Wer soll über Internet-Zukunft entscheiden?

Die Verhandlungen über eine "Ethikerklärung" für das Internet für den Weltgipfel der Informationsgesellschaft Ende des Jahres und eine "Konvention über die Sicherheit der Netze" haben begonnen.

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Von
  • Monika Ermert

Wird der Weltgipfel der Informationsgesellschaft (World Summit on the Information Society, WSIS) Ende dieses Jahres eine "Ethikerklärung" für das Internet verabschieden, werden die beteiligten Staaten sich auf eine "Konvention über die Sicherheit der Netze" einigen? Darüber verhandeln seit dem gestrigen Montag 14 Tage lang rund 1.600 Vertreter von Regierungen, Unternehmensverbänden und Nichtregierungsorganisationen beim zweiten Vorbereitungstreffen des WSIS bei der International Telecommunication Union (ITU) in Genf. WSIS-Präsident Adama Samassekou nannte das Treffen "zentral", da es einen ersten Entwurf für das Abschlussdokument im Dezember vorlegen soll.

Samassekou legte selbst ein erstes "Non-Paper" für eine Charta vor, in der der Zugang zur Information als Menschenrecht festgeschrieben werden soll. Die wichtigsten Punkte in der weiteren Entwicklung nannte Samassekou unter anderem "Umwandlung der digitalen Kluft in eine digitale Chance" und die Förderung von kultureller und sprachlicher Vielfalt im Netz. Samassekous Papier enthält weitreichende Ziele wie "ein globales Programm mit dem Ziel, nachhaltige Kommunikationsmöglichkeiten an jeden Ort der Erde und in jede Gemeinschaft zu bringen und den Zugang zu Informations- und Kommunikationstechnologie zu erweitern."

"Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, er hat auch ein Anrecht auf Teilhabe an der Gesellschaft", sagte der Schweizer Bundesrat Moritz Leuenberger in seiner Willkommensadresse. Mit Blick auf die aktuelle politische Situation mahnte Leuenberger auch: "Lassen Sie uns Kommunikation für den Frieden realisieren." Die Berichterstatterin der regionalen Vorbereitungskonferenz aus Beirut erinnerte ebenfalls an die Instabilität in ihrer Region als eines der größten Entwicklungshemmnisse.

Leuenberger bemühte sich im übrigen wie auch der WSIS-Präsident und ITU-Generalsekretär Yoshiu Utsumi, die Wogen zwischen Nichtregierungsorganisationen, Unternehmensverbänden und Regierungen etwas zu glätten. Unternehmensverbände und Nichtregierungsorganisationen seien aufgefordert, sich aktiv an dem WSIS-Prozess zu beteiligen. "Wir können die Probleme nicht alleine lösen. Wir brauchen vielmehr die Unterstützung der Zivilgesellschaft," sagte Leuenberger. "Die Informationsgesellschaft lässt sich nicht dekretieren", meinte auch Maria Cattaui, Generalsekretärin der International Chamber of Commerce. Durch den Aufruf "lasst uns eine Informationsgesellschaft bilden" werde diese kaum Wirklichkeit werden.

Tatsächlich sind in den verschiedenen Vorbereitungstreffen in Europa, Asien, Afrika und dem Nahen Osten die Nichtregierungsorganisationen (NGOs) fast ausnahmslos in der Mehrheit gewesen. Formell können die NGOs und Unternehmen allerdings lediglich die Rolle von Beratern und Beobachtern spielen. Bislang ist selbst der Zugang zu den endgültigen Beratungen für die Charta ungewiss, sagt der Leipziger Völkerrechtler Wolfgang Kleinwächter, von einem Stimmrecht ganz zu schweigen.

Der trotz aller Beteuerungen bestehende Alleinvertretungsanspruch der Regierungen könnte der WSIS vor allem durch die weitere Ausweitung der Aufgabenstellung verstärkt in die Kritik geraten. Neben der digitalen Kluft und den Menschenrechten auf Zugang zur Information stehen inzwischen nämlich zusätzliche Themen wie etwa die Sicherheit in den Netzen auf der Agenda. WSIS-Präsident Samassekou listet in seinem Entwurf neben dem Schutz grundsätzlicher Rechte und neuen Modellen des Private-Public-Partnership auch eine "internationale Konvention zu Sicherheit von Information und Kommunikation in den Netzen" auf. Der ITU-Generalsekretär bestritt allerdings, dass es darum gehe, Polizei im Netz zu spielen.

Zum World Summit on the Information Society siehe auch:

(Monika Ermert) / (jk)