Gnome 44: Jetzt ganz ohne GTK3

Aufräumarbeiten sind die wesentlichen Neuerungen: Die Entwickler haben das Toolkit GTK3 sowie Treiber für OpenGL 2.1 aus dem Quellcode von Gnome 44 entfernt.

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SCreenshot vom Gnome44-Desktop

(Bild: Screenshot/David Wolski)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • David Wolski
Inhaltsverzeichnis

Exakt ein halbes Jahr nach Gnome 43 hat die Gnome-Foundation eine neue Version der freien Desktop-Umgebung vorgelegt. Auffällig war in diesem Entwicklungszyklus, dass viele signifikante Neuerungen eher spät hinzukamen: Die Alpha- und Beta-Versionen waren schon zur Tür hinaus, als der Compositor "Mutter" und die Gnome-Shell noch mal eine ganze Reihe an Patches erhielten: Die Gnome-Shell entfernt Rudimente von GTK3. Für Programme mit diesem Toolkit wird Gnome jetzt die entsprechenden Bibliotheken nachladen.

Das Menü für schnelle Zugriffe im Infobereich ist um eine ausklappende Liste bekannter Bluetooth-Geräte erweitert. Es räumt fensterlosen Hintergrundprogrammen ein neues Menü zur Übersicht ein. Der Compositor "Mutter", verantwortlich für die Ausgabe des Gnome-Desktops über die Grafiktreiber, wirft die Unterstützung für OpenGL 2.1 über Board. Das betrifft ältere Grafikchips und CPUs mit integrierter Grafikeinheit, die vor 2010 erschienen sind und kein OpenGL ES 2.0 unterstützen.

Gnome 44 kann Bilddaten im Clipboard direkt per Rechtsklick als PNG-Datei im Dateimanager speichern. Dies funktioniert für alle Rasterbildformate. Das Zielformat ist derzeit immer PNG und richtet sich nicht nach dem MIME-Format.

(Bild: Screenshot/David Wolski)

Der ausklappbare Gnome-Infobereich bietet Schnellzugriffe etwa auf die Liste der bereits einmal angemeldeten Bluetooth-Geräte.

(Bild: Screenshot/David Wolski)

Für Gnome 44 wären diese Prozessoren ohnehin ungeeignet, zudem können sich die Gnome-Entwickler ab jetzt Tests auf dieser alten x86-Hardware sparen. Die Release Notes zu Gnome 44 "FortyFour" präsentieren die wichtigsten Änderungen aus der Sicht des Gome-Teams im Detail. Die Desktop-Umgebung wird dem kommenden Fedora Linux 38 als primäre Oberfläche dienen und zumindest in Teilen in Ubuntu 23.04 enthalten sein, das am 21. April erscheinen soll.

Kaum eine Gnome-Version kommt ohne Verbesserungen für den Betrieb unter Wayland aus – eine Dauerbaustelle des Linux-Desktops. Gnome 44 liefert nun Unterstützung für eine gestückelte Skalierung der grafischen Elemente mit Wayland, das jetzt auch Schritte zwischen 100 und 200 Prozent erlaubt. Das ging zwar schon früher, jedoch nur über Umwege: Eine experimentelle Funktion zur Vergrößerung der Desktop-Elemente in Zwischenschritten setzte Gnome bislang selbst über den Compositor um.

Ubuntu 22.10 bot dafür schon die Option "Fraktionale Skalierung" an. Nur springen die Größen dabei auf den nächsten ganzen Faktor und Gnome selbst rechnete die Dimensionen dann wieder herunter, was zu Unschärfen und Darstellungsfehlern in Programmen führen konnte. Die jetzige Lösung erfolgt über das sauber umgesetzte Wayland-Protokoll "wp-surface-scale-v1", das auch schon in KDE Plasma 5.27 verfügbar ist und pixelgenau ohne Interpolation arbeitet.

Der ausklappbare Gnome-Infobereich bietet Schnellzugriffe etwa auf die Liste der bereits einmal angemeldeten Bluetooth-Geräte.

(Bild: Screenshot/David Wolski)

Die Gnome-Shell erweitert im ausklappenden Infobereich die zuletzt eingeführten Menüs für Schnellzugriffe um eine Liste der schon einmal angemeldeten Bluetooth-Geräte. Ein neues Menü gewährt hier außerdem ein wenig mehr Kontrolle über laufende Anwendungen im Hintergrund, die kein eigenes Programmfenster haben. Es dient auch als Ersatz für die Anwendungsindikatoren, die es in Gnome schon eine Weile nicht mehr gibt, oder nur über eine inoffizielle Erweiterung sichtbar waren. In den Einstellungen gibt es einen umgebauten Bereich zur Barrierefreiheit, in dem die wachsende Zahl der Optionen nicht mehr in einem langen Menü aufgereiht ist. Er hat eine eigene Kategorie bekommen.

Eine Änderung, die sich auch auf Datei-Auswahldialoge auswirkt, betrifft den Dateimanager ab Gnome 44: Eine Bildvorschau für bekannte Grafikformate ist jetzt auch im Dateibrowser vorhanden. Wer eine kleinteilige Ansicht bevorzugt, bekommt in den Einstellungen des Dateimanagers mit der Option "Ausklappbare Ordner in Listenansicht" eine erweiterbare Baumansicht, die viele Mausklicks sparen soll. Im Zusammenspiel mit der Zwischenablage der Gnome-Shell hat der Dateimanager einen neuen Trick gelernt: Bilddaten im Clipboard kann ein Rechtsklick in einem beschreibbaren Ordner über den Punkt "Einfügen" direkt in eine Grafikdatei im Format PNG schreiben.

Sichtbare Fortschritte hat auch Gnome Web gemacht, das sich als schlanker, erweiterbarer Webbrowser eine Nische erobern will. Die Entwickler haben die Prozesse für das Rendering von Webseiten und der Darstellung im Fenster getrennt und versprechen damit eine besonders samtiges Scrolling.

Zum Ausprobieren des neuen Gnome-Desktops kann aktuell das Live-System der Entwickler dienen, das jedoch nicht für den produktiven Einsatz gedacht ist. Auch die Fedora Linux 38 Beta zeigt schon Gnome, das hier in der Vorabversion Gnome 44RC vorliegt und von dem auch die hier gezeigten Bildschirmfotos stammen.

(dmk)