Grüner bauen oder grüner fahren?

Eine US-Studie kommt zu einem Ergebnis, das bisherigen stadtplanerischen Ansätzen zum Klimaschutz widerspricht: Dichter bebaute Städte können bis 2050 nur wenig zum Klimaschutz beitragen.

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Von
  • Phil McKenna

Das Ausfransen der städtischen Ballungsräume gilt als eine der Klimasünden der modernen Industriegesellschaften. Denn der Verkehr der Berufspendler verursacht beträchtliche CO2-Emissionen. Das gilt besonders für US-Metropolen, die in der Mitte in Hochhäusern verdichtet sind, drumherum aber flache Stadtlandschaften bilden. Dagegen hilft nur, die Städte wieder kompakter zu machen und dadurch Verkehr zu reduzieren – dachte man bislang.

Eine Studie der National Academy of Sciences (NAS) der USA kommt nun zu einem anderen Ergebnis: Kompaktere Städte können bis 2050 nur wenig zum Klimaschutz beitragen. Stadtplaner sollten lieber auf sparsamere Verkehrsmittel, Investitionen in Erneuerbare Energien und Emissionshandel setzen, empfiehlt die Studie stattdessen.

Selbst wenn 75 Prozent aller Neubauten in den USA – neben China der größte CO2-Emittent der Welt – doppelt so dicht errichtet würden wie bisher und deren Bewohner 25 Prozent weniger autofahren würden, wäre der Effekt nicht groß: Der CO2-Ausstoß würde sich bis 2050 um acht bis elf Prozent verringern. Würden nur 25 Prozent aller Neubauten verdichtet und die Bewohner 12 Prozent weniger fahren, sänke die Reduktionswirkung auf zwei Prozent.

Eine Ausnahme unter den US-Ballungsräumen ist Portland im US-Bundesstaat Oregon. Dort fährt man rund 27 Kilometer weniger als im Landesdurchschnitt. Grund sind Beschränkungen für das Wachstum der Stadt und ein S-Bahn-System, die Mitte der siebziger Jahre in Angriff genommen. Inspiriert vom „grünen“ Bundesstaat Oregon, erließ Kalifornien im vergangenen Jahr Gesetze, die die Stadtlandschaften und den Pendlerverkehr eindämmen sollen. Damit will der Bundesstaat bis 2020 drei Prozent weniger CO2 ausstoßen.

Anthony Downs von der Brookings Institution, einer der Autoren der Studie, bezweifelt jedoch, dass eine Nachverdichtung von Städten im größeren Stil überhaupt möglich ist. „Die Häuserdichte hat in den USA in den letzten 30 Jahren gar nicht mehr zugenommen.“ Die Zielmarke von 75 Prozent dichter gesetzter Neubauten findet Downs deshalb völlig unrealistisch. 25 Prozent seien vielleicht zu schaffen. Und Portland, sagt Downs, sei ohnehin kein Maßstab. „Portland ist nur eine von 350 Metropolregionen in den USA.“

Zudem sei der Widerstand der Hausbesitzer sicher, sollten landesweit die Bebauungszonen neu konzipiert werden. „Man würde mit einem Riesenaufwand wenig erreichen.“ Wer vor allem den Kraftstoffverbrauch im Blick habe, solle lieber auf die Verbesserung von Autos setzen.

Der Autoverkehr verursacht in den USA, wohl dem Autofahrerland schlechthin, knapp ein Fünftel der nicht-natürlichen CO2-Emissionen. „Den durchschnittlichen Flottenverbrauch zu senken, wird ein größeres Ding sein“, meint auch Henry Jacoby, Managementforscher am MIT, der sich vor allem mit Energieverbrauch und Klimawandel befasst. „Kompaktere Städte mögen das Autofahren um 25 Prozent senken. Wir sollten aber lieber über die anderen 75 Prozent nachdenken.“

Einige Maßnahmen seien bereits beschlossen: etwa Subventionen für sauberer verbrennende Biokraftstoffe und Hybrid-Autos, Effizienz-Kontrollen bei Neufahrzeugen und höhere Anforderungen an den Durchschnittsverbrauch der Modelle eines Autoherstellers (in den USA als CAFE für „Corporate Average Fuel Economy“ bezeichnet). All das werde die Emissionen viel stärker verringern. „Allein die jüngsten Verschärfungen bei CAFE haben einen größeren Effekt als eine Stadtverdichtung bis 2050“, sagt Jacoby.

In einem Anhang der NAS-Studie findet sich ein weiteres Rechenbeispiel: Würde man sämtliche Autos auf amerikanischen Straßen um 0,1 Prozent leichter machen, wäre der CO2-Einspareffekt zehnmal größer, als wenn 0.1 Prozent aller Neubauten auf engerem Raum errichtet würden. Kara Kockelman, Bauingenieurin an der Universität von Texas in Austin und Hauptautorin der Studie, verweist außerdem darauf, dass eine Ausweitung des öffentlichen Nahverkehrs im Zuge einer kompakteren Stadtentwicklung unter dem Strich die CO2-Emissionen sogar erhöhen könnte. „Wenn Sie einem bestehenden Bussystem ein paar neue Passagiere hinzufügen, ist das eine gute Idee. Aber wenn Sie das Busnetz verdoppeln müssen, ist das hinsichtlich der CO2-Emissionen schlecht“, sagt Kockelman. „Wenn Sie stattdessen die heute genutzten Autos voll besetzen und zugleich die Kraftstoffeffizienz verdoppeln, können Sie, auch bei einem SUV, viel größere CO2-Einsparungen bekommen.“ (nbo)