MazaCoin: Wo die digitale Währung für Indigene nach zehn Jahren steht

MazaCoin sollte es auf Indianerreservationen erlauben, ein eigenes Wirtschaftssystem aufzubauen. Noch ist der Versuch nicht gescheitert.

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(Bild: Shawn Hazen)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Tate Ryan-Mosley
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Payu Harris wollte die Kryptowährung eigentlich nur für seine Großmutter schaffen. Für alle Omas, hatte er gesagt – oder "Uncis" in Lakota. Und insbesondere war der MazaCoin für die verarmten alten Frauen gedacht, die am Rande der Pine Ridge Indian Reservation in South Dakota leben und kaum Zugang zu Strom oder Internet haben. Er meinte dann auch noch, dass MazaCoin erst dann als Erfolg bezeichnet werden könnte, wenn die Omas es jeden Tag benutzen würde. Auch wenn das immer noch nicht geklappt: Zehn Jahre nach der Einführung ist Harris' Traum klarer denn je, wenn auch komplexer, als er sich das vorgestellt hatte – und MazaCoin hatte viele Höhen und Tiefen.

Harris arbeitete in einem Einkaufszentrum in der Nähe von Pine Ridge, als er zum ersten Mal von einem Freund von Bitcoin erfuhr. Tagsüber ließ er also seinen Laptop laufen, um Münzen zu schürfen – und schaute in den Rauchpausen nach, was sich so tat. Seine Geschichte ist wie die vieler anderer Krypto-Fanatiker: Harris investierte immer mehr in den Bitcoin-Hype, lernte zu programmieren und las an seinen freien Tagen "White Papers", also Hintergrundpapiere zu neuen Coins und ihrer Technik. Schließlich entwickelte er zusammen mit einem Programmierer, der nur unter dem Pseudonym "AnonymousPirate" bekannt ist, eine eigene digitale Währung für die Oglala Sioux, einen Unterstamm der Lakota-Nation, die damals noch "Oyate Initiative" hieß. Sein Ziel war es, seinem Reservat ein unabhängigeres Wirtschaftsystem zu verschaffen.

In einem Forbes-Artikel aus dem Jahr 2013 bezeichnete Harris das Projekt als "Rache der Nerds". Ureinwohnergruppen wie die Lakota, die vor über 100 Jahren beim Massaker von Wounded Knee fast vernichtet wurden, haben seit den Anfängen des Indianerreservatsystems über die Schaffung einer indigenen Währung nachgedacht. Obwohl sich die Bewegung nie wirklich durchsetzen konnte, ging man davon aus, dass eine souveräne Währung mehr Unabhängigkeit vom amerikanischen Regierungssystem und mehr Kontrolle über die wirtschaftliche Entwicklung bieten könnte.

MazaCoin schien zunächst wie eines der "goldenen Kinder" der Kryptowährungswelt zu sein. Harris beschreibt die ersten Monate nach dem Start im Jahr 2014 als eine Art Pressetour in der Sonne: Während er die Eröffnungsglocke im New Yorker "Bitcoin Center" läutete und an einem Treffen in den Facebook-Büros teilnahm, stieg MazaCoin auf eine Marktkapitalisierung von immerhin 6,8 Millionen Dollar. Doch die Währung fiel fast so schnell, wie sie gestiegen war, was Harris auf kontroverse Berichterstattung zurückführt, in der behauptet wurde, die Lakota-Anführer hätten nichts von dem Projekt gewusst.

Von Anfang an legte Harris 10 Millionen Münzen als Reserve für einen Lakota-Entwicklungsfonds beiseite. Abgesehen von dieser Reserve unterscheidet sich MazaCoin in technischer Hinsicht kaum von Bitcoin, was es schwierig macht, ihn als attraktiven "Altcoin" zu vermarkten. Aber Harris ist nicht darauf aus, ein riesiges Spektrum von Investoren zu umwerben. Er sagt, dass er nicht einmal die zu Beginn sprunghaft gestiegene Bewertung benötigte; er wollte lediglich ein System aufbauen, das den Ureinwohnern einen Mehrwert bietet – angefangen bei den Lakota von Pine Ridge und von dort aus auf andere Stämme und Reservate ausgedehnt.

Die Herausforderungen, vor denen MazaCoin heute steht, unterscheiden sich entsprechend stark von denen, mit denen die Kryptowährung vor ein paar Jahren konfrontiert war. Harris und sein Team erkannten, dass der Stammesrat die Möglichkeit haben musste, die Geldpolitik zu bestimmen, um eine nationale Währung einzuführen. "Ich habe das Ganze unter dem Aspekt der Souveränität betrachtet", sagt er. "Mit einer eigenen Währungsstruktur und einer dynamischen, umfassenden Geldpolitik können wir unsere Wirtschaft aufbauen, unsere Märkte entwickeln und uns für die Zukunft rüsten – so können wir uns von der staatlichen Finanzierung lösen. Punkt."

Derzeit verwenden die indigenen Nationen den US-Dollar, was sie von der Politik der Notenbank Federal Reserve, vom US-Finanzministerium und vom US-Kongress abhängig macht. Aber als eigene indigene Nationen haben die Stämme gewisse Freiheiten gegenüber den Gesetzen, was bedeutet, dass neue regulatorische Maßnahmen, die auf Kryptowährungen abzielen, MazaCoin nicht betreffen würden. Harris hofft, dass diese positiv wirksame Isolierung vom Rest der Finanzwelt MazaCoin in naher Zukunft attraktiver machen könnte, da der Appetit der Bundesbehörden auf eine Regulierung von Kryptowährungen erwacht.

In der Zwischenzeit hat Harris auch andere Verwendungsmöglichkeiten für seine Technologie gefunden. Er arbeitet an einer Tokenisierung von Bodenschätzen, die sich im Besitz des Stammes befinden, wie z. B. nicht abgebautes Gold in den Black Hills oder Kohlereserven, die verwertet werden könnten. Harris speichert auch Stammesverträge, Dokumente und historische Vermögenswerte auf der Blockchain, um ein indigenes Speichersystem zu schaffen. Für ihn geht es darum, neue Wege zu finden, um die Souveränität der Stämme zu behaupten und Geld zurück in das Reservat zu pumpen.

Doch MazaCoin versucht immer noch, wichtige Grundlagen zu klären – um die Zustimmung der Stammesmitglieder zu werben und seinen Wert zu steigern. Harris appellierte denn auch an den neuen Interimspräsidenten des Stammes, ein offizielles Büro für Kryptowährungen einzurichten. Nach der Aufhebung der COVID-19-Beschränkungen plant er eine Roadshow, um MazaCoin im gesamten Stamm vorzustellen und die Menschen über die Grundlagen der Kryptowährung, wie die Einrichtung einer Wallet, aufzuklären.

Harris sagt, dass er in letzter Zeit einen Anstieg des Interesses an Kryptowährungen und digitalen Vermögenswerten wie NFTs bemerkt hat, aber der Preis stieg bei MazaCoin nicht auf die gleiche Weise. "Die Leute fragen mich, wohin ich MazaCoin gehen sehen möchte. Das liegt nicht wirklich an mir", sagt er. "Es liegt an den Stämmen."

(jle)