Ericsson am Scheideweg -- düstere Prognose über Handy-Branche

Auch unmittelbar vor einer bevorstehenden Aktienemission sieht der schwedische Telekom-Konzern Ericsson betont pessimistisch in die Zukunft.

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Von
  • Thomas Borchert
  • dpa

Auch unmittelbar vor einer bevorstehenden Aktienemission sieht der schwedische Telekom-Konzern Ericsson betont pessimistisch in die Zukunft. Nur einen Tag vor einer in Stockholm anstehenden außerordentlichen Hauptversammlung meinte Vorstandschef Kurt Hellström über die Lage der gesamten Handy-Branche: "Wir müssen der Möglichkeit ins Auge sehen, dass es auch nächstes Jahr nicht aufwärts geht." Die Ericsson-Aktienkurse sackten gleichzeitig auf 20,40 Kronen (2,2 Euro), den niedrigsten Kurs seit fast sechs Jahren und weniger als ein Zehntel des Kursrekordes von 230 Kronen (25,17 Euro) im März 2000. Hellström und der als "harter Besen" geholte neue Aufsichtsratschef Michael Treschow wollen am Donnerstag grünes Licht von den Aktionären für die Neuausgabe von Aktien über 30 Milliarden Kronen (3,3 Milliarden Euro). Zwar hat vor allem die Wallenberg-Gruppe als wichtigster Großaktionär bereits Zustimmung signalisiert. Aber der Geduldsfaden scheint auch unter den maßgeblichen Anlegern inzwischen kurz vor dem Reißen zu sein.

So verlangte der Pensionsfonds AMF knapp 24 Stunden vor der Hauptversammlung eine Garantie von Ericsson, dass die anvisierten 30 Milliarden Kronen bis spätestens Ende Oktober sicher sein müssten. Ansonsten sei es bei derart unsicheren Marktbedingungen zu riskant, bedingungslos ja zur größten Aktienemission der schwedischen Geschichte zu sagen, meinte AMF-Chef Christer Elmehagen am Mittwoch in Svenska Dagbladet und könnte damit nach Meinung des Blattes einen "Schneeball mit Lawineneffekt" losgetreten haben. "Ein Nein von AMF wäre ein Albtraum für Ericsson", kommentierte die Zeitung.

Wahr geworden ist der Albtraum bereits für insgesamt 42.000 Ericsson-Beschäftigte, die wegen der Dauerkrise entlassen wurden oder ihren Arbeitsplatz im Rahmen des derzeitigen Sparplanes verlieren werden. Mit dem massiven Arbeitsplatzabbau reagierten Hellström und Treschow auf den Rekordverlust von 5,4 Milliarden Kronen (591 Millionen Euro) im ersten Quartal 2002. Zuvor hatte Ericsson schon zwei Jahre in Folge Milliardenverluste eingefahren. Die Schweden wurden beim Handy-Verkauf nicht nur immer deutlicher vom souveränen Marktführer Nokia aus Finnland abgehängt, sondern mussten neben Motorola nacheinander auch die Konkurrenten Siemens in Deutschland und Samsung in Südkorea an sich vorbeiziehen lassen. Daran hat vorerst auch die neue Handy-Ehe mit Sony nichts geändert, die über einen Marktanteil von nur noch 6 gegenüber früher über 10 Prozent in besseren Ericsson-Zeiten verfügt.

Alles andere als strahlenden Optimismus verbreitete Hellström auch mit der Aussage, im Jahr 2005 sei mit einer "massiven Anwendung" der neuen 3G-Mobilfunksysteme zu rechnen. Das ist noch lange hin, und der Stockholmer Konzernchef äußerte sich in der Financial Times auch schon fast bettelnd, die ebenfalls angeschlagenen Betreiber von Handynetzen müssten nun möglichst bald und möglichst umfassend investieren: "Die Qualität der Netze wird fast überall schlechter, und das vor allem in Westeuropa." Die Hoffnung auf neue Boomzahlen durch die Endverbraucher hat sich Kurt Hellström ohnehin abgeschminkt: "Die heutigen Handys sind so attraktiv und klein, dass man sie nicht mehr ständig erneuern muss." (Thomas Borchert, dpa) / (jk)