Facebook: Neuer Whistleblower, alte Vorwürfe

In einer Beschwerde gegenüber der US-Börsenaufsicht wirft ein ehemaliger Mitarbeiter dem Unternehmen vor, Profit über Integrität zu stellen.

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(Bild: dpa, Niall Carson/PA Wire/dpa)

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Ein ehemaliger Mitarbeiter wirft Facebook vor, aus Profitgründen problematische Inhalte zu tolerieren. In einer eidesstattlichen Versicherung gegenüber der US-Börsenaufsicht SEC bekräftige der Insider darüber hinaus die zuvor von Whistleblowerin Frances Haugen erhobenen Vorwürfe, berichtet die Washington Post. Die Aussage des ehemaligen Mitarbeiters ist Teil einer Beschwerde, die die US-Organisation "Alliance to Counter Crime Online" am Freitag bei der Börsenaufsicht eingereicht hat.

Der ehemalige Mitarbeiter hat dem Bericht zufolge für Facebooks "Integrity"-Team gearbeitet, das Nutzer der Plattformen vor schädlichen und illegalen Inhalten schützen soll. Ihm zufolge sollen Facebooks Führungskräfte diese Bemühungen gegen problematische Inhalte wiederholt unterlaufen haben, um das Wachstum der Plattform nicht zu gefährden oder die US-Regierung unter Donald Trump nicht zu verärgern.

So habe es unter anderem eine "Weiße Liste" mit Medien gegeben, die von Facebooks internen Prüfverfahren ausgenommen wurden. Auf dieser Liste soll auch das rechtskonservative Portal Breitbart News gestanden haben, das der ehemalige Trump-Berater Stephen Bannon geleitet hat. Der Whistleblower wirft Facebooks Top-Lobbyist Joel Kaplan vor, diese Liste intern verteidigt zu haben. Kaplan weist das zurück. Er habe sich stets für eine "faire Behandlung aller Herausgeber" ausgesprochen, sagte er der Washington Post. "Es hat nie eine Weiße Liste gegeben."

2017 war Facebook wegen seiner Rolle bei der Verbreitung von Propaganda im US-Wahlkampf 2016 unter Druck. Laut dem Whistleblower soll Kommunikationschef Tucker Bounds die Bedenken beiseite gewischt haben. "Das wird ein Strohfeuer", wird Bounds in der eidesstattlichen Erklärung des ehemaligen Mitarbeiters zitiert. "Einige Abgeordnete werden angepisst sein. Und in ein paar Wochen werden sie sich mit etwas anderem beschäftigen. Wir drucken unterdessen im Keller Geld und sind okay."

Bounds wundert sich gegenüber der Washington Post, dass er ohne weitere Belege mit einem "angeblichen Einzelgespräch mit einer namenlosen Person vor vier Jahren" konfrontiert werde. Auch eine Facebook-Sprecherin dementiert die Vorwürfe nicht, sondern wirft der Washington Post vor, "eine ganze Geschichte an einer einzigen Quelle" aufzuhängen, was einen "gefährlicher Präzedenzfall" darstelle.

Die am Freitag eingereichten Dokumente sind Teil einer Kampagne der Alliance to Counter Crime Online (ACCO), einer Initiative des gemeinnützigen "Center on Illicit Networks and Organized Crime" (Cintoc). Seit 2017 versucht die ACCO, bei der SEC Druck auf Facebook aufzubauen. Sie argumentiert unter anderem damit, dass Facebook auf seinen Plattformen nicht ausreichend gegen illegale und problematische Inhalte vorgeht, um seine Profite zu schützen. Für Anleger sei das ein nicht abschätzbares Risiko, zumal amerikanische Politiker die Haftungsfreistellung für Plattformen wie Facebook reformieren wollen.

Im September war Facebook wegen seines Umgangs mit problematischen Inhalten erneut in die Schlagzeilen geraten, nachdem eine ehemalige Mitarbeiterin dem Wall Street Journal interne Dokumente zugespielt hatte. Demnach nahm Facebook die Profile von Prominenten von seinen internen Prüfsystemen aus. Zudem hatte das Unternehmen Erkenntnisse über die schädliche Wirkung von Instagram auf Teenager. Die Informantin hatte sich anschließend in einer TV-Sendung als Frances Haugen zu erkennen gegeben.

Unterdessen berichtet das Wall Street Journal, dass Facebook inzwischen effektiv gegen politische Bewegungen vorgeht, die das Management für problematisch hält. Facebook habe erschwert, Inhalte dieser Bewegungen zu teilen, und die Sichtbarkeit der damit verbundenen Gruppen beschränkt. "Wir konnten Begriffe wie 'Patriot Party' im Keim ersticken, bevor sie von der Masse aufgegriffen wurden", zitiert die Zeitung aus internen Dokumenten.

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So soll Facebook die Aktivitäten der deutschen "Querdenker" ebenso unterdrückt haben wie Versuche, eine neue konservative Bewegung in den USA zu gründen. Dort gab es nach den Vorfällen im US-Kapitol Bestrebungen, eine neue "Patriot Party" als Alternative zu den Republikanern gegründet. Laut internen Dokumenten hatte Facebook Hinweise, dass dahinter nationalistische Bewegungen und Milizen standen.

Diese "chirurgischen" Maßnahmen seien Teil einer Strategie, mit der Facebook die Aktivitäten von "schädlichen Gemeinschaften" einzuhegen versuche, berichtet das Wall Street Journal unter Berufung auf interne Dokumente. Anstatt nur einzelne Postings zu löschen, halte Facebook nun bestimmte Gruppierungen unten, die es für problematisch hält. Offenbar wird intern schon länger über ein eher systematisches Vorgehen gegen solche Gruppen diskutiert. Die Führung um Gründer und CEO Mark Zuckerberg hat stärkere Eingriffe aber bisher abgelehnt, weil es Wachstum und Profit des Unternehmens gefährde.

(vbr)