Autonomes Auto: Mercedes "Drive Pilot" erstes Level 3-System mit US-Zertifikat

Nevada erlaubt Mercedes das automatisierte Fahren nach Level 3. "Drive Pilot" ist damit weltweit das erste System mit US-Zulassung. Nächstes Ziel: Kalifornien.

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Der Mercedes EQS darf in Nevada autonom fahren

Der Mercedes EQS darf in Nevada autonom fahren

(Bild: Mercedes)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Florian Pillau
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Als weltweit erster Automobilhersteller hat Mercedes die Erlaubnis für hochautomatisiertes Fahren nach SAE-Level 3 für den US-amerikanischen Straßenverkehr im Bundesstaat Nevada erhalten. Das System mit dem Namen "Drive Pilot" wird auf dem US-Markt als Sonderausstattung für die Modelle S-Klasse und EQS erhältlich sein. Mercedes USA will die ersten damit ausgestatteten Fahrzeuge "im Laufe der zweiten Jahreshälfte 2023" ausliefern. Als nächstes Ziel, noch für 2023, nennt Mercedes den bevölkerungsreichsten US-Bundesstaat Kalifornien. Der Antrag liegt bereits bei den zuständigen Behörden, wie das Unternehmen heute mitteilt.

Mercedes "Drive Pilot" erfüllt die Anforderungen im "Nevada Chapter 482A" für autonome Fahrzeuge. SAE-Level 3 bedeutet zeitweises selbsttätiges Fahren innerhalb eines bestimmten Szenarios. Das System beherrscht darin die Längs- und Querführung. Das Geschehen auf der Straße braucht nicht permanent überwacht zu werden, allerdings muss die Person am Steuer stets in der Lage sein, innerhalb einer "ausreichenden Zeitspanne" einzugreifen, wenn das Assistenzsystem mit der Situation überfordert ist. Die Zeit für die Rückübernahme ist entscheidend, denn Untersuchungen zeigen, dass abgelenkte Fahrer bis zu 10 Sekunden für die Übernahme und bis zu 15 Sekunden für die volle Kontrolle über eine Verkehrssituation bräuchten. Das ist auch die Zeit, in der das System eine Rückübernahme akzeptiert.

Level 3 bedeutet Längs- und Querführung unter bestimmten Bedingungen und Rückübergabe innerhalb von 10 Sekunden.

(Bild: VDA)

"Drive Pilot" ist auf sehr konkrete Situationen beschränkt. So funktioniert er nur auf auf öffentlichen Freeways bei Geschwindigkeiten bis zu 40 mph (etwa 60 km/h) und nur solange der Abstand zum davor fahrenden Fahrzeug nicht zu groß wird. Neben Streckenverlauf und Verkehrszeichen berücksichtigt das System auch unerwartet auftretende Verkehrssituationen und bewältigt diese beispielsweise durch Ausweichen oder, falls das auf der Spur nicht möglich ist, durch Bremsen.

Genutzt werden die Sensoren des Fahrassistenz-Pakets, die in der S-Klasse serienmäßig vorhanden sind. Zusätzliche Fühler, wie LiDAR, Mikrofone, eine Heckkamera zur Erkennung von Einsatzfahrzeugen und ein Nässesensor im Radkasten nehmen genügend Daten auf, um einem Rechner die Orientierung zu ermöglichen. Dazu kommt eine Dopplung von Lenk- und Bremssystem sowie des Bordnetzes. Damit soll das Fahrzeug auch bei einer Störung manövrierfähig in der Lage zu einer sicheren Übergabe oder der Erreichung eines sogenannten "risikominimalen Zustands" mit Stillstand am Straßenrand bei eingeschalteter Warnblinkanlage bleiben.

Die zum autonomen Fahren nötige genaue Positionserkennung ermöglichen die von LiDAR-, Kamera-, Radar- und Ultraschallsensoren erfassten Daten mithilfe einer laufend aktualisierten digitalen dreidimensionalen Karte mit einer Genauigkeit im Zentimeterbereich.

Markus Schäfer, Vorstandsmitglied bei Mercedes, weist darauf hin, dass sein Unternehmen die Zertifizierung in Nevada als einen Anfang sieht: "Die Zertifizierung in Nevada markiert den Beginn der internationalen Markteinführung und damit den Beginn einer neuen Ära beim automatisierten Fahren." Ende 2021 hat das deutsche Kraftfahrt-Bundesamt die Systemgenehmigung auf Basis der technischen Zulassungsvorschrift UN-R157 erteilt, was die Voraussetzung für weitere internationale Zulassungen war. In Deutschland ist Drive Pilot seit Mai 2022 in S-Klasse und EQS erhältlich.

(fpi)