Datenautobahn ohne Auffahrt: Kaum DSL in Dörfern

Webseiten mit Bildern aufrufen, YouTube-Videos ansehen, Suchmaschinen nutzen - was für den Städter Alltag ist, geht Landbewohnern häufig auf die Nerven. Denn außerhalb größerer Orte sind die Menschen oft abgeschnitten vom schnellen Internet.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Wenn Marcus Schafft seiner Partnergemeinde in der Toskana eine E-Mail schreiben will, braucht der Bürgermeister des osthessischen Hofbieber Geduld. Fotos kann er in die "Comunitá" abseits aller großen Städte kaum schicken, größere Dateianhänge sollte er sich auch sparen. Doch nicht die kleine Gemeinde am Rande eines italienischen Naturschutzgebietes ist das Problem, dort gibt es High-Speed-Internet. Der Flaschenhals liegt mitten in Deutschland, in Hofbieber selbst und Hunderten anderen Gemeinden: Während in den Städten die Datenübertragung immer rasanter wird, sind außerhalb größerer Orte die Menschen oft abgeschnitten vom schnellen Internet.

"Eine normale Google-Suche dauert mindestens eine Minute, und das ist nur Text. Von Websites mit Bildern oder gar Filmchen will ich gar nicht sprechen", sagt Schafft. Das Filmportal "YouTube" ist zwar in der ganzen Welt beliebt, Klicks, geschweige denn Filmchen aus Hofbieber gibt es aber wenig. "Dazu sind die Leitungen zu dünn. Es würde Stunden dauern, einen Clip hochzuladen."

"Internet ist in Hessen überall möglich. Nur nicht so, dass man damit arbeiten kann oder es Spaß macht", sagt Rainer Rabe. Der Technikexperte der Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (LPR) erklärt, warum: "An den Knotenpunkten der Internetanbieter haben Sie Hochgeschwindigkeit – drei, vier Kilometer weiter aber nicht mehr." In den Städten sei das kein Problem, weil einer dieser Knotenpunkte immer in der Nähe sei. "Auf den Dörfern ist das anders. Da haben wir ein paar Inseln mit mäßig schneller Verbindung, der Rest sind weiße Flecken."

Luft klasse - aber kein schnelles Internet: die Gemeinde Hofbieber im Naturpark Hessische Rhön.

Der Werra-Meißner-Kreis soll zwar endlich seine Autobahn bekommen, auf die Datenautobahn müssen die Nordosthessen aber noch warten: "Das ist ein Standortfaktor", sagt Landrat Stefan Reuß. "Uns sagen Unternehmer, dass sie Angebote verschicken oder empfangen und mit ihren Kunden und Partnern kommunizieren müssen. Ohne Internet, und ich meine schnelles Internet, geht es heute nicht mehr." Das Wort Abwanderung falle sogar. "Kein Wunder. Ein Unternehmer brennt jeden Abend eine CD und fährt damit in die Kreisstadt. Da gibt es nämlich schnelles Internet."

Die Kritik richtet sich vor allem gegen die Telekom. "Komplett unflexibel", nennt sie der SPD-Landrat, "unrealistische Vorstellungen" wirft ihr der CDU-Bürgermeister vor: "Dann heißt es, das schnelle Internet kriegt ihr, aber nur, wenn Ihr uns ein paar Hunderttausend Euro für unsere Leitungen zahlt. Unser Verständnis dafür hält sich in Grenzen."

Doch warum nicht Leitungen nehmen, die schon liegen: "Internet über das Fernsehkabel ist für etwa die Hälfte der hessischen Haushalte möglich", sagt LPR-Technikexperte Rabe. Und über Satellit ist flottes Internet praktisch überall verfügbar – freilich zu einem deutlich höheren Preis. Schafft hofft auch aufs Fernsehen, aber auf die "Digitale Dividende": Die durch die Digitalisierung des Fernsehens freigewordenen Kanäle könnten doch genutzt werden, um Internet per Funk zu übertragen. Ein Pilotversuch des hessischen Wirtschaftsministeriums soll demnächst in Hofbieber anlaufen. Zunächst noch als Test: "Wir müssen ja sehen, ob wir da nicht Streifen auf den Fernseher des Nachbarn machen", heißt es aus dem Ministerium.

Doch es gibt eine Lösung: Für Reuß und seinen Landkreis Werra-Meißner ist das Dauerthema Internet praktisch abgeschlossen: "Bis Jahresende bekommen 54 weitere Gemeinden schnelles Internet, dann ist die Abdeckung bei gut 90 Prozent. Mehr geht kaum noch." Die Lösung: Funk. "Das war billiger als erwartet und es funktioniert. Der Anschluss ist weder langsamer noch teurer als in der Stadt."

Doch das sei nur eine gute Übergangslösung, letztendlich müssten überall Glasfaserkabel gelegt werden, sagt Reuß. Auch Bürgermeister Schafft empfiehlt, die durch das Konjunkturprogramm offenen Baugruben zu nutzen und ein "Leerrohr" legen. "Das kostet nur sieben Euro je Meter, und später kann da leicht das Glasfaser durchgeschoben werden." In seinem Büro hat er flottes Internet, doch nur durch einen Trick: "Unser Techniker hat uns zwei Leitungen zusammengeschaltet." (Chris Melzer, dpa) / (pmz)