Molekularer Computer ist einen Schritt weiter: Kritische Komponente entwickelt

Hin zur molekularen Turing-Maschine: Ein britisch-chinesisches Forscherteam hat einen Lesekopf gebaut, der einen Molekülstrang abfährt und ausliest.

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Moleküle

(Bild: Anusorn Nakdee / Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.

David A. Leigh und sein Team sind dem Science-Fiction-Szenario eines molekularen Computers ein gutes Stück nähergekommen. Wie die Forschenden in "Nature" berichten, haben sie ein Molekül geschaffen, das mit Hilfe eines chemischen Antriebes dazu gebracht werden kann, einen langen molekularen Strang Stück für Stück abzufahren. Je nach Inhalt des molekularen Stranges ändert der molekulare Lesekopf dabei seine Form – was wiederum mit einer speziellen Form der Spektroskopie sichtbar gemacht werden kann.

Das ist ein gutes Stück hin zu einer molekularen Turing-Maschine – und damit hin zu einem minimal kleinen Computer, der extrem effizient wäre.

Das Modell der Turing-Maschine wurde 1936 von Informatik-Pionier Alan Turing vorgeschlagen: Die hypothetische Maschine besteht aus einem Band mit Symbolen und einem Schreib- und Lesekopf. Der Kopf bewegt sich Schritt für Schritt über das Band, liest den Inhalt der betreffenden Position und schreibt – abhängig vom Input, seinem aktuellen Zustand und einer Programmanweisung, einen Output an diese Position. Die Idee klingt ziemlich abstrakt, allerdings konnte Turing zeigen, dass solch eine Maschine universell programmierbar ist und – fast – alle Probleme bearbeiten kann, die sich in einer mathematischen Form darstellen lassen.

Die Idee, molekulare Elektronik statt Silizium zu nutzen, ist durchaus nicht neu. Allerdings ist sie – bis auf Ausnahmen wie den molekularen Verzerrer bis heute nicht zur Anwendungsreife entwickelt.

Als der Informatiker Leonard Adleman Anfang der 1990er zuerst auf die Idee kam, DNA zu nutzen, um das sogenannte Hamiltonpfadproblem (HPP) in einem gerichteten Graphen zu lösen, löste das deshalb große Hoffnungen aus. Adleman, der Ende der 1970er-Jahre zusammen mit Ronald Rivest und Adi Shamir das RSA-Verschlüsselungssystem entwickelt hatte, war über die Forschung an Computerviren zur Molekularbiologie gekommen.

Sein TT-100 genannter DNA-Computer, der aus 100 Mikrolitern DNA in einer Lösung bestand, konnte das Problem zwar nur für ein relativ überschaubares Netz mit sieben Knoten lösen. Für Informatiker ist das HPP aber interessant, weil es zu einer Klasse von Problemen gehört, deren Lösungsaufwand exponentiell mit der Problemgröße steigt. Mit seiner massiv-parallelen Informationsverarbeitung versprach der DNA-Computer nun, dass es möglich sein würde, solche NP-kompletten Probleme trotzdem zu knacken.

Die Idee setzte sich allerdings nicht durch, weil Input-Daten und Software in eigens synthetisierten kurzen DNA-Strängen codiert werden müssen – und zwar für jedes Problem neu. Eine neue Generation von Forschenden nutzt mittlerweile lieber die vorhandenen biologischen Mechanismen lebender Zellen und verknüpft beispielsweise Mechanismen, die Gene an- oder abschalten zu einfachen logischen Schaltwerken.

Eine molekulare Versionen der Turing-Maschine wäre allerdings sehr viel universeller einsetzbar. Ihre Konstruktion erweist sich aber bislang als extrem schwierig.

Der nun vorgestellte Lesekopf, den die Forschenden als "Ratschenmolekül" bezeichnen, wird mit Trichloressigsäure angetrieben, das der Lösung, in der die Bandmoleküle schwimmen, portionsweise zugegeben wird. Der pH-Wert der Flüssigkeit ändert sich, und löst damit aus, dass das Bandmolekül den Lesekopf eine Position vorwärts schiebt. Während sich der Kopf auf dem Band bewegte, nimmt er – je nach Information auf dem Bandmolekül – eine bestimmte chemische Konfiguration ein. Diese Konfiguration können die Forscher mit Hilfe der Zirkulardichroismus-Spektroskopie bestimmen. Das Verfahren beruht darauf, dass zirkular polarisiertes Licht von Molekülen mit der gleichen Zusammensetzung aber unterschiedlicher räumlicher Konfiguration unterschiedlich absorbiert werden.

Im nächsten Schritt müssen Leigh und Kollegen nun einen Schreibmechanismus ergänzen. Möglich wäre, dass der Kopf, je nach Konfiguration, als Katalysator für verschiedene chemische Reaktionen dienen könnte.

(wst)