Unser Mikrobiom altert mit uns – warum das ein Problem ist

Unser Darm beherbergt ein komplexes Ökosystem aus Bakterien. Können wir es so verändern, dass wir auch im Alter gesund bleiben?

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Darstellung des Darms

Darstellung des Darms.

(Bild: Shutterstock / SciePro)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Jessica Hamzelou

In uns allen wimmelt es von Kleinstlebewesen: Der menschliche Körper beherbergt eine Vielzahl unterschiedlicher Ökosysteme, in denen wiederum Mikroben, Pilze und andere Organismen leben. Zusammengefasst bilden sie das sogenannte Mikrobiom, und sie sind entscheidend für unser Wohlbefinden. Veränderungen des Mikrobioms werden mit einer ganzen Reihe von Krankheiten in Verbindung gebracht, weshalb wir die Organismen in unserem Körper hegen und pflegen sollten – damit sie das Gleiche mit uns tun.

Das ist umso wichtiger, je älter wir werden. Die verschiedenen Ökosysteme des Mikrobioms, etwa die Darmflora, scheinen sich nämlich zu verändern, wenn wir altern und diese Veränderungen können möglicherweise das Risiko für altersbedingte Krankheiten erhöhen. Wie können wir uns also am besten um sie kümmern, wenn wir alt werden? Und könnte ein erstklassiges Mikrobiom dazu beitragen, Krankheiten abzuwehren und uns ein längeres, gesünderes Leben zu ermöglichen?

In einer aktuellen Studie haben Wissenschaftler Tausende Proben der Darmmikrobenpopulationen von Menschen untersucht, um festzustellen, wie sie sich mit dem Alter verändern. Über den Stuhlgang werden viele Darmbakterien ausgeschieden. Wissenschaftler können deshalb per Stuhlprobe herausfinden, welche Arten und Stämme von Bakterien sich in einem menschlichen Darm befinden.

In der Studie analysierte ein Team des University College Cork in Irland die Daten von 21.000 bereits vorhandenen menschlichen Stuhlproben. Diese stammten von erwachsenen Menschen zwischen 18 und 100 Jahren aus der ganzen Welt, einschließlich Europa, Nord- und Südamerika, Asien und Afrika. Insgesamt waren 19 Nationalitäten vertreten.

Die Autoren der Studie wollten herausfinden, was ein "gutes" Mikrobiom ausmacht, insbesondere wenn Menschen älter werden. Für Mikrobiologen war es bisher schwierig, dies herauszufinden. Es ist zwar bekannt, dass einige Bakterien chemische Verbindungen produzieren können, die gut für den Darm sind. Einige scheinen zum Beispiel die Verdauung zu fördern, während andere Entzündungen lindern. Aber wenn es um das Ökosystem als Ganzes geht, werden die Dinge kompliziert. Gegenwärtig ist die gängige Meinung, dass Vielfalt eine gute Sache ist, sprich: Je mehr mikrobielle Vielfalt, desto besser. Allerdings glauben manche Forscher auch, dass ein individuelles Mikrobiom, das von der Norm abweicht, besser vor bestimmten Krankheiten schützen kann.

Das Team aus Cork untersuchte, wie die Mikrobiome jüngerer Menschen im Vergleich zu denen älterer Menschen aussehen und wie sie sich mit dem Alter verändern. Die Wissenschaftler schauten besonders darauf, wie sich die mikrobiellen Ökosysteme mit altersbedingten Schwächen wie Demenz, Gebrechlichkeit und Entzündungen, veränderten.

Dabei fanden sie heraus, dass sich das Mikrobiom mit dem Alter zu verändern scheint und dass die Darmflora im Großen und Ganzen dazu neigt, einzigartiger zu werden. Es sieht so aus, als ob wir mit fortschreitendem Alter manche Aspekte eines allgemeinen, menschlichen "Kern"-Mikrobioms verlieren und uns auf ein individuelleres zubewegen. Dabei scheint die Abweichung mit einer ungesunden Alterung und der Entwicklung der oben genannten altersbedingten Symptome einherzugehen.

Die Ergebnisse sprechen dafür, dass zu viel Individualismus möglicherweise doch mehr Nachteile als Vorteile mit sich bringt. Ein anderes Forscher-Team bedient sich dabei einer Analogie, die sie das "Anna-Karenina-Prinzip des Mikrobioms" nennen: "Alle glücklichen Mikrobiome gleichen einander, jedes unglückliche Mikrobiom ist auf seine eigene Weise unglücklich".

Die große Frage ist natürlich: Was können Menschen tun, um ein glückliches Mikrobiom zu erhalten? Und wird es uns tatsächlich helfen, altersbedingte Krankheiten abzuwehren?

Vieles deutet darauf hin, dass eine Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Ballaststoffen im Allgemeinen gut für den Darm ist. Vor einigen Jahren fanden Forschende heraus, dass ältere Menschen nach einer 12-monatigen mediterranen Diät, die reich an Olivenöl, Nüssen, Hülsenfrüchten und Fisch sowie Obst und Gemüse ist, Veränderungen in ihrem Mikrobiom feststellten, die ihrer Gesundheit zugute kommen könnten. Diese Veränderungen wurden mit einem geringeren Risiko für Gebrechlichkeit und Demenz im Alter in Verbindung gebracht.

Auf individueller Ebene ist es allerdings immer noch schwer zu sagen, welche Auswirkungen konkrete Veränderungen in der Ernährung auf das Mikrobiom wirklich haben. Probiotika sind ein gutes Beispiel: Man kann Millionen von Mikroben schlucken, aber das bedeutet noch lange nicht, dass sie die lange Reise in den Darm überleben. Und selbst wenn sie dort ankommen, weiß niemand, ob sie in der Lage sein werden, eigene Nischen innerhalb der Darmflora zu bilden. Oder ob sie nicht sogar eine unerwünschte Störung verursachen. Einige Ökosysteme reagieren etwa sehr gut auf fermentierte Lebensmittel wie Sauerkraut und Kimchi, andere nicht. Die Kleinstlebewesen in unserem Körper haben also durchaus ihren eigenen Geschmack. Und zumindest die Mikroorganismen in unserem Darm teilen uns in vielen Fällen recht schnell mit, ob es ihnen schmeckt oder nicht.

(jle)