Zweites Leben mit Linux: Die besten Distributionen für Unternehmen

Beim Absprung von Windows stehen Admins vor einer großen Entscheidung: Welche Linux-Enterprise-Distribution darf's sein? Teil 2 von 3.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 221 Kommentare lesen
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Tim Schürmann

Wer sich für den Sprung von Windows hin zu Linux im Unternehmen entscheidet, hat die Qual der Wahl: Anders als bei Microsoft steht Unternehmen mit Linux nicht nur "das eine" Betriebssystem zur Auswahl. Für den Einsatz in der Firma kommen primär Enterprise-Distributionen infrage. Ihre Treiber und ihr Funktionsumfang sind auf die Bedürfnisse von Unternehmen zugeschnitten, die Systemanforderungen äußerst genügsam. Die unterschiedlichen Enterprise-Distributionen haben verschiedene Kerneinsatzgebiete – ein Überblick:

So setzt beispielsweise Red Hat Enterprise Linux (RHEL) in der Version 9.1 lediglich 1,5 GByte Arbeitsspeicher voraus, einige Konkurrenten geben sich sogar schon mit 1 GByte zufrieden. Mittlerweile ist bei RHEL allerdings ein 64-Bit-Prozessor Pflicht. Das gilt durch die Bank auch für die übrigen Marktführer, etwa den Suse Linux Enterprise Server (SLES), Ubuntu und den Univention Corporate Server. Der Betrieb auf alten 32-Bit-Prozessoren etwa aus der Atom-Reihe scheidet damit aus. Die meisten Distributionen unterstützen dennoch auch Prozessorarchitekturen, auf denen Windows nicht läuft – RHEL unter anderem die Power-Prozessoren, hinzu kommen meist 64-Bit-ARM-Prozessoren.

Die Systemanforderungen können wie hier bei Red Hat Enterprise Linux zwischen den verschiedenen Architekturen schwanken.

(Bild: Screenshot redhat.com)

Weitere konkrete Systemanforderungen muss man auf den Webseiten der Distributionen mit der Lupe suchen. Alle zum Redaktionsschluss verfügbaren Informationen fasst die Tabelle zusammen.

Tabelle: Systemvoraussetzungen der beliebtesten Enterprise-Distributionen
Distribution AlmaLinux 9.1 Debian 11 („Bullseye“) Red Hat Enterprise Linux 9.1 Rocky Linux 9 openSUSE Leap 15.4 Ubuntu 22.04 LTS Univention Corporate Server 5
Hersteller AlmaLinux OS Foundation Debian-Projekt Red Hat Rocky Enterprise Software Foundation Suse Canonical Univention
URL https://almalinux.org/de/ https://www.debian.org/ https://www.redhat.com/de/technologies/linux-platforms/enterprise-linux https://rockylinux.org/ https://www.opensuse.org/#Leap https://ubuntu.com/ https://www.univention.de/produkte/ucs/
Unterstützte Architekturen
x86, 64-Bit (AMD64) Ja Ja Ja Ja Ja Ja Ja
x86, 32-Bit (i386) Nein Ja Nein Nein Nein Nein Nein
ARM, 64-Bit (AArch64) Ja Ja Ja Ja Ja Ja Nein
ARM, 32-Bit (armel) Nein Ja Nein Nein Nein Nein Nein
ARM, 32-Bit (armhf) Nein Ja Nein Nein Nein Nein Nein
Power (ppc64el / ppc64le) Ja Ja Ja Nein Ja Ja Nein
IBM System Z/LinuxOne (s390x) Nein Ja Ja Nein Ja Ja Nein
MIPS (mipsel) Nein Ja Nein Nein Nein Nein Nein
MIPS, 64-Bit (mips64el) Nein Ja Nein Nein Nein Nein Nein
Minimale Systemanforderungen (x86-Architektur)
Prozessor Keine Angabe ab Pentium 4, 1GHz Keine Angabe Keine Angabe ab Pentium 4, 1.6 GHz Server: 1 GHz, Desktop: 2 GHz Dual-Core Keine Angabe
Hauptspeicher 1,5 GByte (ARM und System Z 2 GByte) 256 MByte (mit Desktop 1 GByte) 1,5 GByte (ARM und System Z 2 GByte) 1,5 GByte (ARM und System Z 2 GByte) 1 GByte Server: 1 GByte, Desktop: 4 GByte 1 GByte
Festplatte 20 GByte 2 GByte (mit Desktop 10 GByte) 10 GByte (20 GByte mit allen Packages) 10 GByte 10 GByte Server: 2,5 GByte, Desktop: 25 GByte 8 GByte
Support
UEFI/Secure Boot Ja / Ja Ja / Ja Ja / Ja Ja / Ja Ja / Ja Ja / Ja Ja / Ja
Standard Support-Ende 5 Jahre (2029) 2026 5 Jahre (2029) 5 Jahre (2029) November 2023 (danach Architekturwechsel auf Adaptable Linux Platform) 2027 2026

Grundsätzlich betreffen die Systemvoraussetzungen immer nur die Basissysteme. Einzelne Softwarekomponenten können deutlich höhere Anforderungen stellen. So verlangt etwa Ubuntu in der Desktop-Fassung gleich das Vierfache des Hauptspeichers der Server-Variante. Diese Voraussetzung ist allerdings etwas hoch gegriffen: Im Alltag betreiben wir ein System mit Ubuntu Desktop problemlos und geschmeidig in einer virtuellen Maschine mit nur 2 GByte. Im Zweifelsfall hilft folglich nur ausprobieren. Als weitere Hilfe betreiben Canonical, Red Hat und Suse Zertifizierungsprogramme und Hardwaredatenbanken. Sollte man in ihnen den eigenen alten Rechner finden, kann man von einem reibungslosen Betrieb ausgehen.

