Gratis-Mail auf dem Rückzug

Viele amerikanische Anbieter bislang kostenloser E-Mail-Adressen machen Teile des Angebots kostenpflichtig; die deutschen Freemailer sind bislang noch vorsichtiger und locken die zahlende Kundschaft mit Zusatz-Diensten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 341 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Ronnie Koch
  • dpa

Als das Internetportal Yahoo in Sunnyvale im US-Bundesstaat Kalifornien Teile seines E-Mail-Angebotes kostenpflichtig machte, reagierten viele User schnell und wechselten zu einem anderen Anbieter. "Warum für etwas bezahlen, wenn das bei anderen kostenlos ist?", sagen sich die User. So wie Yahoo denken derzeit allerdings noch weitere Gratis-E-Mail-Anbieter über die Einführung von Gebühren nach. Manche Experten bezweifeln deshalb, dass es noch lange freie Alternativen geben wird. "Auf Dauer rechnet es sich für die Freemail-Anbieter nicht, alles zu verschenken", sagt etwa Torsten Schwarz vom Verband der Deutschen Internet-Wirtschaft (eco) in Köln. Die E-Mail-Adresse bilde da keine Ausnahme. Die Nutzer von yahoo.com-Adressen traf es als Erste. Sie können ihre E-Mails nicht mehr kostenlos per E-Mail-Programm und POP3/SMTP verschicken beziehungsweise abholen. Gratis ist nur noch das Webmail-Angebot. Wer E-Mails lesen oder schreiben will, muss jetzt also stets online sein.

Auch Hotmail, einer der ersten und größten Anbieter kostenloser E-Mail-Adressen, verringert seinen Service. Im Juli stellte der zu Microsoft in Redmond im US-Bundesstaat Washington gehörende Dienst den kostenlosen "Mail-Abholservice" ein, der es ermöglichte, Post aus mehreren Adressen in einem E-Mail-Konto zu bündeln. Die neue Devise der Anbieter heißt: Wer den alten Service behalten will, soll dafür zahlen: 29,95 US-Dollar Jahr verlangt Yahoo, 19,95 US-Dollar jährlich werden für die Hotmail-Dienste fällig. Andere Freemail-Anbieter wie Redseven in München und Altavista in Palo Alto (Kalifornien) gingen einen anderen Weg: Um Kosten zu senken, stellten sie ihren E-Mail-Service gleich komplett ein.

Die Änderungen bei Yahoo gelten allerdings nicht für E-Mail-Adressen aus der Domain .de. Die meisten deutschen Anbieter sind (noch) zurückhaltender als die Konkurrenz aus Übersee: Derzeit gebe es keine Pläne, den Gratis-Service einzuschränken, sagt zum Beispiel Marion Schanzer, Sprecherin des durch Werbung finanzierten Anbieters GMX in München. Auch Eva Vennemann, Sprecherin von Web.de in Karlsruhe, versichert: "E-Mail bleibt bei uns weiter kostenlos." Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts speedfacts in Frankfurt würden 68 Prozent der Nutzer mit einem Anbieterwechsel reagieren, wenn der kostenlose Mailservice plötzlich Geld kostet. Gerade mal sechs Prozent der Befragten würden nach eigenen Angaben ihrem Anbieter die Treue halten. Der Rest zeigte sich unentschlossen.

Die meisten großen deutschen Freemail-Anbieter gehen deshalb lieber den umgekehrten Weg: Sie versuchen, mit kostenpflichtigen Zusatzfunktionen die Nutzer zu binden und zum Zahlen zu überreden. Hinter Namen wie "Promail", "Club", "Komfort-Paket" oder "Premium" stecken meist Zusatzleistungen wie ein größerer Speicherplatz, Werbefreiheit, Virenschutz oder ein SMS-Benachrichtigungs-Service. Der Bedarf für solche Extras scheint allerdings gering zu sein: Von den mehr als 12 Millionen registrierten GMX-Kunden zahlen nur 70.000. Bei Web.de gehört nicht mal ein Prozent zur zahlenden Kundschaft.

In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts EarsandEyes in Hamburg gaben nur 38 Prozent der Internetnutzer an, dass sie für E-Mail zahlen würden, wenn es keine kostenlose Alternative mehr gäbe. "Wenn selbst unter dieser Prämisse nur so wenige zahlen wollen, ist das vernichtend", meint Timo Woitek von EarsandEyes. Für Torsten Schwarz vom eco ist daher klar, was die Zukunft bringt: "Die Anbieter werden sanften Druck auf den Nutzer ausüben." Kleine Nadelstiche also -- zu klein, um deswegen den Anbieter zu wechseln, aber groß genug, um die Zahlungsbereitschaft zu erhöhen, ähnlich wie jetzt schon in den USA.

Wie rasant der Umstieg von kostenfrei zu kostenpflichtig auch in Deutschland gehen kann, hat das Verschicken von SMS-Kurznachrichten aus dem Internet gezeigt. Während eine SMS aus dem Mobilfunknetz schon immer rund 20 Cent kostete, gab es sie im Netz lange Zeit gratis. Als Anfang dieses Jahres die Mobilfunkanbieter plötzlich ihre Preise für Großabnehmer mehr als verdoppelten, verschwanden fast alle Angebote auf einen Schlag von der Bildfläche. Web.de verlangt nun zum Beispiel bis zu 15 Cent pro SMS. Statt etwa 750.000 Kurznachrichten werden jetzt am Tag weniger als 100.000 über das Portal verschickt. Für Sprecherin Vennemann war der Schritt dennoch notwendig: "Die Wahl hieß abschalten oder kostenpflichtig weitermachen." Zwei Alternativen, vor denen auch einige Gratis-Mail-Anbieter bald stehen dürften. (Ronnie Koch, dpa) / (jk)