Sonnenlicht zersetzt Plastik stärker als bisher gedacht

Mikroplastik ist bereits zu Tonnen in den Ozeanen. Doch es zerlegt sich unter Sonnenlicht weiter in bis zu 15.000 verschiedene, wasserlösliche Substanzen.

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WHOI-Forschende Taylor Nelson (li.) und Anna Walsh setzen Plastikfolien kontrolliert natürlichem Sonnenlicht aus.

(Bild: WHOI)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Jan Oliver Löfken

Mehr als geschätzt 150 Millionen Tonnen Plastikmüll verschmutzen heute die Weltmeere und jedes Jahr kommen etwa acht Millionen Tonnen hinzu. Der Großteil davon sinkt auf den Meeresboden, dennoch sollen an der Wasseroberfläche knapp 400.000 Tonnen Plastik treiben. Über Wellenbewebungen werden die langlebigen Kunststoffe zu Mikroplastik pulverisiert.

Das ist schon schlimm genug – landet dieses doch in Tier und Mensch. Aber so manche Plastiktüte im Meer bleibt nicht auf dem Level von Mikroplastik stehen. Amerikanische Forscher von der Woods Hole Oceanographic Institution (WHOI) fanden heraus, dass die schwimmenden Tüten unter Sonnenstrahlung sogar in bis zu 15.000 verschiedenen, wasserlöslichen Substanzen freigesetzt werden können.

"Es ist erstaunlich, dass Sonnenlicht Plastik, das im Wesentlichen aus einer einzigen Verbindung besteht, der üblicherweise einige Zusatzstoffe beigemischt sind, in Zehntausende von Verbindungen zerlegen kann, die sich in Wasser auflösen", sagt WHOI-Forscher Collin P. Ward. Man müsse nicht nur über die Auswirkungen der Plastikpartikel selbst nachdenken, sondern auch über die Umwandlung dieser Materialien.

Erste Erkenntnisse gewannen die Hauptautorin der Studie Anna Walsh, Ward und weitere Kollegen nun bei der detaillierten Analyse des Zerfalls von Plastiktüten unter Sonnenlicht. Sie untersuchten dazu den Abbau von reinem Polyethylen im Vergleich zu Kunststofffolien aus Plastiktüten, die mit verschiedenen Zusätzen wie Calciumcarbonat und Titandioxid versetzt wurden.

In Wassertanks eines Freiluftlabors stellten die Wissenschaftlerinnen und WIssenschaftler den Zerfall unter natürlichem Sonnenlicht nach. Mit einem extrem leistungsfähigen Massenspektrometer am National High Magnetic Field Laboratory in Tallahassee, Florida, konnten sie die Anzahl der verschiedenen Substanzen nach wenigen Wochen Zerfallszeit ermitteln.

Je nach Menge und Art der Zusätze zu reinen Polyethylen-Folien variierte die Menge an wasserlöslichen Zerfallsprodukten deutlich. Bei reinem Polyethylen konnten die Forscher bis zu 9.000 verschiedene Substanzen nachweisen. Bei Plastiktüten der großen US-amerikanischen Handelsgruppe Walmart registrierten die Forscher sogar gut 15.000 Substanzen. "Wir wissen noch gar nicht, welche Auswirkungen all diese Substanzen auf die aquatischen Ökosysteme oder auf biogeochemische Prozesse wie etwa den Kohlenstoffkreislauf haben", sagt Ward.

So sieht Ward schnell zerfallende Plastikvarianten – auf dem ersten Blick ein positiver Effekt gegen die Plastikflut – durchaus kritisch. Mehr Forschung sei daher nötig, um die Auswirkungen der Zerfallsprodukte auf die Ökosysteme zu ermitteln.

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Doch zusätzlich zeigt diese Studie, dass der Zerfall von Plastikfolien deutlich von Art und Menge der Zusatzstoffe abhängt. So wäre es prinzipiell möglich, Plastikfolien zu entwickeln, die sich möglichst schnell umweltfreundlichere Substanzen zersetzen. Doch weitaus besser, effektiver und günstiger als diese rein technologische Lösung wäre es, Plastikmüll zu vermeiden und einen kontrollierten und geschlossenen Recycling-Kreislauf zu etablieren.

(jle)