Die Enterprise-Distributionen sind auf zuverlässigen und vor allem langlebigen Betrieb ausgelegt, obendrauf gibt es noch passende Supportverträge. Alle bereits genannten Anbieter pflegen ihre Linux-Systeme fünf Jahre. Anschließend folgen eine oder mehrere Wartungsphasen, die teilweise zusätzliche Gebühren kosten. Selbst RHEL 8 (Release 2019) und SLES 15 (Release 2016) lassen sich auf diese Weise noch bis 2031 sicher nutzen. Canonical versorgt nur seine Ubuntu-Versionen mit ausgewiesenem Long Term Support (LTS) derart lang. Bei Univention kann man nach den fünf Jahren Support nur noch zwei weitere Jahre anschließen. In den letzten Phasen gibt es ausschließlich Sicherheitspatches. Darüber hinaus gelten die Support-Zeiträume in der Regel nur für das Basissystem. Bei SLES besitzt etwa das Python-2-Modul eine deutlich kürzere Lebensdauer, Canonical betreut grundsätzlich nur die Kern-Repositories.

Der Einsatz von RHEL und SLES ist zwar kostenpflichtig, der Quellcode liegt jedoch offen. Das machen sich mehrere Projekte zunutze und erstellen kostenlose, binär-kompatible Alternativen. RHEL ersetzen beispielsweise AlmaLinux und Rocky Linux. Da es sich bei den Distributionen um Klone handelt, besitzen sie die gleichen Systemvoraussetzungen und Eigenschaften wie ihr Vorbild. Sie eignen sich damit nicht nur für erste Tests auf der anvisierten Hardware: Kennen sich die Administratoren im Unternehmen mit RHEL aus, spart man mit den Alternativen Geld. Sollte man dennoch Support benötigen, lässt sich auch dieser bei den Entwicklern der RHEL-Kopien hinzubuchen. Vom ehemaligen RHEL-Klon CentOS sollte man übrigens Abstand nehmen: Unter dem neuen Namen CentOS Stream spiegelt die Distribution mittlerweile den aktuellen Entwicklungsstand der jeweils nächsten RHEL-Version wider. Sie eignet sich somit nicht für den produktiven Einsatz.

AlmaLinux (hier noch die Vorgänger-Version 8.5) und …

(Bild: Screenshot AlmaLinux)

… Rocky Linux sind identisch mit RHEL. Gegenüber dem Vorbild ausgetauscht wurden im Wesentlichen nur die Warenzeichen (hier ebenfalls der Vorgänger der aktuellen Version).

(Bild: Screenshot Rocky Linux)

Die Suse S.A. liefert mit openSUSE Leap direkt selbst einen kostenlosen Klon. Dieser teilt sich mit dem Vorbild SLES allerdings nur das Basissystem. Dennoch ähneln sich die Systemvoraussetzungen: Für das aktuelle openSUSE Leap 15.4 waren mindestens ein Prozessor der Leistungsklasse eines Pentium 4 und 1 GByte Hauptspeicher erforderlich. Suse selbst sieht openSUSE Leap vor allem als System für Entwickler, die ihre Software für den Einsatz in SLES vorbereiten möchten. Mit dem Start von Suses SLES Nachfolger ALP (Adaptable Linux Platform) endet auch der reguläre Zeitraum von Leap – SLES 15 unterstützt man je nach gebuchtem Service-Modell laut Übersichtstabelle auf der Hersteller-Seite aber noch bis Ende 2031.

openSUSE Leap greift auf Updates aus Suse Linux Enterprise zurück. Als Desktop-Umgebung kommt hier KDE Plasma zum Einsatz, dessen Bedienung an Windows erinnert.

(Bild: Screenshot openSUSE Leap)

Ubuntu steht generell kostenlos bereit, der Support lässt sich optional buchen. Sowohl Ubuntu als auch UCS (Univention Corporate Server) basieren auf Debian. Das Team hinter dieser Distribution arbeitet ehrenamtlich, legt aber den Fokus auf Stabilität und lange Lebenszyklen. Nach der Veröffentlichung neuer Debian-Version pflegen die Entwickler die Vorversion noch ein komplettes Jahr, insgesamt erhält eine Version so drei Jahre lang Support. Einzelne ausgewählte Versionen erhalten fünf Jahre Updates (Long Term Support). Dies gilt beispielsweise für das aktuelle Debian 11 (alias "Bullseye"), das die Entwickler bis 2026 warten.

Ubuntu verwendet einen angepassten Gnome-Desktop. Dessen etwas ungewöhnliches Bedienkonzept ist jedoch geblieben.

(Bild: Screenshot Ubuntu)

Debian gehört auch zu den wenigen Distributionen, die noch in einer 32-Bit-Fassung bereitstehen. Damit eignet es sich prinzipiell noch für Systeme mit reinen 32-Bit-Atom-Prozessoren. Das Basissystem benötigt zudem lediglich 256 MByte Hauptspeicher. Für ein Desktop-System empfehlen die Entwickler jedoch wie bei der Konkurrenz mindestens 1 GByte Hauptspeicher und eine CPU der Leistungsklasse Pentium 4 mit 1 GHz.

Der abschließende dritte Teil unserer Online-Reihe "Zweites Leben mit Linux" widmet sich den dediziert schlanken Distributionen, die auch leistungsschwacher Hardware zu einem zweiten Frühling verhelfen können und Spezial-Distributionen für bestimmte Einsatzzwecke. Der erste Serienteil zeigte die grundsätzlichen Vorzüge von Linux. Die Serie erscheint wöchentlich.

(jvo)