Betrug mit chinesischem iPhone-Plagiat [Update]

Apples iPhone 3G begeistert viele, doch der Preis und die Zwangsehe mit T-Mobile schrecken so manchen ab. Ein "Geheimtipp" aus dem Internet verspricht Abhilfe: Nur knapp 220 Euro soll Apples Kult-Telefon kosten.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Georg Schnurer

Sicher ohne Apples Segen: Ein "iPhone 3G" ohne Vertragsbingung und Simlock für unter 220 Euro.

Ach ja, schick und "trendy" ist es schon, so ein iPhone 3G. Doch gibt es das Kulthandy in Deutschland nun mal nicht ohne die Bindung an T-Mobile. Schick, aber unterm Strich zu teuer, so lautet das Fazit vieler Interessenten. Abhilfe verspricht ein "Geheimtipp", der seit einiger Zeit durch diverse Foren und Chat-Räume geistert: Da soll es im Internet einen Händler geben, der das neue iPhone 3G mit 16 GByte Speicher für knapp 265 US-Dollar anbietet – ganz ohne SimLock und Vertragsbindung, einfach so als Kauf-Handy.

Der Name der Webseite lautet wlx166.com und sie gehört der "Willison (HK) Corporation Limited" mit Sitz in der außerhalb von Hong Kong gelegenen chinesischen Sonderwirtschaftszone Shenzhen. Das Unternehmen präsentiert sich stolz als Hightech-Produzent mit modernen Fertigungsanlagen für Mobiltelefone aller Art. Ein Auszug aus dem chinesischen Handelsregister und die zugehörige Firmenanmeldung sollen Vertrauen bei potenziellen Käufern schaffen. Daneben gibt es ein geradezu überwältigendes Angebot verschiedenster Mobiltelefone: Egal, ob es nun um Geräte von Nokia, Siemens, Samsung, Motorola, Sony Ericsson, Panasonic, Sagem oder LG geht, alles kann die vermeintliche Hightech-Schmiede liefern.

Im lockeren Chat wird zunächst Vertrauen aufgebaut - der Reinfall kommt dann später.

Das iPhone 3G findet man erst nach gezielter Suche: "Apple iPhone 3G Black (16GB)" lautet die Bestellbezeichnung. Wer sich an einem Kauf interessiert zeigt, wird zunächst persönlich umsorgt: Unseren Lockvogel umgarnte die vorgeblich 23-jährige "Sophie". Bevor es um Geld geht, plauderte man erst einmal übers Wetter, über Arbeitszeiten in China und Europa, die Olympischen Spiele und über "prüde Amerikaner".

Natürlich behielt "Sophie" auch das Geschäft im Auge: Das iPhone 3G mit 16 GByte Speicher soll 215 US-Dollar kosten, zuzüglich 30 US-Dollar Versandkosten und 20 US-Dollar für Zollgebühren. Alles in allem kostet das SimLock-freie iPhone 3G also 265 US-Dollar. Die Bezahlung wünscht sich "Sophie" zunächst per Western Union. Wer sich darauf nicht einlässt, erhält letztlich doch IBAN und den Swift-Code für eine Überweisung auf ein "richtiges" Bankkonto. Unsere Bank rechnet zum Tageskurs ab und bucht knapp 220 Euro ab.

Zahltag

"Unser" iPhone geht am 22. September auf die Reise nach Deutschland. Man versorgt uns sogar mit einer gültigen Tracking-Nummer, mit der wir den Weg des vermeintlichen Schnäppchens verfolgen können. Als das Objekt der Begierde nach knapp zwei Wochen ankommt, deutet sich der Ärger schon an: Zwar steckt das Telefon in einem Karton im typischen iPhone-Design, doch an den Seiten findet sie nur den Schriftzug "Phone", im Vergleich zum echten Gerät fehlen "i" und "3G". In der im Vergleich zum Original deutlich größeren Kiste steckt dann auch kein "iPhone 3G", das wird auf den ersten Blick klar. Bestenfalls handelt es sich um ein "altes" iPhone ohne UMTS: Die Geräterückseite ist nämlich nicht halbrund und schwarz, sondern flach und silbern.

iPhone-Fälschung (15 Bilder)

Die Lieferung

Das "iPhone 3G" wird tatsächlich geliefert.

Im Labor nehmen wir das vermeintliche "iPhone 3G" dann näher in Augenschein. Das gelieferte Gerät hat nur auf den ersten Blick Ähnlichkeiten mit dem "alten" iPhone. So stimmt zwar die Gehäusegröße, doch schon das im Plagiat verbaute Display ist mit 3,2 Zoll kleiner als beim Original (3,5 Zoll). Der Touchscreen funktioniert zwar, doch handelt es sich nicht um ein kapazitives Modell, sondern einen klassischen, auf Stiftbedienung ausgelegten Touchscreen. Es verwundert also überhaupt nicht, dass es bei der Fälschung kein "Multitouch" gibt. Immerhin hat das Gerät einen Lagesensor und kann das Display in einigen Anwendungen drehen. Der typische iPhone-Sound fehlt dem kleinen Chinesen allerdings.

