Kernel-Log: Extrarunde für 2.6.31, X.org 7.5 im Anmarsch, Aufräumen im Staging-Zweig

Linus Torvalds will 2.6.31 einige Tage später als zuvor angekündigt veröffentlichen. Nach Verzögerungen nimmt die Entwicklung von X.org 7.5 nun mächtig Fahrt auf. Greg Kroah-Hartman will im Staging-Bereich ordentlich aufräumen.

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Von
  • Thorsten Leemhuis
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Die Betreuer der Linux-Stable-Series haben die Versionen 2.6.27.32 und 2.6.30.6 in Vorbereitung. Die Zeit zum Einreichen von Kommentaren ist bereits am Sonntagabend ausgelaufen, daher dürften die beiden neuen Versionen in Kürze erscheinen. Wie üblich korrigieren sie einige Fehler und bringen zahlreiche, vorwiegend kleinere Verbesserungen.

Bei der Freigabe des RC8 von Linux 2.6.31 hatte Linus Torvalds angedeutet, 2.6.31 nach seinem Tauchurlaub zum diesjährigen Labor Day, der dieses Jahr auf den 7. September fällt, freizugeben. Während seiner Abwesenheit haben jedoch noch zahlreiche Subsystem-Maintainer Korrekturen eingesandt, sodass er sich entschloss, noch einen RC9 einzuschieben. Der solle jetzt noch einige Tage sieden, bevor Torvalds die nächste Version des Hauptentwicklungszweig freigeben will. Die Liste mit bekannten Fehlern, die 2.6.30 nicht hatte, umfasste am Wochenende noch 27 ungelöste Probleme. Ebensoviele offene Einträge umfasst auch die Liste der zwischen 2.6.29 und 2.6.30 eingeschleppten Fehler.

Der unter anderem durch seine Arbeit an der Realtime-Unterstützung für Linux bekannten deutsche Kernel-Entwickler Thomas Gleixner von Linutronix hat indes angekündigt, 2.6.31-rt innerhalb von 24 Stunden nach der Freigabe von Linux 2.6.31 veröffentlichen zu wollen. Gleixner wird auf dem zweiten Tag des Ende des Monats in Dresden stattfindenden Real Time Linux Workshops die Eröffnungsrede halten; im Anschluss wird Jonathan Corbet von LWN.net seinen bekannten "Kernel Report" halten.

Greg Kroah-Hartman hat in einer Mail an die LKML einen Überblick über den Status zahlreicher Treiber im Staging-Zweig und die für 2.6.32 vorgesehene Änderungen gegeben. Mit rt3090 soll dort unter anderem ein weitere Treiber für WLAN-Hardware von Realtek einfließen; auch für WLAN-Chipsätze von Realtek und VIA sollen neue Treiber in den bei Linux 2.6.28 in den Hauptentwicklungszweig aufgenommen Staging-Zweig einfließen. Er dient als zentraler Platz, um Treiber zu verbessern, die den Qualitätsansprüchen der Kernel-Entwickler nicht genügen – der Kernel wird daher beim Laden solcher Treiber als "TAINT_CRAP" ("Beschmutzt mit Mist") markiert.

Der Verwalter des Staging-Zweigs hat allerdings angekündigt, einige Treiber rauszuschmeißen, da sich niemand um deren Code kümmert – der Treiber EPL (Ethernet Power Link) solle daher bei 2.6.32 rausfliegen. Kroah-Hartman betont in dem Zusammenhang ausdrücklich, dass der Staging-Bereich keine Müllhalde für ungewarteten, toten Code sei ("First off, drivers/staging/ is NOT a dumping ground for dead code. If no one steps up to maintain and work to get the code merged into the main portion of the kernel, the drivers will be removed.").

Zahlreiche andere Treiber könnte über kurz oder lang ein ähnliches Schicksal ereilen. So erwägt Kroah-Hartman derzeit, die zur Aufnahme bei 2.6.32 vorgesehen Hyper-V-Treiber schon bei 2.6.33 wieder rauszuwerfen, da die Microsoft-Entwickler nach zahlreichen Änderungen plötzlich verschwunden seien und nicht mal auf E-Mails antworten. Schlecht scheint es auch um die vielen Distributionen in der Vergangenheit beiliegenden Treibern des Frameworks wlan-ng zu stehen. Die von ihnen unterstützte Hardware war früher bei Linux-Anwendern recht beliebt, die Treiber haben es jedoch nie in den Hauptentwicklungszweig von Linux geschafft – bei so manchen aktuellen Distributionen fehlen sie daher.

