COVID-19: Nasensprays senken Viruslast und beschleunigen Gesundung ​

Sprühbare Wirkstoffe können die Virusvermehrung in den Schleimhäuten hemmen und damit die Krankheitsdauer sowie Ansteckungsgefahr für andere deutlich senken.​

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(Bild: Corona Borealis Studio/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler
Inhaltsverzeichnis

Die Schleimhäute in Nase und Rachen sind die Haupteinfallstore für das Coronavirus. Sie enthalten besonders viele ACE2-Rezeptoren, die das Virus als Andockstelle benutzt. Zudem braucht das Immunsystem länger, bis es Antikörper in die Schleimhäute schleusen kann. Lässt sich aber die Viruslast, also die Anzahl der Erreger, in den Schleimhäuten schon frühzeitig in der Infektion niedrig halten, hat das zwei große Vorteile: Die Viren können sich weniger im Körper ausbreiten, die Erkrankung verläuft oft weniger schwer und Infizierte verteilen auch deutlich weniger Viren. Das wiederum kann die Ansteckungsgefahr und Erkrankungsschwere der Kontakte verringern.

Deshalb sollen sprühbare Wirkstoffe die Nasen-Rachen-Schleimhaut schützen und SARS-Cov-2 am Andocken und Vermehren hindern. Zu den getesteten Mitteln gehört zum Beispiel die virenhemmende Iota-Carragelose aus Rotalgen. Nun hat auch ein antiviral wirkendes Kombi-Spray aus Povidon-Jod und Ammonium-Glycyrrhizinat in einer randomisierten, placebo-kontrollierten Studie mit 200 Probanden gute Ergebnisse gezeigt.

Sprühten PCR-positive Probanden die Kombination ab ihrer Diagnose sechsmal pro Tag in ihre Nase und Rachen, erholten sie sich statistisch signifikant schneller als die Probanden der Placebo-Gruppe. Ihre allgemeinen Symptome schwanden nach 7,6 gegenüber 8,9 Tagen, während ihr Geruchs- und Geschmacksempfinden schon nach 5,6 gegenüber 11 Tagen wiederkehrte. Das schreiben ägyptische Forscher um Hazem Elsersy von der Menoufia University im Fachjournal "Frontiers in Medicine".

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Parallel dazu sank die per PCR bestimmte Positivrate in der Behandlungsgruppe insgesamt sehr schnell und weitaus zügiger als die in der Placebo-Gruppe. Während sie am vierten Folgetag nur noch 70 Prozent gegenüber 99 Prozent betrug, sank sie zum siebten Tag bereits auf 20 Prozent (versus 65 Prozent) und betrug am zehnten Tag nur noch ein Prozent (versus zehn Prozent).

Gleichzeitig steckten sich in der Behandlungsgruppe nur vier Prozent der Haushaltsangehörigen an, die das Spray ebenfalls erhalten hatten. In der Placebo-Gruppe infizierten sich dagegen 76 Prozent der Angehörigen. Allerdings wurden sie nur getestet, wenn sie Symptome zeigten.

Beide Spray-Bestandteile hatten zuvor in Labortests eine antivirale Wirkung gegen SARS-Cov-2 gezeigt. Povidon-Jod ist ein wasserlösliches Desinfektionsmittel, das den Autoren zufolge in der verwendeten 0,5-prozentigen Dosierung sicher verwendbar ist. Das aus der Süßholzwurzel stammende Glycyrrhizinsäure-Derivat hat zwei weitere Vorteile. Es lindert die zuweilen irritative Wirkung der Jodlösung und unterbindet infektionsbedingte Entzündungen über verschiedene Mechanismen. Unter anderem hemmt es die Bildung von reaktiven Sauerstoffradikalen und entzündungsfördernden Immunbotenstoffen (Interleukine).

Corona-Infektionen schon beim Auftreten erster Symptome auf den Schleimhäuten mit antiseptischen Mitteln wie Jod zu bekämpfen, ergebe durchaus Sinn, sagt Peter Meiser, Leiter von Ursapharms medizinisch-wissenschaftlicher Abteilung Allgemeinmedizin. Die Wirkung von Antiseptika sei allerdings relativ unspezifisch. Der Saarbrücker Arzneimittelhersteller will gezielter die Viruslast von SARS-Cov-2 senken und testet dafür ein Azelastin-haltiges Nasenspray in klinischen Studien.

Der Vorteil dieses Ansatzes ist, dass derartige Nasensprays bereits als Antiallergika wie Pollival (Ursapharm) oder Allergodil (MEDA Pharma) seit Jahren im Markt verfügbar sind. Die Idee entstand bei der Auswertung von Patientenakten in den USA, die auch die Medikamente der Infizierten mitberücksichtigte und verringerte Positivtestungen nach Anwendung von Azelastin dokumentierte.

Vorläufigen Ergebnissen einer doppelt-verblindeten Phase-2-Studie namens CARVIN zufolge, die den Peer-Review-Prozess noch nicht durchlaufen haben, könnte die Viruslast durch Azelastin schneller sinken als nach einer Placebo-Gabe. 90 Probanden wurden in drei Gruppen eingeteilt und erhielten den Wirkstoff in einer höheren Dosis oder einer niedrigeren Dosis, oder bekamen ein Placebo-Nasenspray. Zudem wurden in den beiden Wirkstoffgruppen sechs sowie acht Probanden vor dem Ende der elftägigen Testphase negativ getestet, was in der Placebo-Gruppe nicht vorkam.

Die als Preprint veröffentlichten Ergebnisse zeigen bisher keine statistische Signifikanz, der Effekt ist also noch nicht eindeutig belegt. "Wenn man sich allerdings die Viruslast über die gesamte Behandlungsphase in der Endauswertung anschaut, so sieht man unter 0,1-prozentigem Azelastin eine statistische Signifikanz gegenüber der Placebo-Therapie", sagt Meiser. Sobald die finalen Ergebnisse der Endauswertung zur Veröffentlichung eingereicht sind, will Ursapharm dieses Preprint veröffentlichen.

"Letztlich ist es ein Kritikpunkt, dass wir nur 30 Patienten pro Gruppe hatten", sagt Meiser. Die nächste, voraussichtlich im Herbst startende Phase-3-Studie werde mehrere hundert Probanden umfassen. Darin wird es über die Viruslast hinaus vorrangig um die klinische Symptomatik gehen, sagt Meiser. Also darum, ob und wie stark das Azelastin-haltige Nasenspray bei den aktuelleren Varianten Symptome und Krankenhausaufenthalte verhindern kann. Zum Zeitpunkt der Phase-2-Studie war noch die Alpha-Variante vorherrschend.

Azelastins mögliche Wirksamkeit fußt wahrscheinlich auf mehreren Mechanismen, die nicht allein "das Spike-Protein adressieren, wie viele der derzeitigen Ansätze inklusive der Impfungen", sagt Meiser. Zum einen erschwere Azelastin dem SARS-Cov-2-Virus das Eindringen in die Zellen, indem es sozusagen die Klinke an der Zelltür deformiert: Es verändert die räumliche Anordnung (Konformation) des ACE2-Rezeptors, den das Virus zum Andocken braucht.

Zweitens blockiert Azelastin auch die Sigma-1-Rezeptoren, die das Virus für seine Vermehrung braucht. Und drittens hemme der Wirkstoff auch das Hauptprotease genannte Virusenzym, mit dem der Erreger sonst neue Viruspartikel zusammenbaut. Ob das Nasenspray auch präventiv wirken könnte, wurde laut Meiser noch nicht untersucht.

(vsz)