Weitere äußerliche Unterschiede finden sich an der Geräterückseite, bei den Bedienelementen und den Anschlüssen. So fehlt die Klinkenbuchse, um einen eigenen Kopfhörer anschließen zu können. Auch beim "Docking-Anschluss" geht das Gerät aus China eigene Wege. Zudem fehlt der Lautstärkeregler an der linken Seite und auch einen mechanischen "Stumm"-Schalter sucht man vergeblich.

Bei den "inneren Werten" gibt es naturgemäß die größten Abweichungen vom Original. Das Plagiat kommt ohne UMTS als schlichtes, langsames GPRS-Telefon daher, das nicht mal den Transferbeschleuniger EDGE bietet. Dafür lässt es sich – anders als das Original – via Bluetooth als Funkmodem verwenden. Spaß macht das aber kaum, denn das Gerät erreicht nur eine maximale Datenrate von 56 kBit/s.

Der versprochene "16 GByte"-Speicher entpuppt sich als gerade einmal 1 GByte große microSD-Karte. Hinzu kommt noch ein knapp 1 MByte "kleiner" interner Hauptspeicher. Via Speicherkarte lässt sich das Gerät auf maximal 2 GByte erweitern, da es moderne microSDHC-Karten nicht unterstützt. Auch die verbaute Kamera kann dem Original nicht das Wasser reichen: Sie arbeitet gerade einmal mit VGA-Auflösung und liefert zudem noch unscharfe, rotstichige Bilder. Doch zeichnet das chinesische iPhone anders als das Original auch Videos auf. Doch die sind ruckelig und werden noch dazu in einem kaum brauchbaren Format (MJPEG-Code im AVI-Container, 176×144 Pixel) aufgezeichnet. Der MP3-Player und das integrierte UKW-Radio liefern lausigen Sound. Immerhin kann man – anders als beim Apple-Original – einen Bluetooth-Stereo-Kopfhörer nutzen.

Die Software auf dem Falschspieler hat nur auf den ersten Blick etwas mit dem iPhone zu tun. Sobald man das Hauptmenü verlässt, ist es futsch, das Apple-Feeling. Besonders deutlich wird das beim Surfen im Internet – oder besser, bei den Surfversuchen: Der integrierte Browser ist unbrauchbar und beklagt sich bei fast jeder Webseite über zu wenig Hauptspeicher. Nur im nicht mehr zeitgemäßen WAP-Modus eignet sich das Gerät für Ausflüge ins Internet.

Es gibt allerdings auch Punkte, bei denen das Plagiat "besser" abschneidet als das Original: So hat es einen wechselbaren Akku und der Hersteller liefert sogar einen Zweitakku mit. Zudem handelt es sich bei dem Telefon um ein "Dual-SIM-Modell", man kann es also parallel mit zwei Rufnummern unterschiedlicher Provider verwenden. Die Sprachqualität beim Telefonieren ist allerdings nur mäßig.

Rechtslage

Wer solch ein eher schlecht geratenes Plagiat für knapp 220 Euro erworben, hat kaum Hoffnung, vom Betrüger in China ein Originalgerät zu erhalten oder auch das Geld erstattet zu bekommen. Zwar könnte – und sollte – man Anzeige bei der Polizei erstatten, viel bringen wird das aber wohl nicht.

Was also tun, mit dem Falschspieler? Theoretisch könnte man das Gerät als normales Mobiltelefon verwenden – die private Nutzung solch einer Fälschung ist grundsätzlich nicht strafbar. Beim "Import" lauern allerdings einige Fallen: Wenn der Zoll das Plagiat in die Hände bekommt, wird es in der Regel eingezogen und mit etwas Pech muss der Käufer auch noch die Kosten für die Vernichtung des Geräts übernehmen. Wer auf die Idee kommt, den "Fehlkauf" einfach weiter zu verkaufen, bekommt richtig Ärger, da er dann "gewerblich" handelt.

...und "Sophie"?

Als sich unser Testkäufer nach der Lieferung des Plagiats erbost an "Sophie" wendet und um Aufklärung bittet, reagiert der Kontakt in China tatsächlich. "Sophie" räumt nach einigem Hin- und Her letztlich ein, dass es sich bei dem gelieferten Gerät dann wohl doch nicht – wie vorher stets beteuert – um ein Originalgerät von Apple handelt. Am 13. Oktober folgt dann der letzte Kontakt mit "Sophie". Sie zeigt sich tief bestürzt über das Verhalten ihrer Firma. Sie redet sogar davon, den Job zu kündigen. Das alles täte ihr furchtbar leid – "sorry". Ende der Kommunikation. Fortan ist "Sophie" verschwunden, wir bleiben ernüchtert mit unserem "iPhone-look-alike" aus China zurück.

[Update]
Unser Bericht über die Aktivitäten der "Willison (HK) Corporation Limited" scheint in China für leichte Bewegung gesorgt zu haben. Das Unternehmen verschwindet zur Zeit offensichtlich schrittweise aus dem Internet. Die Startseite ist bereits nicht mehr erreichbar, einige Deep-Links auf die Seite funktionieren allerdings noch. Wir haben uns deshalb dazu entschlossen, die Bilderstrecke zu diesem Beitrag um drei Scheenshots zu ergänzen: Die Eigenwerbung der Firma aka "About Us", in der das Unternehmen stolz die eigenen Fertigungsanlagen präsentiert. Die beiden vormals unter "Honor" zu findenden "offiziellen" Dokumente finden sich jetzt ebenfalls in der Bilderstrecke. (gs)