Zahlen, bitte! 0,7 - Licht für die NASA und für Stanley Kubrick

Die Planar-Objektivreihe 0,7/50 mm und 0,7/35 mm zählt immer noch zur lichtstärksten der Welt. Sie bot viele Einsatzgebiete, nicht nur die Mondfotografie.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Tilo Gockel
Inhaltsverzeichnis

Die krumme Zahl 0,7 steht für die Lichtstärke der legendären Planar-Objektivreihe 0,7/50 mm und 0,7/35 mm, die die Firma Zeiss in den 60er-Jahren für die NASA gebaut hat. Diese Objektive zählen noch immer zu den lichtstärksten der Welt. Zehn Stück wurden damals gefertigt , wovon sieben an die NASA gingen und drei an den Regisseur Stanley Kubrick. Das Planar wurde damals speziell für die Apollo-Mondlandung entwickelt, taugte aber natürlich auch für andere fotografische Sujets.

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Die NASA benötigte ein extrem lichtstarkes Objektiv, um die dunkle, sonnenabgewandte Seite des Mondes zu fotografieren. Die Lichtstärke war notwendig, um auch bei geringstem Umgebungslicht noch Details aufnehmen zu können. Dazu wurden die Planar 50 mm f/0.7 auf Hasselblad-Kameras montiert. Geld spielte bei der NASA damals keine Rolle.

Kubrick nutzte es im Jahr 1975 für seinen Kostümfilm "Barry Lyndon", in dem eine weiträumige Szene unter Kerzenlicht vorkam. Dazu rüstete eine Spezialfirma die Kubrick-Objektive um, damit sie zu den Filmkameras Mitchell BNC 35mm kompatibel waren. Dank der weit offenen Blende konnte er die besondere Rokoko-Stimmung ganz ohne zusätzliche Leuchten einfangen.

Eines der Zeiss Planar 0,7/50 mm, das Stanley Kubrick für den Film "Barry Lyndon" nutze. Das Objektiv ist auf eine für den Film genutzte Kamera montiert.

(Bild: Stanley-Kubrick-Ausstellung in San Francisco, Gbentinck, CC BY-SA 4.0)

Wenn aber berühmte Filmregisseure NASA-Objektive verwenden, wenn sich also die Superlative die Hand geben, dann sind natürlich die Verschwörungstheoretiker nicht weit. So wurde die wilde Story von der angeblich gefälschten Mondlandung zumindest für manche noch plausibler, indem man die Objektive einfach zur Verschwörungstheorie hinzugedichtet hat: Kubrick sei also derjenige gewesen, der die Landung im Studio gefilmt habe - und dafür dann als Lohn die NASA-0,7er bekommen habe. Weitere Ergänzungen der verdrehten Geschichte über die gefälschte Mondlandung betonen dann aber, dass die NASA Kubrick ausgesucht habe, da er nur an Originalschauplätzen drehte ...

Aber genug solch absurder Stories, beschäftigen wir uns etwas mit den technischen Hintergründen. Dabei ist beim Begriff "Lichtstärke" zuerst einmal ein wenig Vorsicht geboten. Der Begriff wird in der Physik im Deutschen zweifach verwendet, einmal als fotografische Lichtstärke, einmal als photometrische Lichtstärke (die als Lichtstrom die Eigenschaften einer Lichtquelle beschreibt und in Candela angegeben wird).

Wir beschäftigen uns mit der Deutung als fotografische Lichtstärke, die das größtmögliche Öffnungsverhältnis meint – es ist gleichbedeutend dem Kehrwert der kleinstmöglichen Blendenzahl. Fotografen lieben lichtstarke Linsen mit Öffnungsverhältnissen wie 1:1,4 oder 1:1,2.

Nicht nur wird damit auch das Fotografieren in der Dämmerung problemlos möglich. Darüber hinaus bieten solche Objektive dank der extrem geringen Schärfentiefe erstaunliche kreative Möglichkeiten. Einfach kommerziell käuflich und zumindest im Vergleich zu den NASA-Boliden auch noch erschwinglich ist aktuell die Lichtstärke 0,95. Firmen wie Leica oder Mitacon bieten sie bei ihren lichtstärksten 50er-Objektiven für Vollformat an. Der Weltrekordhalter unter den kommerziellen Lichtriesen ist aktuell die Firma Ibelux, die für das halb so große APS-C- Format eine Festbrennweite von 40 mm und Lichtstärke 0,85 entwickelt hat .

Aber das geht doch gar nicht, ist ein scheinbar berechtigter Einwand: Das sind dann ja Linsen, die mehr als 1,0, mehr als 100% liefern – Linsen, die quasi zusätzliches Licht generieren! Aber das ist ein Missverständnis. Die Lichtstärke ist keineswegs eine Prozentzahl für die Lichtdurchlässigkeit, mit 1,0 für 100%. Vielmehr ist definiert als Bruch aus Brennweite und Durchmesser der Eintrittspupille (die Eintrittspupille ist die beim Blick ins Objektiv sichtbare Blendenöffnung). Aufgrund der sogenannten Abbe’schen Sinusbedingung sind Linsenkonstruktionen aus Glas nach unten nicht mit 1,0, sondern mit 0,5 in der Lichtstärke limitiert.

Einfach formuliert, ist die Lichtstärke die weitestmögliche Blende; und die Blende ist schlicht die Blendenöffnung unter Einbezug der Brennweite: k = f/D. Der Einbezug der Brennweite erscheint dubios, ist aber notwendig, um den Öffnungswinkel oder Bildwinkel, also die generelle Fähigkeit des Objektivs zum Lichtsammeln außen vor zu lassen (Brennweite und Öffnungswinkel hängen zusammen).

Nach all der trockenen Theorie noch ein Praxistipp, falls Sie auch einmal versucht sind , Fotos nur mit Kerzenlicht aufzunehmen. Für Kubrick war das in den 70er-Jahren knifflig, weil der analog auf Chemiefilm aufzeichnen musste. Hier war die Filmempfindlichkeit gerade beim Farbfilm doch sehr begrenzt. Mittlerweile sind die Kameras aber dank der Digitaltechnik sehr viel empfindlicher geworden.

Problematischer ist tatsächlich eher der ausgeprägte Orange-Rotstich solcher Fotos , denn Kerzenlicht weist eine Farbtemperatur von rund 2.000 Kelvin auf – zum Vergleich hat unsere Mittagssonne immerhin 5.500 Kelvin. Aber auch dieses Problem bekommt man mit moderner Technik über den Kniff des Weißabgleichs rasch in den Griff . Probieren Sie es einmal aus!

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