Kurz erklärt: Wie M12-Steckverbinder mit Schnellverriegelung funktionieren

In Industrienetzen sind Schraubverriegelungen beliebt, doch der Bedarf an einfacher nutzbaren Kupplungen steigt. Warum sich hier M12 anbietet, erklärt die iX.

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Eine Innenverriegelung ermöglicht versenkte, besonders gut geschützte Buchsen.

(Bild: HARTING)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Uwe Schulze

Kaum eine Schnittstelle visualisiert die Bedeutung des Begriffs Kompatibilität so plastisch wie eine Steckverbindung. Für Ethernet ist seit mehr als zwei Jahrzehnten RJ-45 der vorherrschende Standard, den heute noch nahezu jeder PC und Access-Point umsetzt. Nur für höhere Übertragungsraten auf Kupfer kommen neue Kupplungen wie GG45 zum Einsatz.

Eine ähnliche Bedeutung wie RJ-45 für IP-Netze hat M12 für Feldbusse. Allerdings ist M12 flexibler hinsichtlich Bauform und Pin-Anzahl. Dies trägt der Vielfalt industrieller Anforderungen Rechnung. Während RJ-45 stets acht Pins besitzt (die nicht alle beschaltet sein müssen), existieren für M12 Konfigurationen mit drei bis siebzehn Pins, um technische Anforderungen und Kosten miteinander in Einklang zu bringen. Auch für den allmählichen Übergang von Feldbussystemen zu Ethernet als Übertragungsstandard für Steuerungen und in Fahrzeugen ist M12 gerüstet: Mit vier Pins lassen sich Fast-Ethernet-Verbindungen herstellen, mit acht Pins Gigabit Ethernet. Auch eine Stromversorgung übers Datenkabel (Power over Ethernet, PoE) ist möglich.

Wie RJ-45 ist auch M12 ein Überlebenskünstler. So entwickelte er sich vom einfachen Sensoranschluss Mitte der 1980erJahre zum Industriestandard schlechthin. Die hohe Akzeptanz beruht vor allem auf den detaillierten Normen der International Electrotechnical Commission (IEC).

Einen deutlichen Unterschied gibt es hinsichtlich der Verriegelung: Bei RJ-45 rastet der Stecker zwar ein; bei Erschütterungen etwa in Fahrzeugen reicht das im Dauerbetrieb aber nicht aus. Herkömmliche M12-Kupplungen besitzen deshalb Vollgewindestecker. Dies gewährleistet insbesondere bei Vibrationen eine dauerhaft sichere Verbindung.

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Mit der Entwicklung zu Industrial Ethernet erweitert sich das Anwendungsspektrum und es gibt viele neue Einsatzszenarien, die auch schnellere und einfachere Anschlüsse erfordern. Diese werden etwa benötigt, wenn wenig Platz zur Verfügung steht oder die Schraubkupplungen schwer zugänglich sind.

Aus diesen Gründen entwickelte sich in den letzten Jahren eine Reihe von M12-Steckverbindungen, die statt eines Gewindes neuartige Schnellkupplungen nutzen (Push-Pull). Allerdings sind diese meist auf ganz bestimmte Anwendungsfälle zugeschnitten, sodass die Designs immer weiter divergierten. Eine Vereinheitlichung tat not, stellte die Normungsgremien aber vor Herausforderungen: Auf der einen Seite sollte eine weitgehende Abwärtskompatibilität gewährleistet werden. Geräte können dadurch mittels eines M12-Duo-Ports universell ausgerüstet werden und sind wahlweise mit Push-Pull- oder mit Schraubsteckverbindern anschließbar. Auch die Abmessungen sollten erhalten bleiben und die Schnittstelle zudem wasser- und staubgeschützt sein.

Auf der anderen Seite entwickeln sich neue Anforderungen wie eine versenkbare Buchse. Deshalb definiert der Standard neben einer bisher überwiegend verwendeten Außen- auch eine Innenverriegelung. Damit tragen die neuen Steckverbinder zu kompakteren Geräten bei. So lassen sich etwa geringere Abstände zwischen mehreren Ports realisieren.

Hinzu kommen Anforderungen einer zuverlässigen Verriegelung ohne Gewinde. Hierzu gehört blindes und werkzeugloses Stecken der Kontakte. Sowohl eine haptische als auch eine akustische Rückmeldung sollen die korrekte Verriegelung bestätigen, was die Überprüfung des korrekten Anzugsmoments mittels Drehmomentschlüssel ersetzt.

Die Verriegelungselemente können je nach Anforderungen entweder aus Kunststoff oder aus Metall bestehen, was Einfluss auf den Preis hat. Jedenfalls muss die Verbindung mechanisch robust sein, damit sie auch Torsionsbelastungen und Rotationskräften standhält.

So verwundert es nicht, dass die Normung einer vergleichsweise einfachen Kupplung mehrere Jahre in Anspruch nahm. Nun ist der Standard IEC 61076-2-010 final verabschiedet und die ersten Hersteller haben entsprechende Produkte präsentiert. Die Norm findet bereits Unterstützung von acht großen Herstellern, darunter Harting, Weidmüller und Phoenix Contact.

Aber es gibt auch einen Gegenentwurf. Yamaichi Electronics hat ein alternatives Konzept für einen M12-Push-Pull-Steckverbinder mit Innenverriegelung entwickelt, das erst jüngst vom DIN als deutsche Version der Norm IEC 61076-2-012 veröffentlicht wurde. Diese Lösung entfernt sich weiter vom ursprünglichen M12-Standard IEC 61076-2-101, da das Gewinde an drei Stellen unterbrochen wird, um die Rasthaken in Position zu bringen. Ob dieses System Vorteile für bestimmte Anwendungsfälle bringt und weitere Unterstützung aus der Industrie erfährt, muss sich noch zeigen.

(un)