. Sie ist kurz und schnell gelesen. Vielleicht sollte ich noch betonen, dass sie erfunden ist, denn manchmal werden Science-Fiction-Stories für bare Bitcoins gehalten.

Die Mathildenhöhe in Darmstadt, Weltkulturerbe: Eine nette Umgebung für Unsicherheitsforscher, um sich auch mal zu erholen von all den Sicherheitslücken, über die man nur den Kopf schütteln kann.

*** Schlamm drüber! Diese Geschichte einer RTL-Reporterin, die sich für einen Flutbericht mit Dreck aufhübscht, steckt zwar hinter einer Paywall, ist aber in ihrer ganzen Relotiusseeligkeit eine hübsche Erzählung vom Vertrauen in den Journalismus. Natürlich filmte jemand mit seinem Mobiltelefon, wie sich Susanna Ohlen schminkte und sich eine Schaufel besorgte. Etwas übersteuert ist der Vergleich mit dem ersten live übertragenen Krieg, den CNN-Reporter vom Dach ihres Hotels aus kommentierten, wie die US-Luftwaffe vor 30 Jahren Bagdad bombardierte, aber sei's drum: "Es entstehen in der Ära des Nahezu-Overreporting andere Probleme mit der Authentizität: Wie authentisch sind Bilder, die gemacht, manchmal provoziert werden, um Bilder zu haben, weil das, was auf den Bildern zu sehen ist, ohne Kameras gar nicht passiert wäre? Bürgt die Vielzahl der Bilder dafür, dass das, was sie zeigen, tatsächlich passiert ist?" Tricky. Was ist mit den Bildern von der Tötung von Reuters-Mitarbeitern, die von der Zielkamera einer Bordkanone aufgenommen wurden? Schon einen Tag nach den Luftangriffen auf Bagdad im Juli 2007 wusste man bei Reuters, dass es solche Videoaufnahmen gibt, doch es dauerte bis 2010, als Wikileaks aus den geleakten Bildern das Video Collateral Murder produzierte.

*** Wikileaks, Wikileaks, da war doch was? Richtig! Die Filmemacherin Laura Poitras, die die Arbeit von Wikileaks und den Einzug von Wikileaks-Chef Julian Assange in die Botschaft von Ecuador mit ihrer Dokumentarfilmkamera begleitet hat, zeigt in Berlin die Arbeit Terror Contagion, die dekonstruiert, wie die Überwachungssoftware Pegasus der israelischen NSO Group funktioniert, dieser vollkommene Geist, der Mobiltelefone hackt, Daten aufzeichnet und hinterher keine Spuren hinterlässt. Seit Jahren beschäftigt sich dieser Newsticker mit dem Staatstrojaner, einem digitalen Pferd, gebaut für das Eindringen und Überwachen von digitalen Geräten und nun hat das Pferd auch fliegen gelernt! Seit Montag reißen die Nachrichten über das Pegasus-Projekt in der Süddeutschen Zeitung nicht ab, täglich gibt es neue Nachrichten, ob aus Ungarn oder Frankreich, wo Staatspräsident Macron selbst die Experten zu einem Krisentreffen rief. Das Pferd, das eigentlich Dichter beflügeln sollte, beflügelt jetzt die schlimmsten Überwachungsphantasien, aber eben auch den inneren Relotius bei manchen Journalisten: Rautenförmige Stahlträger durchziehen das gläserne Hochhaus wie Gräten einen Fisch. An einem der Stahlträger, im Konferenzraum im 14. Stock, lehnt Shalev Hulio. Durch die bodentiefen Fenster leuchtet der goldgelbe Strand der Mittelmeerküste...." Fische, Gräten, Sensationen!

*** Es lohnt sich, diese Erzählung mit der aktuellen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Staatstrojaner im Polizeigesetz von Baden-Württemberg zu verbinden. Bekanntlich hat die NSO Group ihren Pegasus auch den deutschen Sicherheitsbehörden zum Ankauf angeboten. Diese aber hatten Sicherheitsbedenken. Hier setzt die vage Rechtssprechung ein ebenso vages Zeichen, erklärt ein Jurist: "Der Erste Senat gibt aber mit auf den Weg, dass der Gesetzgeber für eine entsprechende Regelung sorgen muss, damit die Behörde, der eine Sicherheitslücke bekannt wird, Risiko und Nutzen angemessen abwägt. Überwiegt das Risiko, muss die Lücke dem Hersteller gemeldet werden. Wie die Abwägung aber genau aussehen soll, und ob es dafür eine Regelung im Gesetz braucht oder ob dafür auch eine behördeninterne Handlungsanweisung – Stichwort Wesentlichkeit – ausreicht, ist der Entscheidung nicht zu entnehmen."

