Wie gut sind die Antigen-Schnelltests auf das Coronavirus?

Das Paul-Ehrlich-Institut hat eine Liste mit positiv evaluierten Antigen-Schnelltests veröffentlicht. Doch auch bei diesen ist ein genauerer Blick ratsam.

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(Bild: PhotoSGH / Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Rainer Kurlemann

Wer kennt sie nicht, diese Situation? Vor einem Treffen mit Freunden, vor dem Besuch bei älteren Menschen oder vor dem Gang ins Restaurant zur Sicherheit besser noch ein Antigen-Schnelltest oder ein Selbsttest zuhause. Für viele Menschen gehört die kurze Probennahme mit dem Stäbchen in der Nase oder im Rachen zum Alltag der Corona-Pandemie.

Doch der Laie kann die Zuverlässigkeit dieser Antigen-Schnelltests kaum bewerten. Dank einer Webseite des IT-Kollektivs Zerforschung ist es nun leichter, die sehr guten Produkte in der riesigen Menge angebotener Schnelltests zu finden. Auf der Internetseite schnelltesttest.de kann der Käufer im Laden mit dem Mobiltelefon den Barcode eines Schnelltests einscannen und erhält eine Bewertung des Produkts.

Die größte Sicherheit, dass der Abstrich der Schleimhäute korrekte Ergebnisse liefert, bieten die Testzentren. Wenn die Betreiber die Kosten für einen Test erstattet bekommen wollen, muss das verwendete Produkt auf einer Liste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) stehen. Doch diese Liste ist nicht fehlerfrei. Das BfArM verlässt sich dabei auf Angaben der Hersteller, deren Plausibilität von der EU-Behörde geprüft werden, die die CE-Kennzeichnung erteilt. In diesem Verfahren wird die Qualität der Tests durch unabhängige Experten nicht kontrolliert.

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Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) überprüft derzeit, ob die Tests die von den Herstellern versproche Zuverlässigkeit erreichen. Bis Ende 2021 haben die Experten 245 Produkte für Speichelproben eingesetzt, die auch im Labor mit einem hochempfindlichen PCR-Test untersucht wurden. Für jedes Produkt wurden jeweils 50 Proben getestet.

Das Ergebnis zeigt, wie notwendig diese Kontrollen sind, damit hohe Qualität gewährleistet werden kann. 46 Schnelltests konnten zwar eine Infektion nachweisen, aber sie reagierten nicht mit ausreichender Sicherheit. Das PEI fordert, dass ein Schnelltest die Infektion mit dem Coronavirus bei hoher Virenlast der Testperson mindestens mit einer Wahrscheinlichkeit von 75 Prozent erkennt. Daran scheiterten 46 Tests. Weil sie diese Marke nicht erreicht haben, sind sie nun von der Liste der BfArM gestrichen worden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) legt die Latte für zuverlässige Schnelltests mit 80 Prozent noch ein bisschen höher.

Andererseits liefert die Überprüfung auch gute Nachrichten. Denn 131 Schnelltests erreichten bei einer hohen Virenlast der Testperson eine Zuverlässigkeit von 100 Prozent. Sie können also uneingeschränkt empfohlen werden, wenn sie korrekt verwendet werden.

Das PEI setzt die Überprüfung der Tests fort. Das wird dauern. Mehrere hundert Produkte wurden bisher nicht überprüft, obwohl viele davon bereits als Schnelltests im Handel sind. PEI-Präsident Klaus Cichutek sagt aber, dass sich Testzentren, Apotheken und auch Discounter an den Ergebnissen des PEI orientieren und die positiv evaluierten Tests anbieten. Für viele Angebote im Internet dürfte diese Sorgfalt nicht gelten, zudem werden sich nicht alle Läden daranhalten.

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Für Verbraucher waren die PEI-Ergebnisse bisher umständlich aufbereitet. Sie sind auf der Webseite des Bundesinstituts in einer PDF- und Excel-Tabelle zusammengestellt. "Es sollte eine Kernaufgabe der Behörden sein, diese wichtigen Ergebnisse auf einfachem Weg sofort zur Verfügung zu stellen", sagt Karl, einer der Sprecher des IT-Kollektivs Zerforschung. Wer einen Schnelltest kaufe, müsse wissen, was das Produkt leistet. Die Initiative wollte nicht auf eine App oder eine Webanwendung des Paul-Ehrlich-Instituts warten, die das PEI auch nicht angekündigt hat.

Digitalisierung ist auch in Pandemiezeiten nicht selbstverständlich. Das ehrenamtlich arbeitende Team entwickelte die Web-App und hat den Quellcode für alle zugänglich gemacht. Karl erklärt, dass Zerforschung nur die offiziellen Daten des PEI verwende und keine eigenen Recherchen zur Zuverlässigkeit der Schnelltests betreibe. Wenn die Anwendung den Barcode des Schnelltests zuordnen kann, zeigt das Mobiltelefon an, ob das Produkt als zuverlässig getestet wurde und welche Sensitivität es erreicht hat.

Die Ergebnisse der PEI-Experten zeigen auch die Schwächen der Schnelltests auf, selbst wenn die Anwender ein Produkt benutzen, dass eine Zuverlässigkeit von 100 Prozent erreicht. Diese Marke gilt nämlich nur für Infizierte, bei denen der PCR-Test einen CT-Wert kleiner gleich 25 erreicht. Im PCR-Test wird das Erbgut des Virus vermehrt und die Zyklen der Vermehrung als CT-Wert gezählt, bis man genetische Informationen des Virus nachweisen kann. Der CT-Wert ist praktisch ein Maß für die Menge der Viren in der Speichelprobe.

Als Faustregel für den PCR-Befund gilt: Je niedriger der Wert, desto ansteckender ist die Testperson. Geht der CT-Wert über 25 hinaus, bekommen viele Schnelltests ein Problem, bei einem CT-Wert über 30 lässt die Zuverlässigkeit deutlich nach. 52 der 131 empfohlenen Schnelltests können das Virus dann nicht mehr nachweisen. Der Blick auf die Testergebnisse des PEI kann sich also lohnen. Im Zweifelsfall ist ein PCR-Test immer die bessere Methode, um eine Infektion mit dem Coronavirus auszuschließen.

Die Überprüfungen des PEI können die Omikron-Variante des Virus noch nicht berücksichtigen. Auf der Grundlage der aktuellen Datenlage geht das Paul-Ehrlich-Institut davon aus, dass die allermeisten der als positiv bewerteten Antigentests auch eine Omikron-Infektion nachweisen können. Die Veränderungen im Viruserbgut scheinen sich auf die Tests nicht auszuwirken.

Die große Mehrheit der in Deutschland verkauften Antigentests weise das Nukleo-Protein (N-Protein) des Coronavirus nach, die Mutationen der Omikron-Variante betreffen aber primär das S-Protein, argumentieren die Experten. "Zwei der insgesamt vier Mutationen im Omikron-N-Protein traten auch bei den bisher bekannten SARS-CoV-2-Varianten auf und hatten keinen Einfluss auf die Zuverlässigkeit der Antigen-Nachweistests", berichtet das PEI. Ein Schnelltest bleibt also sinnvoll. (jle)