Japans Atomaufsicht winkt Einleitung von Tritium-Wasser in Fukushima durch

Elf Jahre nach der Atomkatastrophe wird im AKW der Lagerplatz für belastetes Kühlwasser knapp. Nun gibt es kein Halten mehr: Bald darf es ins Meer.

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(Bild: G. Tudor / IAEA)

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Von
  • Martin Kölling

Japans Atomaufsicht hat den Plan der Betreibergesellschaft Tepco grundsätzlich angenommen, 1,25 Millionen Tonnen behandeltes tritiumhaltiges Kühlwasser des zerstörten Atomkraftwerks Fukushima Daiichi verdünnt in den Pazifik abzulassen. Nach einer öffentlichen Anhörungsperiode soll dann die endgültige Genehmigung erfolgen.

Das belastete Wasser ist eines der akutesten Probleme in dem AKW, das 2011 nach einem Megabeben von einem Tsunami zerstört worden war. Denn auf dem Gelände gibt es bald keinen Platz mehr für die mehr als 1.000 Tanks, in denen das belastete Wasser seit Jahren lagert. Denn täglich kommen rund 130 Tonnen frisches Kühl- und Grundwasser dazu, das mit den durchgeschmolzenen Atombrennstoffen in drei Reaktoren in Kontakt gekommen ist.

Das Problem: Das hochstrahlende Wasser wird aufgefangen und durch eine Reinigungsanlage von 62 Isotopen befreit. Kohlenstoff-14 und vor allem Tritium lassen sich jedoch nicht herausfiltern. Tritium ist ein radioaktives Isotop, das zusätzlich zu dem einen Proton, das den Wasserstoff charakterisiert, noch zwei Neutronen im Kern hat. Diese zwei Neutronen verleihen dem Tritium sein hohes Gewicht und geben ihm den Beinamen "superschwerer" Wasserstoff. Tritium ist zwar nicht hochgradig radiotoxisch, kann jedoch im Körper gespeichert werden.

Die Lösungen für Tepcos Problem sind seit Jahren bekannt: Verdampfen des Abwassers oder Ablassen. Experten der Internationalen Atomenergie-Agentur (IAEA) und japanische Fachleute empfahlen die Einleitung ins Meer als einfachere und bewährte Lösung. Dieses Verfahren wurde weltweit schon in anderen Atomkraftwerken angewendet, wenn auch nicht in diesem enormen Umfang.

Doch der Tokioter Stromversorger Tepco und Japans Regierung haben die Entscheidung lange vor sich hergeschoben. Denn die empfohlene Variante stieß nicht nur daheim auf Widerstand. Sie verschärfte außenpolitisch auch einen Konflikt mit dem Nachbarn Korea. Die frühere linke Regierung Koreas sowie dortige Bürgergruppen protestierten gegen den Plan, weil sie durch die ferne Einleitung auch eine Verseuchung koreanischer Fischgründe befürchten.

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Noch elf Jahre nach der dreifachen Kernschmelze im havarierten AKW wollen einer Umfrage der japanischen Agentur für Wiederaufbau zufolge 77 Prozent der teilnehmenden Koreaner keine Produkte aus Fukushima kaufen. Das ist mit Abstand der höchste Wert in Asien.

In Japan und auch unter koreanischen Atomexperten wird die Sorge vor Verstrahlung als unbegründet angesehen. Denn Tepcos Plan sieht vor, das Wasser hochverdünnt und langsam über 30 bis 40 Jahre in den Ozean einzuleiten. Zudem soll das Wasser über einen noch zu bauenden Tunnel rund einen Kilometer von der Küste in tieferen Regionen ins Meer geleitet werden.

Tepco will so sicherstellen, dass die Strahlenwerte des Abwassers während der Einleitung nur einen Bruchteil der japanischen Grenzwerte für Trinkwasser betragen. In den Augen der IAEA erfüllen die Japaner damit auch die internationalen Anforderungen. Dies erklärte IAEA-Geschäftsführer Rafael Mariano Grossi Ende April.

"Japan hat bei seinen Vorbereitungen erhebliche Fortschritte gemacht", sagte Grossi zur Vorstellung der offiziellen Vorstellung eines Berichts eines Expertenteams. "Die Task Force ist davon überzeugt, dass TEPCO und METI die geeigneten nächsten Schritte für die für 2023 geplante Wassereinleitung identifiziert haben", sagte er.

Die IAEA will die weiteren Arbeiten verfolgen. Noch hat Tepco auch viel zu tun. Nach der öffentlichen Anhörung muss der Konzern von der zuständigen Gemeinde eine Baugenehmigung für den Tunnel erhalten. Außerdem will der Stromproduzent die Anwohner und vor allem die skeptischen Fischer von dem Plan überzeugen, die Verkaufseinbussen befürchten. Laut der zitierten Umfrage ist die Sorge aber unbegründet. Ohne die Einleitung des Wassers wollen 13 Prozent der Japaner keine Meeresfrüchte aus Fukushima kaufen, mit der Einleitung 14 Prozent.

(jle)