Nokia auf dem steinigen Weg zum Internetdienste-Anbieter

Nokia will sich vom Gerätehersteller zum Diensteanbieter wandeln. Die bisher dominanten Marktanteile kommen unter Druck, dennoch sieht sich der finnische Anbieter in der Offensive.

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Aus dem größten Handy-Hersteller soll der größte Service-Anbieter werden. Seine Vision für die Zukunft des Mobilfunkriesen stellte Nokia-Chef Olli-Pekka Kallasvuo am heutigen Mittwoch auf der von 1800 Teilnehmern besuchten Nokia World 09 in Stuttgart vor. Die Umgestaltung eines so großen Konzerns sei schwierig, aber auf einem guten Weg, sagte Kallasvuo. 55 Millionen aktive Benutzer zählt Nokia auf dem OVI-Portal, das damit die größte Plattform für mobile Geräte sei. Bis 2012 sollen sich dort 300 Millionen tummeln.

Doch dann geht es erstmal wieder um die Smartphones. Das N97-Flaggschiff verkaufe sich schneller als sein Vorgänger N95, sagte Kallasvuo. Zusammen mit dem 5800 habe das Unternehmen zehn Millionen Geräte in zehn Monaten abgesetzt, die Hälfte davon in den letzten drei Monaten. Ein wenig später relativiert Nokia-Chefstratege Anssi Vanjoki diese Zahlen etwas, als er die Anzahl der abgesetzten N97-Geräte mit zwei Millionen ansetzt.

Nokia wird in Zukunft drei Klassen von Geräte herstellen: einfache Telefone, Smartphones und mobile Computer. Unter Smartphones verstehen die Finnen dabei vor allem S60-Geräte, während mobile Computer nach aktueller Diktion sowohl Maemo-Geräte wie das neue N900 als auch Windows-Netbooks wie das Booklet 3G sind. Die Abgrenzung zwischen N900 und etwa einen N97 fällt dabei schwer. Nokia positioniert beide Lösungen für Kunden die stets mit dem Internet verbunden sein wollen und sich in sozialen Netzwerken bewegen.

Einen weiteren Schritt in diese Richtung unternimmt das Unternehmen mit dem N97 Mini, das im Oktober herauskommen soll. Gleichzeitig wird auch die Software des N97 auf die Version 2.0 aktualisiert und erhält damit vor allem eine Integration des OVI Lifecasting mit Facebook. Direkt vom Startbildschirm aus kann der Nutzer Statusinformationen zu Facebook schicken und diese mit Bildern und der eigenen Aufenthaltsort anreichern. In Facebook wird diese Position dann über eine OVI-Map visualisiert.

So-Lo (Social Location) nennt Nokia diese Anwendung und sieht darin einen wesentlichen Trend in der Nutzung mobiler Geräte. Ortsabhängige Dienste sollen hier eine Verknüpfung mit den Aktivitäten des Freundeskreises eingehen. Bei aller Euphorie, die Nokia hier an den Tag legt, stellt sich die Frage, ob das Unternehmen in der Lage sein wird, über diese Dienste auch Umsatz zu generieren. Die Kooperation mit Facebook zeigt jedenfalls, dass es nicht gelungen ist, einen eigenen Dienst in dieser Form zu etablieren.

Von allen in Stuttgart vorgestellten Geräten macht das N900 den innovativsten Eindruck. Drei verschiedene Desktop-Ansichten zeigen eine personalisierte Oberfläche, eine Ansammlung der Programm-Icons, sowie eine Fensterübersicht über alle aktuell laufenden Programme, wobei der gesamte Bildschirm in einer Breite von 800 Pixeln nutzbar bleibt. Erst wenn man die Display-Oberfläche berührt, blenden sich Bedienelemente ein. Mit dem Browser ist man nicht auf besonders angepasste Webseiten angewiesen. Mit einer kreisenden Bewegung des Fingers lässt sich die Darstellung zoomen. Alternativ vergrössert sich die Ansicht auf die aktuelle Spalte, wenn man doppelt auf den Bildschirm tippt.

Unser Testgerät hatte laufende Verbindungen zu Microsoft Exchange, Google Mail und Skype. Über das Adressbuch sind die Kontaktinformationen zu diesen verschieden Anwendungen zusammenfasst. Auch in der Telefonanwendung vereinigen sich normale GSM-Telefonie, Googe Talk, Skype und SIP-Telefonie. Besonders interessant ist das Gerät aber vor allem durch seine Offenheit. Anders als bei iPhone, Android oder Symbian hat der Anwender die vollständige Kontrolle über das N900 bis zu einer Root Shell. Spannend dürfte deshalb vor allem sein, welcher Mobilfunkanbieter sich an diese Plattform herantraut. (vowe)