Siebenmeilenstiefel​: Das "Human-Hybrid"-E-Bike eRockit​ im Fahrbericht ​

Treten wie auf einem Fahrrad, aber so schnell wie auf einer 125er? So furios mit reiner Pedalunterstützung zu sausen macht Heidenspaß – auch auf der Autobahn.

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(Bild: eRockit Systems)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Wolfgang Gomoll
Inhaltsverzeichnis

Das eRockit ist ein Pedelec. Mit Pedalen wie an einem Fahrrad, aber mit 90 km/h so schnell wie ein 125er-Motorrad. Die Geschwindigkeit kann allein durch Pedalunterstützung erreicht werden, was einen unerwartet großen Spaßfaktor bringt. Der Hersteller nennt das "Human Hybrid Technologie".

Unangestrengt und fast ganz aufrecht sitzend pedalierend lassen wir rasch den Tacho 25 km/h passieren, die Grenze, bis zu der ein Pedelec noch als Fahrrad gilt. Kurz darauf sind es schon 40 und ein ordentlicher Gegenwind beginnt zu drücken. Bei 50 treten wir etwas sachter, um innerorts das Limit einzuhalten. Am Ortsausgang steigern wir die Geschwindigkeit weiter, hätten spätestens jetzt das 50 km/h schnelle S-Pedelec VanMoof V überholt und lassen auf der Landstraße auch bald die 70 hinter uns. Jeder Tritt schubst uns jetzt einige Meter weiter. Nach ein paar Kurven geht es geradeaus und wir pedalieren uns auf 85 km/h. Mit bis zu 16 kW unterstützt und der Elektroantrieb. Ein Antriebsgeräusch ist kaum wahrnehmbar, der Wind braust laut und inzwischen sind wir froh über den geschlossenen Helm, der ihn uns wenigstens aus dem Gesicht fernhält.

Anders als bei einem "gewöhnlichen" elektrischen Leichtkraftrad, wie dem deutlich günstigeren Supersoco TCmax, sind an diesem Ding die Pedale die einzige Möglichkeit, zu beschleunigen. Einen Drehgriff am Lenker gibt es nicht. Treten strengt aber nicht wirklich an: "Das ist aber nicht stärker als die Stufe eins beim Fitnessrad, wir wollen nicht, dass die Menschen verschwitzt ins Büro kommen", erklärt CEO Andreas Zurwehme, der dieses Zusammenspiel aus Muskelkraft und Vortrieb als "Human-Hybrid" bezeichnet. Er kündigt an, dass im Rahmen eines Software-Updates eine Funktion dazukommen soll, mit der man den Widerstand selbst definieren, also auch sportlicher mit mehr Eigenkraft fahren kann.

Der Tret-Vortrieb macht einen Heidenspaß. Das fühlt sich in etwa so an, wie man sich als Kind immer die Siebenmeilenstiefel vorgestellt hat. Bereits im Normal-Fahrprogramm geht es dank der Dauerleistung von 5 kW flott voran. Bei vollem Einsatz bringt der gebläsegekühlte, bürstenlose Permanentmagnet-Synchronmotor das Gefährt auf bis zu 90 km/h. "Das eRockit ist das einzige Fahrrad der Welt, mit dem Sie auf der Autobahn fahren dürfen", erklärt Zurwehme. Schaltet man auf "Sport" um, dann ist die Beschleunigung so gut, dass sich mancher Rollerfahrer wundert.

Dank der 17-Zoll-Räder mit Heidenau K80 Reifen in 1.85 x 17 vorn und 2.50 x 17 hinten und der Vollfederung (vorne: einstellbare 37 Millimeter Upside-Down-Gabel, hinten: zentrales Feder-Dämpferbein mit 203 mm Federweg und einstellbarer Federvorspannung) steckt das eRockit Schwellen und Querfugen locker weg. Eine 300-mm-Bremsscheibe mit radial montierten 4-Kolben-Bremssattel vorn und eine 220-mm-Bremsscheibe mit 2-Kolben-Sattel hinten verzögern das Gerät auf Wunsch sehr wirkungsvoll. Die schmale Bauweise des Gefährts und eine Wendigkeit reichen fast an die eines klassischen Fahrrads heran. "Fast", weil man das Gewicht des eRockit von 120 Kilogramm nicht wegdiskutieren kann, und weil man etwas Übung braucht, ehe man ganz enge Kurven nimmt.

eRockit (17 Bilder)

Momentan ist das eRockit das schnellste Pedelec am Markt.

Das eRockit-Fahrrad sieht mit seinen sichtbaren aber formschön komponierten Bestandteilen wie etwa dem Zahnriemenantrieb oder dem unter dem Rahmen liegenden, über Hebel angelenkten Zentralfederbein in Schwarz ein bisschen nach Steampunk aus. Wären da nicht das bei direkter Sonneneinstrahlung schlecht ablesbare Display oder die grellen Rahmenfarben Signalblau, Reinorange, Reingrün oder Signalrot. So cool das aussieht, einen Gepäckträger gibt es aufgrund der Konstruktion nicht. "Das eRockit ist ein klassisches Rucksack-Fahrzeug", erklärt Mitgründer Sebastian Bruch. Unter der archaisch anmutenden Mechanik steckt eine 6,6 Kilowattstunden fassende Lithium-Ionen-Batterie, die den verkappten Drahtesel bis zu 120 Kilometer weit bringt. An einer normalen Haushaltssteckdose dauert es rund drei Stunden, um die fest eingebauten Akkus von 20 Prozent auf 80 Prozent mit Energie zu füllen. Von null auf 100 Prozent sind es zwei Stunden mehr.

Das eRockit ist wie ein 125er Leichtkraftrad eingestuft und darf daher auch nicht auf dem Radweg fahren. Für das Fahren in Deutschland benötigt man entweder einen Führerschein der Klasse A, A1 oder A2, einen älteren Pkw-Führerschein (Klasse 3), ausgestellt vor dem 1. April 1980 oder seit Neuestem einen ganz normalen Pkw-Führerschein in Kombination mit einer kurzen Schulung bei einer Fahrschule, also das B196-Upgrade.

Aktuell kostet das E-Zweirad als "Limited Edition 100" mindestens 11.850 Euro. Mit größeren Stückzahlen sollte der Preis unter 10.000 Euro fallen. Gefertigt wird das eRockit fast komplett in Handarbeit im brandenburgischen Hennigsdorf.

(fpi)