"Hogwarts Legacy": Hass, Häme und Boykottaufrufe​

"Hogwarts Legacy" ist eines der wichtigsten Spiele des Jahres. Doch im Mittelpunkt steht die Diskussion über die "Harry Potter"-Autorin J. K. Rowling.

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Von
  • Andreas Müller
Inhaltsverzeichnis

In dieser Woche erscheint mit "Hogwarts Legacy" das erste große Open-World-Rollenspiel im "Harry Potter"-Universum. Die Trailer wurden millionenfach angeklickt, zeitweise war es das meistgewünschte Spiel auf Steam und die Vorverkäufe deuten auf einen Millionenhit hin. Auch die ersten Reviews sind positiv. Doch mittlerweile gibt es auch zahlreiche Boykottaufrufe. Der Grund: "Harry Potter"-Autorin Joanne K. Rowling und Äußerungen, die von vielen als transfeindlich aufgefasst wurden.

Seit rund fünf Jahren fällt Joanne K. Rowling durch Kommentare auf, die in der trans Community als feindlich angesehen werden. Waren es zunächst nur Sympathiebekundungen für eine Freundin, der wegen angeblich transphober Kommentare gekündigt wurde, haben sich die Fronten inzwischen verhärtet. In Tweets und einem Blogeintrag machte Rowling sich über trans Menschen lustig. Sie befürchtet, dass labile Jugendliche zu schnell als trans anerkannt werden und vertritt Thesen wie die der "Rapid-onset gender Dysphoria", kurz ROGD. Laut dieser These ist Transsexualität nur ein Trend, der nach der US-amerikanischen Psychologin Lisa Littman auf "soziale Ansteckung", einer Art Gruppenzwang, zurückzuführen ist. Alle diese Behauptungen sind unter Experten und Expertinnen heftig umstritten.

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Auch in die Politik mischt sich die Autorin ein. So trug sie im vergangenen Jahr ein T-Shirt, auf dem sie die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon als "Zerstörerin von Frauenrechten" bezeichnete, weil diese sich für Gesetzeserleichterungen für trans Personen einsetzte. Außerdem teilte sie einen Artikel der Zeitung The Times, in der von Hunderten von transgender Sexualstraftätern die Rede war. Die Behauptung erwies sich falsch und die Zeitung musste den Artikel korrigieren. In der trans Community hat Joanne K. Rowling deshalb einen desaströsen Ruf – kein Wunder, zählen doch trans Personen laut einem Bericht der UN zu den am meisten diskriminierten Menschen überhaupt.

Nun ist die Diskussion mit "Hogwarts Legacy" in der Videospielwelt angekommen. Zahlreiche Artikel im In- und Ausland beschäftigen sich mit Rowlings Aussagen und der Frage, ob die Fans mit dem Kauf des Spiels die transfeindliche Agenda der Autorin unterstützen. Kurz, kann und soll man das Werk von der Urheberin trennen? Tatsache ist: Joanne K. Rowling hat laut Entwicklungsstudio Avalanche nur einen geringen Anteil am Spiel. Unabhängig davon wird sie mit Sicherheit vom Spiel finanziell profitieren. Ob sie eine einmalige Zahlung bereits erhalten hat oder erst an den Verkäufen durch Tantiemen verdient, ist unklar. Ohnehin dürften das für die Autorin bei einem geschätzten Vermögen von mehreren hundert Millionen Dollar nur "Peanuts" sein. Es geht aber schon längst nicht mehr um das Geld. Es geht um die moralische und ethische Verantwortung der Branche.

Dazu kommt, dass das Entwicklungsstudio sich unabhängig der Kontroverse um die Autorin mit eigenen Vorwürfen herumschlagen muss. Der ehemalige Chef-Designer Troy Leavitt fiel durch seine Nähe zur rechtskonservativen Gamergate-Bewegung und durch Sexismus-Vorwürfe gegen ihn auf. Am Ende musste er seinen Posten räumen – er bestreitet, dass die Vorwürfe der Grund waren. Dazu kommt im Spiel die Darstellung der Goblins, die starke Ähnlichkeit mit Abbildungen und Klischees in antisemitischer Propaganda haben sollen. Diese Ansätze wurden schon in den Büchern und Filmen gesehen.

Wie in der Videospielewelt üblich, heizt die Kontroverse die Gemüter auf. Das Forum ResetEra hat sämtliche Diskussionen über das Thema aus ihren Foren verbannt. Populäre Streamerinnen wie "Shurjoka" rufen zum Boykott des Spiels auf. Anderen wie "Gronkh" sind die Aussagen der Autorin egal. "HasanAbi", einer er weltgrößten Twitch-Streamer, wählt einen anderen Ansatz: Er will das Spiel streamen, aber gleichzeitig eine Pro-Trans-Spendenaktion starten. Auch das gefiel nicht allen Fans.

Joanne K. Rowling berichtet indessen von Morddrohungen und anderen Einschüchterungskampagnen. Ungeachtet der Proteste und Boykottaufrufe beruft sie sich auf ihr Recht zur freien Meinungsäußerung. Dennoch gießt auch sie weiter Öl ins Feuer. In einem Tweet schreibt sie, dass bei einem Blick auf ihre Tantiemen-Einnahmen "der Schmerz schnell vergeht". Deeskalation geht anders. Was bleibt, ist eine von Hass und Unwahrheiten geprägte Diskussion, die das Harry Potter"-Universum endgültig zu entzaubern scheint.

"Hogwarts Legacy" erscheint am 10. Februar für PC, PS5 und Xbox Series X/S, eine Early-Access-Fassung ist seit dem 7. Februar spielbar. Die Kontroverse dürfte sich noch über Wochen ziehen.

(dahe)