Weltraumforscher schießen scharf

Wissenschaftler gehen der Frage nach, welche Konsequenzen es hat, wenn man Projektile auf Kometen feuert, um aufgewirbelte Materie untersuchen zu können.

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Der Einschlag des von der Sonde Deep Impact abgefeuerten Impaktors auf dem Kometen Temple 1.

(Bild: NASA/JPL-Caltech/UMD)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske
Inhaltsverzeichnis

Im zwischenmenschlichen Bereich wäre es ein eher ungewöhnliches Verhalten, jemanden besser kennenlernen zu wollen, indem man auf ihn schießt. In der Planetenkunde wird es dagegen immer wieder praktiziert: Projektile werden auf Kometen und Asteroiden abgefeuert, um die beim Einschlag aufgewirbelte Masse spektroskopisch untersuchen oder für den Rücktransport zur Erde einfangen zu können. Aber handelt es sich bei den so gewonnenen Proben noch um Originalmaterie oder ist sie durch die Kollision chemisch verändert worden?

Anfang Juli 2005 feuerte die US-amerikanische Sonde Deep Impact einen 372 kg schweren Impaktor auf den Kometen Temple 1, der dort mit einer Relativgeschwindigkeit von 10,3 km/s einschlug. Der dadurch verursachte Explosionsblitz wird auf eine Temperatur von 3500 Grad Celsius geschätzt. Dabei dürften einige chemische Prozesse abgelaufen sein. Was genau bei solchen Einschlägen mit hoher Geschwindigkeit passiert, versuchen Forscher in Laborexperimenten nachzuvollziehen. Beim gerade stattfindenden Europlanet Science Congress (EPSC) stellen zwei Teams solche Studien vor.

Es ist allerdings keine Kleinigkeit, im Labor so hohe Geschwindigkeiten zu erzeugen. Die Explosionsgase einer konventionellen Treibladung aus Nitrozellulose breiten sich lediglich mit Geschwindigkeiten von zwei bis drei Kilometern pro Sekunde aus. Mithilfe von Leichtgaskanonen lässt sich jedoch der Impuls dieser relativ schweren Gase auf ein leichteres Gas, idealerweise Wasserstoff, übertragen, das dadurch auf höhere Geschwindigkeiten beschleunigt wird. Ähnlich wie Raketen arbeiten solche Kanonen zudem mit mehreren Stufen. Auf diese Weise lassen sich Geschwindigkeiten von mehr als 11 km/s erreichen – in diesem extrem hohen Bereich allerdings um den Preis starker Beschädigungen der Leichtgaskanone.

Vassilia Spathis (University of Kent) und James S. New (University of California Berkeley) haben sich bei der Nutzung der zweistufigen Leichtgaskanone der University of Kent daher mit einer Geschwindigkeit von 6,39 km/s begnügt. Mit diesem Tempo feuerten sie eine Probe des polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoff Pyren auf eine Aluminiumfolie, die wiederum auf einer Aluminiumplatte befestigt war.

Die spektroskopische Analyse ergab, dass sich das Pyren am Rand des dabei entstandenen Kraters in Graphit umgewandelt hatte, also reinen Kohlenstoff. Im Zentrum des Kraters fanden sich zudem Stoffe, die Spathis und New bislang noch nicht genauer bestimmen konnten. Es könne sich um Bruchstücke der Pyren-Moleküle handeln, vermuten die Forscher. Es sei aber auch möglich, dass sich ein Metall-organischer Komplex gebildet habe oder das Aluminium als Katalysator die Umwandlung des Pyrens in Benzol bewirkt habe.

Weitere Untersuchungen sollen diese Frage klären. Es sei aber auch so schon klar, so Spathis, dass bei der Sammlung von Proben auf anderen Himmelskörpern mit der größten Vorsicht vorgegangen werden müsse. Insbesondere bei der Suche nach organischen Molekülen und möglichen Lebensspuren könnten diese ansonsten bereits bei der Probenentnahme modifiziert und zerstört werden.

Nun sind von Menschen abgefeuerte Projektile nicht das einzige, was mit hoher Geschwindigkeit auf andere Himmelskörper trifft. Diese werden vielmehr ständig von kleineren oder größeren Brocken getroffen, die durchs All schwirren. Dabei geht viel kaputt, aber es mag auch oft Neues entstehen – manchmal sogar Leben. Um die Bedeutung solcher Meteoriteneinschläge für die Entstehung und Ausbreitung von Leben im All zu verstehen, haben auch Surendra Vikram Singh vom indischen Physical Research Laboratory und sein Forschungsteam die zweistufige Leichtgaskanone in Kent genutzt.

Experimente anderer Forschungsgruppen hätten gezeigt, so Singh, wie bei Einschlägen mit hoher Geschwindigkeit aus einfachen Molekülen wie Ammoniak, Wasser, Kohlendioxid und Methanol komplexere Moleküle wie Aminosäuren oder Bestandteile der Nukleinsäuren gebildet werden können. Mit seinen Experimenten wollte er nun herausbekommen, wie sich Aminosäuren unter solchen Bedingungen verhalten, und beschoss dafür in Wassereis bei Temperaturen von 140 K gelöste Aminosäuren (Glycin und Glutamin) mit einer auf 5 km/s beschleunigten, 1mm großen Stahlkugel.

Untersuchungen des dabei herausgeschleuderten Materials mit einem Elektronenmikroskop zeigten komplexe, verästelte Strukturen, die sich bei dem Einschlag gebildet hatten. Die chemische Analyse durch Flüssigchromatographie mit Massenspektrometrie-Kopplung ergab, dass sich die Aminosäuren zu Peptidketten mit bis zu zwölf Gliedern verbunden hatten. Die Studie unterstreiche daher die Bedeutung von Meteoriteneinschlägen für die Entstehung und Verbreitung des Lebens im All, betont Singh.

(axk)