Energiekrise: RWE will auf Gasumlage verzichten

RWE-Chef Markus Krebber gab zur Halbjahrespressekonferenz einen umfassenden Überblick über die Energielage. Erstes LNG soll im Winter nach Brunsbüttel kommen.

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LNG-Tanker. RWE will in nächster Zeit seine Importkapazitäten für Flüssiggas ausbauen.

(Bild: RWE)

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Der Energiekonzern RWE will die zum 1. Oktober geplante Gasumlage wohl nicht beanspruchen. RWE sei ein "finanzstarkes und robustes Unternehmen", sagte CEO Markus Krebber zur Vorlage der Bilanz seines Unternehmens für das erste Halbjahr 2022. Von Januar bis Juni hat RWE einen Nettogewinn von 1,56 Milliarden Euro erzielt.

"Wir erwägen daher, bis auf Weiteres darauf zu verzichten, unsere Verluste aus der Gasersatzbeschaffung für diese Umlage geltend zu machen. Wir würden diese dann, genauso wie die Verluste von 750 Millionen Euro infolge der Sanktionierung russischer Kohlelieferungen, selbst tragen."

Krebber räumte dabei ein, sein Unternehmen sei von den russischen Gaskürzungen weniger betroffen. "Zwar erhalten wir ebenfalls geringere Liefermengen. Wir beziehen aber vergleichsweise wenig Gas aus Russland." Für andere Unternehmen sei die Lage deutlich schwieriger. Durch die trotz vertraglicher Vereinbarung von Russland gedrosselten Gaslieferungen hätten sich die Ausfälle bis Juli auf 20 Milliarden Kubikmeter summiert.

Zu Jahresbeginn hätten sich die Füllstände der Gasspeicher in Deutschland auf historisch niedrigem Niveau befunden, erklärte Krebber. "Aktuell stehen sie bei über 70 Prozent wieder auf einem saisonal durchschnittlichen Niveau." Bis Anfang September wolle die Bundesregierung einen Füllstand von 75 Prozent erreicht haben, zum 1. Oktober soll der Wert auf 85 Prozent, zum 1. November auf 95 Prozent steigen. "Die RWE-Speicher sind derzeit zu 85 Prozent gefüllt und wir gehen davon aus, die gesetzlichen Mindestfüllstände selbstständig zu erreichen", sagte Krebber.

Um vom russischen Gas künftig nicht mehr abhängig zu sein, baue Europa zusätzliche Kapazitäten für den Import von Flüssiggas (LNG). Bereits existierende LNG-Terminals würden erweitert, in Deutschland, den Niederlanden und in Italien sollen mit schwimmenden Terminals kurzfristig zusätzliche Importkapazitäten entstehen. RWE selbst hat laut Krebber zwei Spezialschiffe gechartert. "Mit ihnen können jährlich zwischen 10 und 14 Milliarden Kubikmeter Gas verfügbar gemacht werden." Das Unternehmen kümmere sich in Brunsbüttel darum, ein solches Schiff landseitig anzuschließen. Im kommenden Winter soll das erste Gas ins deutsche Gasnetz einspeist werden.

In Brunsbüttel beteilige sich RWE auch am Bau eines landseitigen LNG-Terminals. Die Planungen seien weit fortgeschritten, in Kürze sollen zusammen mit der KfW und Gasunie Investitionsentscheidungen fallen. In direkter Nähe werden wir auch ein Importterminal für grünes Ammoniak errichten. Ab 2026 soll grünes Ammoniak in Deutschland ankommen und an Kunden weiterverteilt werden. RWE könne auch in der Ostsee aktiv werden. Dort spreche das Unternehmen zusammen mit Stena Power & LNG Solutions mit der Bundesregierung über den Plan, ein schwimmendes LNG-Terminal vor Lubmin zu errichten.

In den ersten sechs Monaten dieses Jahres hat RWE nach eigenen Angaben viermal mehr LNG nach Europa verschifft als im ersten Halbjahr 2021. Der Konzern habe neue zusätzliche langfristige Lieferverträge für Flüssiggas mit Sempra Infrastructure mit einer Laufzeit von 15 Jahren über ein Volumen von rund 3 Milliarden Kubikmetern pro Jahr abgeschlossen.

Krebber kam auch auf die Lage in Frankreich zu sprechen, wo inzwischen etwa die Hälfte der Atomkraftwerke keinen Strom produziert. In den vergangenen Jahren habe das Land kontinuierlich 50 TWh Strom exportiert, dieses Jahr sei Frankreich erstmals auf Stromimporte angewiesen. Der Strom könne überwiegend nur durch Gaskraftwerke bereitgestellt werden und komme vor allem aus Deutschland, Spanien, Benelux und Großbritannien.

"Dürre und niedrige Wasserstände führen gleichzeitig zu einer geringeren Wasserkraftproduktion im Süden Europas", erläuterte Krebber weitet. Wegen niedriger Wasserkraft-Reservoirs in Frankreich, Italien und Spanien werde dort auch in den kommenden Monaten eine unterdurchschnittliche Stromproduktion erwartet. Auch in Skandinavien sei die Wasserkraftproduktion aktuell durch niedrige Füllstände beeinträchtigt.

In Deutschland laufe die Rückkehr in die Kohleverstromung langsamer als erwartet. "Die Beschaffung und der Transport von Steinkohle sind herausfordernd. Auf den Flüssen bestehen Transportprobleme wegen niedriger Pegelstände", sagte Krebber. Die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes meldete für den heutigen Freitag, die Wasserstände an Mittel- und Niederrhein seien für diese Jahreszeit außergewöhnlich niedrig. In den nächsten Tagen könnten sie weiter fallen. Der Schiffahrtbetrieb könne zwar weiter laufen, allerdings mit weniger Beladung. Auch für das Schienensystem ist der vermehrte Kohletransport eine Herausforderung.

Den momentan laufenden Stresstest zur Versorgungssicherheit und der Netzstabilität hält Krebber vor diesem Hintergrund für notwendig. Die Kohlekraftwerke habe die Bundesregierung für die Versorgungssicherheit bereits abgerufen. RWE selbst werde ab Oktober drei Braunkohlekraftwerke befristet zurück ans Netz bringen. "Das wird aber nicht zu einer Renaissance fossiler Energien führen", betonte Krebber. "Für RWE gilt klipp und klar: Wir stehen zum Kohleausstieg. Er ist richtig und er wird kommen." RWE wolle dazu mit seinen Investitionen in Erneuerbare, Speicher, flexible Backup-Kraftwerke und die Wasserstoffwirtschaft beitragen.

(anw)