Zahlen, bitte! 24 und das Kusszahlenproblem

Die 24 teilt den Tag ein und ist der Standard für die Bildwiederholfrequenz im Fernsehen. Was viele nicht wissen: Sie ist auch die Kusszahl der 4. Dimension.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Anna Eichler

Um die 24 ranken sich viele spirituelle und religiöse Mythen, aber auch beim Küssen spielt sie eine wichtige Rolle. Anders als im "Zahlen, bitte!" über das Küssen geht es hier nicht um die Anzahl der Muskeln, die beim Küssen benutzt werden, sondern um eine geometrische Fragestellung, über die sich bereits Newton mit seinen Kollegen gestritten hat.

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Kusszahlen beschreiben in einer n-ten Dimension die Anzahl der Einheitskugeln, also Kugeln mit dem gleichen Radius, die eine andere Einheitskugel berühren können, ohne sich zu überlagern. Anders, aber einfacher ausgedrückt: Wie viele gleich große Kugeln können sich um eine Kugel der gleichen Größe legen? Auch wenn uns die Dimensionen oberhalb der Dritten verschlossen bleiben, gibt es Möglichkeiten, den Raum mathematisch zu betrachten und diverse Berechnungen durchzuführen.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Viele Mathematiker beschäftigen sich mit dem Kusszahlenproblem, da die Frage nach den dichtesten Kugelgittern eine Schlüsselfunktion in der Erstellung von Fehlerkorrekturcodes ist. Diese Codes werden verwendet, um Störungen beim Übertragen von Daten auszugleichen. Sendet man beispielsweise eine Nachricht über einen Kanal, muss die Nachricht kodiert und nach der Ankunft beim Empfänger wieder dekodiert werden. Hat der Kanal allerdings eine Störung, muss die Nachricht mithilfe von Fehlerkorrekturcodes wiederhergestellt werden. Allerdings benötigen Signale einen gewissen Mindestabstand, um nach einem Fehler rekonstruiert werden zu können. Der perfekte Abstand leitet sich aus der maximalen Dichte einer Kugelpackung ab.

In der ersten Dimension sind es zwei Einheitskugeln. In der Zweidimensionalität sprechen wir bei n=2 von sechs Kreisen. Für den dreidimensionalen Raum vermutete Newton schon früh, dass es sich um 12 handelt, weshalb diese gerne Newton-Zahl genannt wird. Newton selbst konnte seine Theorie nie mathematisch nachweisen, sorgte aber schon damals für Aufruhr. Er stritt sich mit seinem Mathematikerkollegen David Gregory: Dieser war der festen Meinung, dass es sich um 13 Kugeln handeln müsse, da einem beim Nachbau des Modells auffällt, wie viel zusätzlicher Platz zwischen den Kugeln sei. Erst im 19. Jahrhundert fanden die Mathematiker Bender (1874), Hoppe (1874), und Günther (1875) erste Beweise für Newtons Theorie.

Die dritte Kusszahl ist 12.

(Bild: S.Wetzel, Lizenz CC BY-SA 4.0)

Es scheint recht einfach zu sein, gleich große Kreise auszuschneiden und nebeneinanderzulegen oder das Modell für die dritte Dimension aus Styropor-Kugeln nachzubauen. Einen präzisen Beweis zu finden, stellt die Mathematiker allerdings auch heute noch auf eine Geduldsprobe, weshalb dies schnell als Kusszahlenproblem bekannt wurde.

Erst viele Jahre später, näher an der Mondlandung, als an Newtons Entdeckungen, wurde bewiesen, dass die Kusszahl der vierten Dimension die 24 ist. Die meisten Mathematiker staunten nicht schlecht, als der Russe Oleg Musin 2003 verkündete, mithilfe eines bereits 1979 bekannten Modells nach Delsarte den Beweis liefern zu können.

Auch heute noch gibt es keine allgemein gültige Formel zur Berechnung von Kusszahlen. Während wir die Zahlen für die ersten vier, die achte und für die 24. Dimension kennen, sind für die Dimensionen dazwischen nur Spannweiten bekannt. Man weiß beispielsweise, dass die Kusszahl der 23. Dimension zwischen 93.150 und 124.416 liegen muss. Umso mehr erstaunt es, dass die Zahl 196.560 präzise als Kusszahl für die 24. Dimension bestimmt ist.

Grund dafür ist eine Entdeckung im Jahr 1967 des Mathematikers John Leech. Er konstruierte für die 24. Dimension das sogenannte Leech-Gitter. Wenn man auf jeden der 196.560 Punkte im Leech-Gitter eine Kugel platziert, bleibt kein Raum übrig. Doch bissen sich viele, wie damals bei Newtons Theorie, die Zähne aus, um den mathematischen Beweis zu finden.

Erst 2016 konnte die Mathematikerin Maryna Viazovska mithilfe der Mathematiker Cohn, Kumar, Miller, Radchenko den Beweis liefern. Einige Wochen zuvor veröffentlichte Viazovska eine 23 Seiten lange Arbeit, die bewies, dass das bereits bekannte E8-Gitter die dichteste Kugelpackung im achtdimensionalen Raum ist. Kurz darauf folgte die 17 Seiten lange Arbeit mit ihren Kollegen, bei der sie mit ähnlichen Methoden beweisen konnte, dass das Leech-Gitter die dichteste Kugelpackung für den 24-dimensionalen Raum ist. Was die beiden Dimensionen so besonders macht, ist die symmetrische Anordnung der Kugeln auf den beiden Gittern.

Damit konnte sie gleich zwei der bisherigen Annahmen zu Kusszahlen beweisen. Dieses Jahr bekam Viazovska dafür die Fields-Medaille, die als eine der höchsten Auszeichnungen des Fachs gilt und alle vier Jahre an Forscher unter 40 vergeben wird. Viele Mathematiker reagierten begeistert auf Viazovskas Beweis. Die Mathematikerin Sylvia Serfaty sagte in einem Interview mit dem Fachmagazin Quanta Magazine: "Ich bin sehr beeindruckt. Es ist auf dem Niveau der großen mathematischen Durchbrüche des 19. Jahrhunderts." Allerdings kann man Viazovskas Lösungsansätze nicht auf andere Dimensionen übertragen, daher bleiben die anderen Kusszahlen vorerst ein Rätsel.

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(jk)