Sächsische Polizei testet "fliegendes Auge" für die Beweissicherung [Update]

Die sächsische Landespolizei hat am heutigen Freitag mit dem Test des "SensoCopter" begonnen, einem 65.000 Euro teuren Quadcopter, der aus einer Höhe von etwa 50 Metern die Beweissicherung am Boden unterstützen soll und dabei kaum auszumachen ist.

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Von
  • Detlef Borchers

Sächsische Polizei testet (4 Bilder)

Der Sensocopter wartet auf Helicopter und Minister.

Die sächsische Landespolizei hat am heutigen Freitag mit dem Test eines Quadcopters begonnen, der aus einer Höhe von etwa 50 Metern die Beweissicherung am Boden unterstützen soll. Das von der Kreuztaler Firma Microdrones gelieferte 65.000 Euro teure Gerät wird in Sachsen "SensoCopter" genannt. Es soll ein Jahr lang in wechselnden Ausstattungsvarianten (Videokamera, hochauflösende Fotokamera und andere Geräte) unter verschiedenen Einsatzbedingungen getestet werden. Bewährt sich das System bei der Erstellung von Lagebildern in Echtzeit und vor allem bei der Identifizierung von Fußball-Hooligans, will der Freistaat weitere Exemplare der nahezu lautlos (unter 63 dBA) fliegenden Geräte ordern.

Quadcopter, auch Überwachungsdrohnen, "Unmanned Aerial Vehicle" (UAV), Luftnägel oder "fliegende Augen" genannt, sind en vogue. Hacker spielen mit selbstgebauten Modellen herum, die Sicherheitsforscher nutzen sie zur Vorfeldaufklärung. Nach einer Anfrage der Bundestagsabgeordneten Gisela Piltz (FDP) gab das Bundesinnenministerium bekannt, dass die Bundespolizei bereits zwei Quadcopter testet. Nun startet die Landespolizei Sachsen ihren SensoCopter-Feldversuch. Bereits auf dem europäischen Polizeikongress hatte der sächsische Innenminister Alfred Buttolo in der Runde erklärt, dass Sachsen mehr Probleme mit Fußball-Hooligans denn mit seinen Landesgrenzen habe. Zum Start des Feldversuchs wurde darum in der Lokalpresse der sächsische Landespolizeipräsident Bernd Mebitz zitiert, der den Hooligans bestens dokumentiert auf der Spur bleiben will: "Unbekannte Gewalttäter werden wir auf Litfaßsäulen heften."

Während sich der SensorCopter vor der zahlreich erschienenen Presse in den kalten Februarhimmel schraubte, wurde eine Erklärung von Innenminister Buttolo verteilt, der auf dem benachbarten Flughafen Dresden festsaß und auf seinen Hubschrauber warten musste: "Der Bürger erwartet vom demokratischen Rechtsstaat selbstverständlich eine wirksame Verfolgung und Ahndung von Straftätern. Voraussetzung dafür ist eine ordentliche Beweisführung." In Abwesenheit des Ministers übernahm Jürgen Scherf, Pressesprecher der Landespolizeidirektion die Erklärung des Systems: "Niemand muss Angst haben, dass dieses Gerät durch die Straßen fliegt und in seine Fenster schaut. Es untersteht direkt dem Einsatzführer und wird nur zur Beweissicherung benutzt. Es ist eine fliegende Dokumentationskamera, die die Arbeit der Kollegen vor Ort unterstützt, mehr nicht."

Während Scherf aus "einsatztaktischen Gründen" keine technischen Details nennen wollte, waren die Techniker der Lieferfirma Microdrones aufgeschlossener. Sie zeigten Bilder der herkömmlichen Videokamera in PAL-Auflösung, aber auch solche, die zuvor mit einer 10-Megapixel-Kamera aufgenommen wurden. Aus 50 Metern Höhe waren die Gesichter des auf den Minister wartenden Trüppchens von Journalisten und Polizisten gestochen scharf zu sehen. Auch Kfz-Kennzeichen konnten identifiziert werden. "Mauersteingenau" nannte Thorsten Kanand von Microdrones das Auflösungsvermögen, während unter den Journalisten Diskussionen darüber begannen, ob Hooligans die Drohne beschädigen könnten. "Das schafft kein Hool – und wenn, dann hat er eine Waffe benutzt, die ihm gleich eine Verhaftung einbringen könnte", war die Antwort. Ob das stimmt, dürfte bald die Praxis zeigen: Neben dem Test der sächsischen Landespolizei soll eine größere Zahl von fliegenden Augen dabei helfen, dass die Fußball-EM 2008 in der Schweiz und Österreich ein friedliches Fest bleibt.

Bedenken der Datenschützer kamen bei der Vorführung in Dresden nicht zur Sprache. Sie monieren, dass die nahezu lautlosen Fluggeräte zu einer heimlichen Überwachung führen können und fordern, dass Quadcopter nur zur Verkehrsüberwachung oder bei konkreten Bedrohungslagen wie zum Beispiel einer Geiselnahme eingesetzt werden dürfen. Weit abseits des Polizeigeländes demonstrierte vor dem Zaun unterdessen eine kleine Gruppe von Autonomen gegen die "neue Qualität des Überwachungsstaates".

Update: Der in Sachsen zum Einsatz kommende Quadcopter MD4-200 (PDF-Datei) stammt aus der seit 2004 laufenden gemeinsamen Entwicklungsarbeit von Microdrones und Diehl BGT Defence. Auf dem Sicherheitsforschungstag 2007 in Karlsruhe wurde das Gerät mit VR-Steuerbrille als Aufklärungsdrohne für militärische Zwecke vorgestellt.

(Detlef Borchers) / (pmz)