China: Crowd-Source-Aufstand gegen 72-Stunden-Wochen in der Softwareentwicklung

Chinesische Softwareentwickler protestieren zurzeit gegen schlechte Arbeitsbedingungen wie überlange Dienste, sie fordern mehr Transparenz von den Arbeitgebern.

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(Bild: Boumen Japet / shutterstock.com)

Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Silke Hahn
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Chinesische Softwareentwickler haben eine Tabelle veröffentlicht, die die Arbeitsbedingungen bei Hunderten Arbeitgebern auflistet. Aus dem Dokument namens "WorkingTime" soll hervorgehen, dass zahlreiche Unternehmen von ihren Mitarbeitern eine 72-Stunden-Woche erwarten. In Anlehnung an die in China vielerorts üblichen Arbeitszeiten von 9 bis 21 Uhr an sechs Werktagen heißt diese Praxis dort abgekürzt "996", wie das IT-Portal The Register berichtet.

Unter anderem haben offenbar große Konzerne wie Alibaba diese Arbeitsbedingungen gefördert. Chinesische Gerichte stellten vor Kurzem fest, dass die Praxis illegal sei, da im chinesischen Arbeitsgesetz Überstunden auf höchstens 36 pro Monat begrenzt sind und dafür auch ein Ausgleich fällig ist. Es fehlt allerdings offenbar an Strukturen, die die realen Bedingungen kontrollieren und das Recht der Arbeitnehmer auch durchsetzen, da unabhängige Arbeitnehmervertretungen wie Gewerkschaften in China nicht zulässig sind.

Die nun zirkulierende Tabelle kann zwar kein Rechtsmittel ersetzen, aber sie soll Arbeitnehmern und Entwicklern auf der Jobsuche helfen, sich einen Überblick zu verschaffen. Offenbar gehen die Arbeitsbedingungen im Land der Mitte gerade für Softwareentwickler stark auseinander: Während die einen Betriebe an der 72-Stunden-Woche festhalten, gibt es andere Betriebe, die eine 40-Stunden-Woche bieten und sogar Vergünstigungen wie subventioniertes Wohnen zusätzlich ermöglichen.

Das Thema ist nicht ganz neu, so hatten in der Vergangenheit bereits IT-Beschäftigte via GitHub-Repository ihren Frust über die Sechs-Tage-Woche und die Zwölfstundenschichten geäußert. Von dem öffentlich zugänglichen Dokument erhoffen sich die anonymen Herausgeber offenbar, dass es als ersten Schritt Transparenz herstellt. Die Beiträge darin stammen aus dem Inneren zahlreicher großer Unternehmen wie Alibaba, Tencent, Huawei, aber auch von international aktiven Firmen wie SAP und IBM.

Zurzeit ist das Projekt noch nicht zum freien Download verfügbar, zugänglich ist allerdings eine Übersichtstabelle mit täglich erhobenen Daten auf Chinesisch. Laut der GitHub-Seite des Projekts läuft zurzeit eine juristische Prüfung zur Klärung rechtlicher Fragen. Weiterführende Informationen lassen sich der Projektseite von WorkingTime bei GitHub entnehmen. Die Recherche von The Register lässt sich im Originalartikel nachlesen.

(sih)