Gebäudesanierung: Neue Fassaden können heizen, kühlen und die Luft reinigen

Fassadenmodule mit eingebauter Wärmepumpe können die Sanierung alter Büro- und Schulgebäude vereinfachen, ein textiler Vorhang kann vor Stickoxiden schützen.

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Die von Wissenschaftlern von zwei Fraunhofer-Instituten entwickelten Module enthalten ein Solarpanel, eine Wärmepumpe, Fenster sowie eine Lüftung mit Wärmerückgewinnung.

(Bild: Fraunhofer)

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Fassaden sind weit mehr als nur langweilige Gebäudehüllen. Durch vorgefertigte Fassadenelemente lassen sich etwa alte Mietshäuser kostengünstig sanieren, Gas-Etagenheizungen ersetzen oder die Luft reinigen.

Eine Lösung speziell zur Sanierung von Bürobauten und Schulen haben nun die Fraunhofer-Institute für Bauphysik (IBP) und für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE) gemeinsam mit Industriepartnern vorgestellt. Sie eignet sich vorwiegend für Gebäude in Skelettbauweise. Etwa 25 bis 30 Prozent aller Bürogebäude wurden von 1950 bis 1990 laut Fraunhofer in Skelettbauweise errichtet. Ihr Verbrauch von 3200 GWh pro Jahr lasse sich durch die Modulfassade auf 600 GWh senken.

Dazu wird die alte vorgehängte Fassade durch vorgefertigte Module ersetzt, die ein Solarpanel, eine Wärmepumpe, Fenster sowie eine Lüftung mit Wärmerückgewinnung enthalten. Die Module sind jeweils 1,25 Meter breit, 30 Zentimeter tief und können einen 24 Quadratmeter großen Raum versorgen.

Da die Elemente weitgehend autark arbeiten, müssen keine Rohre verlegt werden. Sie brauchen lediglich einen Stromanschluss, damit sie auch arbeiten, wenn die Sonne nicht scheint. Deshalb kann der Austausch laut Fraunhofer-Gesellschaft in wenigen Stunden erfolgen. Idealerweise müssen die Nutzer dazu nicht einmal ausziehen.

Im Sommer kann die Wärmepumpe auch zur Kühlung eingesetzt werden. Die Wärme beziehungsweise Kälte wird per Luft in die Räume übertragen. Typisch staubig-stickige Heizungsluft soll laut Projektleiter Jan Kaiser vom IBP nicht dabei entstehen: "Die Temperatur der Zuluft liegt immer unterhalb der Grenze zur Staubverschwelung von 52 Grad." Erst oberhalb dieser Temperatur entstünden unangenehme Effekte, durch die die Luft so "heizungsartig" rieche. "Wir haben Behaglichkeitsuntersuchungen durchgeführt und keine Unterschreitung der Behaglichkeitskriterien festgestellt", so Kaiser.

Ein Blick in den Versuchsraum, der sich hinter dem entwickelten Fassaden-Modul befindet.

(Bild: Fraunhofer)

Derzeit wird ein Demonstrator mit einer Heiz- und Kühlleistung von 1,2 kW in einem Versuchsraum in Holzkirchen getestet. Wärme- und Feuchtequellen simulieren dabei die Anwesenheit von Menschen. Die "Arbeitszahl" – ein Kennwert für die Effizienz der Wärmepumpe – liegt nach Angaben von Kaiser bei 2,5 bis 3, also etwa im Bereich normaler Luft-Luft-Wärmepumpen. Für die Bestimmung einer Jahresarbeitszahl sei es aber noch zu früh, so Kaiser.

Viele kleine Wärmepumpen zu verbauen erfordert natürlich höhere Investitionen und einen größeren Wartungsaufwand als wenige große Aggregate für eine ganze Etage oder ein komplettes Haus, gibt Kaiser zu. "Dafür brauchen wir aber auch keine Sanierung des gesamten Gebäudes, sondern nur der Fassade", argumentiert er. Die Betriebskosten sind seinen Angaben zufolge ebenfalls nicht höher als bei zentralen Systemen – eher im Gegenteil, denn bei den dezentralen Installationen fielen die Übertragungsverluste weg.

Noch "Optimierungspotenzial" sieht Kaiser beim Thema Akustik. "Das gehen wir durch Layoutänderung der Konstruktion an." Ein wichtiger Faktor dabei sei es, den Verdichter dort anzubringen, wo man ihn am wenigsten hört. Sprich: draußen.

Der äußere Wärmetauscher sitzt direkt hinter dem PV-Modul und zieht Luft durch einen Spalt zwischen Fassade und Solarpanel. Im Winter ist das praktisch, denn auf diese Weise kann die Wärmepumpe schon leicht vorgewärmte Luft nutzen. Im Sommer, wenn sich die Luft hinter dem PV-Panel aufheizt, verschlechtert sich dadurch allerdings der Wirkungsgrad des Kühlaggregats. Im Sommer liefere die Solaranlage allerdings auch mehr Strom, hält Kaiser entgegen.

Auch die Fassade, welche die RWTH Aachen mit dem Immobilienunternehmen ECE entwickelt hat, tut etwas für die Umwelt – allerdings in ganz anderer Hinsicht. Sie besteht aus einem luftdurchlässigen Gewebe, das vor die eigentliche Fassade gespannt wird und das mit Nano-Titandioxid beschichtet ist. Mit Hilfe von Sonnenlicht und Luftfeuchtigkeit wandelt es Stickoxide in Nitrat um, das laut ECE beim nächsten Regen "einfach ausgewaschen wird und in den Boden gelangt". Nach Angaben der RWTH werden die EU-Nitratgrenzwerte von Trinkwasser dadurch nicht überschritten.

Der installierte Luftfilter an einem Campus-Gebäude in Hamburg.

(Bild: ECE)

Vom Februar 2020 bis Dezember 2021 haben die Partner eine 80 Quadratmeter große Textilplane an einer stark befahrenen Straße in Hamburg getestet. Der Architekt Jan Serode hat das Projekt in seiner Doktorarbeit wissenschaftlich begleitet. Das Ergebnis: Hinter der Membrane war die Konzentration der Stickoxide rund ein Drittel niedriger als davor. Sie schützt also hauptsächlich die Nutzer des Gebäudes vor den Stickoxiden der Umgebungsluft.

Textilfassade im Einsatz.

(Bild: ECE)

Die Membran braucht einen Abstand von mindestens 12 Zentimetern zur ursprünglichen Fassade. "Baulich bestehen weder Bedenken noch sind größere Schwierigkeiten für den Genehmigungsprozess zu erwarten, da standardisierte Baumaterialien verwendet werden", teilt Serode mit.

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(grh)