Turris Omnia: Router-Spin-Off überraschend auf Eis gelegt

Der von der tschechischen Registry entwickelte Router sollte ab diesem Jahr als Start-up an den Start gehen. Aber cz.nic stoppte die Ausgliederung unerwartet.

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Von
  • Monika Ermert

Die Gründung eines Start-ups zur besseren Vermarktung des Routers Turris Omnia ist geplatzt. Schon seit einiger Zeit vorbereitet, bekamen das Management der tschechischen Registry cz.nic und der Vorstand offenbar kalte Füße und legten den laufenden Prozess auf Eis. Für Turris-Nutzer ändere sich erst einmal nichts, versichert Ondrej Filip, CEO der cz.nic.

Der in Tschechien entwickelte und gebaute Router Turris Omnia gehört zu den Erfolgsgeschichten der cz.nic-Labs. Er wartet etwa mit einer adaptiven verteilten Firewall auf, eignet sich für Aufrüstungen über mini-PCIe-Slots und kann dank 2 GByte RAM und 1,6-GHz-Doppelkern-CPU von ARM auch virtuelle Maschinen ausführen. Insgesamt erscheint er vielseitig.

Das Router-Projekt Turris, ursprünglich für die bessere Absicherung von Heimnetzen gestartet, wollten die Verantwortlichen bei der cz.nic schon eine Weile lang aus dem kleinen Forschungslabor in die Welt entlassen und dafür auf eigene Beine stellen. Noch Mitte Mai versicherte der CEO Ondrej Filip am Rande des Treffens der IP-Adressverwalter, der Spin-Off sei sinnvoll, damit sich Turris künftig am Markt etablieren könne.

Aber schon Ende Mai beklagte Frantisek Borsik unter vorgehaltener Hand, Mitglied im Spin-Off Team, dass die cz.nic-Führung der Ausgründung offenbar den Stecker gezogen habe. Borsik war rund ein Jahr zuvor fürs Marketing des geplanten Turris-Start-ups angeheuert worden. Für ihn und den schon vorher als prospektiven CEO angeheuerten Petr Palan war die Entscheidung des cz.nic-Managements offenbar überraschend gekommen.

Die Spin-Off Macher waren laut Borsik Ende Mai auf der Suche nach neuen Turris-Abnehmern auf dem Wifi World Congress in Mexiko. Dort habe man unter anderem aussichtsreiche Gespräche mit dem CTO von Juniper geführt. Vor allem war man auf der Jagd nach Netzbetreibern, die den neuen Turris Omnia in ihr Angebot aufnehmen würden.

Im Gespräch mit c't versicherte Ondrej Filip, der Spin-Off sei nicht komplett vom Tisch. „Es gibt noch keine endgültige Entscheidung. Alle Optionen sind noch auf dem Tisch und das Projekt geht ganz normal weiter“.

Als Hauptgrund für das „Aussetzen“ der Ausgliederung nennt er die aktuell schwierige Marktsituation. Vorlaufzeiten für Komponenten seien derzeit deutlich länger. Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine mache die Situation auch nicht besser. Man wolle daher einfach eine Weile abwarten.

Auch seien die letzten Vertriebszahlen der Spin-Off-Mannschaft hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Man habe sich daher zu diesem Schritt und zu einigen Entlassungen entschlossen. "Die alte cz-nic-interne Hauptmannschaft ist aber weiterhin an Bord. Alles bleibt also beim Alten", so Filip.

Palan, der das Projekt im Juli aus freien Stücken verlassen hat, bewertet die Vertriebszahlen positiv. Im laufenden Jahr hätte man im schlechtesten Fall drei mal mehr Turris-Router verkauft als vor dem Start des Start-up-Teams. „Das Ziel war natürlich sechs bis zehn Mal so viel zu verkaufen“, sagt Palan. Man sei aber auf einem sehr guten Weg gewesen. Das vorläufige oder womöglich endgültige Aus für die Ausgliederung bedauerte Palan und wünschte dem harten Kern der Herstellermannschaft alles Gute. In der aktuellen Konstellation weiterzumachen habe aber wenig Sinn ergeben, erklärte Palan auf Nachfrage, auch weil die Ablösung schon im vergangenen Jahr immer wieder hinausgeschoben worden sei.

„Ich hatte den Eindruck, ich kann das Team, die Partner und die von uns angesprochenen potenziellen Kunden – übrigens auch mich selbst – nicht weiter hinhalten, ohne dass alle die Lust verlieren“, so Palan.

Wie es nun mit neuen Turris-Modellen und dem kommenden TurrisOS 6.0 weitergeht, ob der Router als Forschungsprojekt bei cz.nic verbleibt oder am Ende doch noch ausgegründet oder verkauft wird, muss man wohl abwarten.

Die Forschungsabteilung der tschechischen Registry für .cz-Domains hat sich mit mehreren interessanten Projekten in den vergangenen Jahren einen Namen gemacht. Dazu gehört der DNS-Server und -Resolver Knot sowie der Routing-Daemon BIRD. Mit MojeID will die Forschungsabteilung auch im Geschäft zur einheitlichen Benutzeridentifizierung mitmischen. Alle Projekte sind quelloffen und mit diesem Markenzeichen hat die nicht-kommerziell aufgestellte Registry international viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen.

(dz)