Werbe-SMS im Wahllokal

Die CDU in Stuttgart versandte am Sonntag Wahlempfehlungen aufs Handy.

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Von
  • Monika Ermert

"Die Grenzen zwischen der Vermarktung eines Industrieproduktes und der eines politischen Kandidaten sind heute fließend", war vor kurzem auf der Website e-politik.de zu lesen. Wohl wahr. Doch was sollten Wähler aus der Baden-Württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart davon halten, dass sie nun selbst am Wahltag gegen halb neun nochmals per SMS eine freundliche Aufforderung erhielten. Darin stand: "Guten Morgen zur Bundestagswahl. Wählen Sie die bessere Regierung: CDU -- und mit Ihrer Erststimme Hans Jochen Henke und Angela Schmid." Adressaten waren offenbar gezielt die Wähler der Wahlkreise Stuttgart I und Stuttgart II.

Solche Werbe-Spams gelten zumindest in der freien Wirtschaft inzwischen als Verstoß gegen das Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG). "Da können die unverlangten Werbebotschaften abgemahnt werden, wenn der Adressat nicht vorher zugestimmt hat", heißt es etwa beim Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. in Berlin. Die Frage nach dem erforderlichen Datamining in Bezug auf die Wahlberechtigten sei dahingestellt; dass die SMS aber noch am Morgen des Wahltags versandt wurde, scheint doch ein "bissle" dreist, fand zumindest eine Reihe von Stuttgarter Wahlberechtigten, die sich mit Beschwerden an heise online wandten.

Tatsächlich verbietet das Bundeswahlgesetz während der Wahlzeit "jede Beeinflussung der Wähler durch Wort, Ton, Schrift oder Bild" in den Wahllokalen oder davor. "Neue Medien, neue Probleme", resümiert Tim Christian Werner, Jurist im Büro des Bundeswahlleiters in Wiesbaden. Grundsätzlich werde es nach dem Wortlaut des Gesetzes wohl in erster Linie dann problematisch, wenn die SMS den Wähler tatsächlich direkt vor dem Wahllokal oder gar in der Wahlkabine erreiche. "Außerdem müsste der Wähler die SMS auch noch zur Kenntnis nehmen. Es reicht nicht, wenn es nur piepst", so Werners erste Einschätzung. Doch müsse man sich mit dieser Frage wohl noch einmal eingehender beschäftigen.

"Wir haben die Aktion von unseren Juristen prüfen lassen," sagt Roger Schenk, Kreisgeschäftsführer der Stuttgarter CDU. "Als Partei unterliegen wir nicht dem UWG und unsere Juristen haben uns gesagt, dass Wahlwerbung am Wahltag nicht grundsätzlich verboten ist." Daher habe man einen deutschen Provider mit dem Massen-SMS-Versand beauftragt. Die Rufnummern -- laut Schenk lag die Anzahl im fünfstelligen Bereich -- seien einer Telefon-CD entnommen worden. Man habe "niederschwellig" an die Wahlberechtigten herankommen wollen, "immerhin ist die SMS die einzige Art der Nachricht, die den Adressaten kein Geld kostet".

Kritik hat man allerdings durchaus kassiert: "Manche Leute haben sensibel auf die Uhrzeit reagiert oder eben darauf, dass es der Wahltag war." Später am Tag habe man die SMS aber nicht schicken wollen, sonst wäre manch ein Wähler ja schon im Wahllokal gewesen. Beim nächsten Mal, so Schenk, werde man aber zur Sicherheit doch lieber auf den Samstag ausweichen. Der CDU hat die Spamaktion übrigens nicht viel genützt: Die beiden Kandidaten haben den Einzug in den Bundestag nicht geschafft.(Monika Ermert) / (tol)