Kanada: Stromversorger will Lieferungen an Kryptowährungsminer einschränken

In Kanada entschied der Regulierer nach Antrag eines Versorgers, vorläufig keinen zusätzlichen Strom mehr an Blockchain-Miner in der Provinz Québec zu liefern.

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(Bild: Shutterstock)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Tom Sperlich
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Der nach eigenen Angaben größte Anbieter sauberer Energie in Nordamerika, Hydro-Québec, will neuen Kunden aus dem Bereich Kryptomining weniger oder gar keinen Strom mehr liefern, zumindest mittelfristig. Die Gründe dafür seien zunächst ein wachsend großer Bedarf in den Wintermonaten und insgesamt "der zu erwartende erhebliche Anstieg der Stromnachfrage und die angespannten Energie- und Kapazitätsbilanzen" so Hydro-Québec.

Durch den zunehmenden Strombedarf beispielsweise für Rechenzentren, die Herstellung grünen Wasserstoffs, die Elektrifizierung des Verkehrs und einige anderen Bedarfsfaktoren, erwartet das Energieunternehmen in der Periode 2023-2032 einen Anstieg des Elektrizitätsbedarfs um 25 Terawattstunden (TWh) oder 14 Prozent.

Hydro-Québec, das Energieunternehmen, das im Nordosten Nordamerikas Strom vor allem aus 62 Wasserkraftwerken verteilt, reichte Anfang vergangenen November seinen Beschaffungsplan 2023-2032 bei der dafür zuständigen kanadischen Energieregulierungsbehörde (Régie de l'énergie; Canada Energy Regulator, CER) zur Genehmigung vor und legte dafür obige Zahlen auf den Tisch. Der Strombedarf der in Kanada deutlich wachsenden Mining-Industrie würde laut den Berechnungen um etwa 0,7 TWh wachsen und 2028 einen maximalen Strombedarf erreichen. Das bringt den Stromerzeuger offenbar in Bedrängnis.

In den vergangenen Jahren wurde mit günstigen Tarifen kräftig um Kunden aus der Mining-Branche geworben – umgerechnet rund 11 Eurocent pro KWh für Mining-Projekte mit einer benötigten Leistung zwischen 50 KW und 50 MW. Davon will der Energieversorger seit Kurzem offenbar nichts mehr wissen. Gerade auch angesichts der anderen, stark anwachsenden Bereiche entwickele sich der Strombedarf der Kryptoschürf-Unternehmen als nicht mehr tragbar.

Selbst eine Reduzierung der bereits zugeteilten Strommengen könnte eintreten. Vorübergehend geringere Elektrizitätslieferungen an Mining-Firmen "könnten dazu beitragen, die Gefährdung der Zuverlässigkeit und Sicherheit der Energieversorgung der Einwohner von Québec zu verhindern", so Hydro-Québec. Aus verschiedenen Vergabeverfahren in früheren Jahren beträgt die Gesamtzahl der dem Sektor zugewiesenen elektrischen Leistung aktuell insgesamt 668 MW. Davon versprach sich der Regulierer eine Menge neuer Jobs und viele Investments in der französischsprachigen kanadischen Provinz.

Gegenstand der aktuellen Diskussion ist vor allem ein Kontingent von 300 MW, das die Régie de l'énergie 2019 auf Basis eines Auswahlverfahrens erteilt hatte. Davon werden aktuell nur zehn Prozent abgerufen, gleichwohl will man zukünftigen Kryptomining-Projekten den Hahn zudrehen. Sowohl Hydro-Québec wie auch Politiker der Region forderten den Regulierer auf, die Stromzuteilung der restlichen 270 MW auszusetzen. So schrieb der Minister für Wirtschaft, Innovation und Energie der Provinz Québec, Pierre Fitzgibbon, Anfang November auf Twitter: "In Anbetracht der starken Energienachfrage hat die Regierung die Régie de l'énergie per Dekret aufgefordert, die für Blockchain-Projekte reservierten 270 MW zu streichen. Wir bleiben offen für Projekte, die einen größeren Nutzen haben werden".

Im Januar gab die Behörde dann eine erste Entscheidung bekannt; sie erließ eine Schutzanordnung, mit der der Prozess der geplanten Zuteilung der 270 MW für Miner-Kunden vorübergehend ausgesetzt wird. Die Anordnung wird so lange aufrechterhalten, bis die Régie endgültig darüber im Rahmen der Überprüfung des Beschaffungsplans 2023-2032 entscheidet. Die Pressestelle der Behörde ging gegenüber heise online davon aus, dass die endgültige Entscheidung noch einige Monate dauern könnte.

Die Vorgänge sind zunächst also ein Rückschlag für die Expansion der Blockchain- und vor allem der Kryptomining-Industrie im Osten Kanadas. Immerhin fanden die Mining-Unternehmen hier bislang jedoch einen idealen Ort aufgrund seiner im Überfluss vorhandenen Quellen sauberer, erneuerbarer Energie. Nach allgemeinen Nachhaltigkeitskriterien mag das Zurechtrücken der Miner deshalb nicht nur eine positive Entwicklung sein, gerade angesichts der sonst prinzipiell katastrophalen Umweltbilanz des Kryptominings.

(axk)