Con Kolivas hat den speziell auf Desktop-Systeme abgestimmten Prozess-Scheduler BFS (Brain Fuck Scheduler) vorgestellt. Kolivas hat sich schon früher mit Schedulern beschäftigt, sich Ende 2007 aber öffentlichkeitswirksam aus der Kernel-Entwicklung zurückgezogen, nachdem statt seines Staircase-CPU-Schedulers der Completely Fair Scheduler (CFS) in den Kernel aufgenommen wurde, der einige Ideen des Staircase-CPU-Schedulers verwendet.

Seit dem Aufkommen von CFS haben zahlreiche Entwickler diesen verbessert diesen und ihn für die unterschiedlichen Systeme und Einsatzgebiete optimiert. Der CFS-Hauptentwickler Ingo Molnar hat sich BFS näher angesehen und einige Benchmarks durchgeführt, die keine wesentlichen Vorteile für BFS zeigen konnten – Kolivas ist mit der Auswahl der Benchmarks, dem Testsystem und einigen anderen Aspekten von Molnars Herangehensweise aber überaus unzufrieden.

Eine Aufnahme von BFS in den Hauptentwicklungszweig von Linux scheint nach derzeitigem Stand sehr unwahrscheinlich, denn Torvalds hatte bereits in der in der Vergangenheit klargemacht, nicht mehrere Scheduler pflegen zu wollen; auch Linux-Distributoren sind erfahrungsgemäß eher interessiert daran, dass ein einzelnes Kernel-Image auf einem breiten Spektrum an Systemen optimale Performance erzielt, ohne dass eine spezielle Konfiguration nötig ist. Möglicherweise verbessern die CFS-Entwickler ihren Scheduler jedoch in den Bereichen, in denen BFS besser arbeitet – den Anwender dürfte das freuen.

  • Peter Hutterer hat eine Vorabversion des Touchpad-Treibers Synaptics 1.2 freigegeben. Sie bringt einige Verbesserungen wie "Synaptics Capabilities", "Synaptics Area" und "Synaptics Gestures". Die Konfigurationsmöglichkeit via SHM (Shared Memory) wurde allerdings entfernt – es stehen mittlerweile bessere und sichere Methoden zur Konfiguration im laufenden Betrieb zur Verfügung.
  • Nach den kürzlich erwähnten Verzögerungen bei der Entwicklung von X.org 7.5 und dem zugehörigen X-Server 1.7 hat deren Entwicklung nun an Fahrt aufgenommen. Nach dem jüngsten Zeitplan sollen die neuen Versionen kurz vor oder während der für Ende September geplanten X Developers' Conference (XDC) 2009 erscheinen; die Integration von XKB2 (X Keyboard Extension 2) haben die Entwickler allerdings auf den X-Server 1.8 vertagt. Zwischenzeitlich haben die X11-Hacker eine erste Vorabversion des X-Server 1.7 veröffentlicht; deren Freigabe-Mail listet einige der für die ("Depressed Dodo" genannte) Version geplanten Neuerungen.
  • Atheros-Entwickler Luis R. Rodriguez (mcgrof) hat die Einrichtung einer Homepage für die Atheros-Linux-WLAN-Treiber sowie zwei neue Treiberprojekte angekündigt; in letzteren soll Linux-Unterstützung für die Chips ar5523 und ar9271 entstehen.
  • Der auf das MM-Subsystem des Kernel spezialisierte Red-Hat-Entwickler Rik van Riel hat die Präsentationsfolien eines kürzlich auf dem Red-Hat-Summit gehaltenen Vortrags veröffentlicht. Dort gibt er Einblicke in die Arbeitsweise der Kernel-Entwicklung bei Red Hat und wie die Programmierer mit den Kernel-Hackern des Hauptentwicklungszweig von Linux interagieren.
  • KVM-Entwickler Avi Kivity teilt sich die Betreuung der KVM-Quellen des Kernels in Zukunft mit Marcelo Tosatti, der durch die Pflege der Kernel 2.4-Serie bekannt wurde.
  • Chris Wilson hat in den vergangenen Wochen zahlreiche Benchmark-Ergebnisse mit verschiedenen Grafiktreibern und unterschiedlichen Konfiguration in seinem Blog veröffentlicht.
  • Einige Angaben und Links in einem Blog-Eintrag von Harald Welte deuten darauf hin, dass sich Samsung System LSI in Zukunft aktiver um die Aufnahme der eigenen Erweiterungen und Verbesserungen für Linux in den Hauptentwicklungszweig des Kernels bemühen möchte.

Weitere Hintergründe und Informationen rund um Entwicklungen im Linux-Kernel und dessen Umfeld finden sich in den vorangegangen Ausgaben des Kernel-Logs auf heise open. (thl/heise open) (thl)