*** Eine behördeninterne Handlungsanweisung hat in einem anderen Sektor für soviel Ärger gesorgt, dass das gute alte Fischewerfen in den Foren wieder einmal Auftrieb bekam. Die von den CCC-Kongressen mit ihren Vorträgen über die Gesundheitstelematik her bekannten Unsicherheitsforscher André Zilch und Martin Tschirsich haben eine fiktive Sonnen-Apotheke gegründet, einen Gästezugang beantragt und bekommen und dann zwei Impfzertifikate ausgestellt. Alles Sachen, die nach Ansicht von Zilch und Tschirsich auch ein Siebtklässler hinbekommen hätte. Sie beweisen damit, dass das digitale Impfzertifikat genauso sicher ist wie der analoge gelbe Impfpass – nämlich garnicht. Die Herstellung solcher Zertifikate in Apotheken wurde gestoppt, soll aber ab Montag kommender Woche wieder aufgenommen werden. Wundersamer Weise sind die Zertifikate wieder sicher geworden, wenn es heißt: "Alle erteilten Zugänge werden bereits überprüft und verifiziert. Nach aktuellem Kenntnisstand ist es zu keinem Betrug bei der Erstellung von Impfzertifikaten gekommen. Ein solcher wäre im Übrigen eine Straftat." Das ist hübsch gesagt und erinnert an den großen Österreicher Paul Watzlawick, der heute vor 100 Jahren auf die Welt kam. Man denke an seine formidable Anleitung zum Unglücklichsein und das Beispiel vom Menschen, der unaufhörlich klatscht, um Elefanten zu verjagen. So ähnlich klatschen jetzt die Apotheker in ihren weißen Kitteln, damit keine gefälschten Impfzertifikate im Umlauf sind. Ich klatsche auch, aber an die Stirn: Ich bin vollständig geimpft, ein Dutzend Mal musste ich meine in der CovPass-App gespeicherte Bescheinigung (selbst gescannt, ha!) vorzeigen. Kein einziges Mal wurde der Ausweis verlangt, der eigentlich zum Zertifikat gehört.

*** And now for something completely different. In dieser Woche ist der Talkmaster Alfred Biolek gestorben. Ich kann nicht sagen, dass ich Talkshows mag, aber Alfred Biolek ist allein deswegen die große Ausnahme, weil er Monty Phyton's Fliegenden Zirkus nach Deutschland holte und der Truppe zu dieser Folge über Albrecht Dürer die inspirierenden Vorlagen lieferte. Genau vor 500 Jahren machte sich der Autoverleiher Dürer auf, von Antwerpen nach Nürnberg zurückzureisen. Mit im Gepäck: Das mutmaßlich erste Portrait einer schwarzen Frau, das hatte er da gerade beendet. Zu sehen ist das Bild ab sofort in Aachen. "Dürer war hier" ist der Titel der Ausstellung, der von Monty Phyton's Song stammen könnte.

Wer googlet, wird schlau und lernt, dass Dr. Wau eine Hundetrainingschule ist. In der kommenden Woche ist jährt sich der Tod von Wau Holland zum 20. Mal. Aus diesem Anlass kommt ein Film in alle Kinos der Sommerrepublik. Allein in Berlin sind es neun Abspielstätten u und überall dort, wo der CCC örtlich stark vertreten ist, zeigen mehrere Kinos "alles ist 1 außer der 0". Aus irgendeinem Grunde wird Wau Holland als Dr. Wau bezeichnet. Das ist doof, passt aber zum Sommer mit seinem Wahlkampf und dem "Ja, aber"-Gelaber eines Armin Laschet.

Beim 1. Wau-Gedenktreffen vor 20 Jahren auf der Hal 2001

Wau Holland wurde genau 10 Jahre vor diesem gackernden Kanzlerkandidaten geboren und pries das Ideal einer maschinenlesbaren Regierung, von der CDU/CSU maskenmeilenweit entfernt sind, einmal so an: "Es ist angesichts der Entwicklung von Speicherpreisen naiv zu glauben, die relativ überschaubare Menge von de.TEXT oder cl.ALL würde _nicht_ gespeichert und ausgewertet. Es ist hingegen sinnvoll, ein soziales Gedächtnis zu haben auch über die Entwicklung der linken Ideengeschichte. Auch Friedrich Engels hat nicht im Geheimarchiv gearbeitet, sondern in öffentlichen Bibliotheken. Dass politische Polizeien Missbrauch treiben von Archiven und Ideenträger verfolgen, ist ein historisches Übel, das sich IMO durch Offenheit begrenzen lässt und nicht durch Geheimhaltung. Meine Vorstellung ist, wie bereits 1985 mit jwi und Co entwickelt, die maschinenlesbare Regierung. Dazu gehört auch das Archivieren aller Politikerreden und der freie Zugang darauf; ebenso wie auf die Haushaltsdaten."

Naomi Osaka hat die Flammen angezündet, doch ihr Bild ist in keiner japanischen Zeitung auf der Titelseite. Das habe ich als Bildungssuchender in diesem empfehlenswerten Newsletter gelesen. Für alle, die neben dem Sport die seltsame Politik des Sportes verstehen wollen. Na dann, schönes Wochenende, ganz ohne Sport und hoffentlich ohne Starkregen.

(jk)