Anti-Aging: Alkohol-abbauendes Enzym könnte für längeres Leben sorgen

Forscher ließen Laborwürmer mehr Alkohol-Dehydrogenase-1 produzieren. Die Tiere lebten nicht nur um 50 Prozent länger, sondern blieben dabei auch länger gesund.

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(Bild: PopTika/Shutterstock)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler
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Ein Alkohol-abbauendes Enzym könnte ein Schlüssel zu einem längeren Leben und gesünderem Altern sein. Das berichten Forschende um Eyleen Jorgelina O’Rourke von der University of Virginia (UVA) im Fachjournal "Current Biology". Sie hatten bei Laborwürmern der Spezies Caenorhabditis elegans (C. elegans) dafür gesorgt, dass die Tiere mehr von der sogenannten Alkohol-Dehydrogenase-1 (ADH-1) produzieren. Die Würmer lebten nicht nur um 50 Prozent länger, sondern blieben dabei auch länger gesund.

ADH-1 baut im Körper verschiedene Alkohole ab. Es zerlegt nicht nur das Ethanol aus Bier und Wein, sondern auch das beim Fettabbau entstehende, giftige Glycerin. "Glycerin ist giftig für Zellen, weil es zur Oxidation von Proteinen und anderen Zellkomponenten führt. Am Ende führt es zu einer Dysfunktion von Zellen und Organfehlfunktionen", sagt O‘Rourke.

Fette bestehen jeweils aus drei Fettsäuren, die von einem Rückgrat aus Glycerin zusammengehalten werden. Bisher achteten Ärzte etwa beim jährlichen Gesundheit-Check nur auf die Fettsäuren. Künftig sollten sie wohl auch das Glycerin im Auge halten. Denn das kann mit fortschreitendem Alter aus zwei Gründen in zu großen Mengen anfallen und für Probleme sorgen, sagt O’Rourke. Zum einen produziert der Körper dann oft weniger ADH-1 und kommt deshalb beim Glycerin-Abbau nicht mehr hinterher. Zum anderen sammeln wir beim Älterwerden oft auch mehr Körperfett an.

Da diese Fettdepots regelmäßig erneuert werden, also älteres Fettgewebe abgebaut und neues eingelagert wird, fällt laufend viel Glycerin an. Dann kommt auch eine normale ADH-1-Produktion nicht mehr hinterher. In beiden Fällen und wenn sie dann auch noch gleichzeitig auftreten, richtet das übrigbleibende Glycerin Schäden an.

Um nun zu prüfen, ob mehr ADH-1 diese Probleme vermeiden hilft, regulierte O’Rourkes Team bei C. elegans die Aktivität des zugehörigen Gens hoch. "Wir haben herausgefunden, dass wir durch die Steigerung der Enzymaktivität und durch die Beseitigung dieser toxischen Nebenprodukte des Fettabbaus nicht nur die Lebensspanne der Labortiere verlängern können, sondern auch den Zeitraum, in dem sie über die gesamte Lebensspanne hinweg gesund sind", erklärt O’Rourke.

Um den kausalen Zusammenhang zwischen der ADH-1-Aktivität und Gesundheit sowie Lebenszeit noch stärker zu belegen, untersuchten die Forschenden auch, was beim Abschalten des Gens passiert. Tatsächlich starben die Tiere dann nicht nur früher, sondern erkrankten auch früher an altersbedingten Krankheiten.

Im nächsten Schritt untersuchte O’Rourkes Team die Aktivität des ADH-1-Gens auch bei Säugetieren wie Ratten, Rhesusaffen und Menschen. Dabei fanden sie heraus, dass die Aktivität dann besonders hoch ist, wenn sie einer kalorienreduzierten Diät unterliegen, dabei aber alle essentiellen Vitamine erhalten. "Es ist seit Jahrzehnten erwiesen, dass dieser Zustand die Gesundheit und Lebensdauer verlängert. Wir haben festgestellt, dass dieses Enzym unter diesen Bedingungen hyperaktiv ist", sagt O’Rourke. "Wir beweisen also nicht, dass dieses Enzym die Lebensspanne verlängert. Aber unter den Bedingungen, unter denen die Lebensspanne verlängert wird, ist das Enzym aktiv", so die Forscherin.

Damit sei bei höher entwickelten Tieren bisher nur eine Korrelation, aber noch keine Kausalität belegt. "Wir können Menschen natürlich nicht [wie die Würmer, Anm. d. Red.] gentechnisch manipulieren", sagt O’Rourke. Als nächsten Schritt plant sie deshalb, erstmal an Mäusen zu testen, ob eine Hyperaktivierung des ADH-1-Enzyms die Gesundheit und Lebensdauer der Tiere erhöht. Parallel dazu will sie auch in menschlichen Zellkulturen prüfen, ob sich durch eine Hochregulierung des Enzyms Anzeichen des Alterns auf zellulärer Ebene reduzieren lassen. Ist das der Fall, will sie nach Substanzen suchen, die das Enzym besonders gut hochregulieren können.

Auf die Frage, welche Nachteile ein solcher Einfluss haben könnte, antwortet die Forscherin: "Der einzige Nachteil, den wir bisher festgestellt haben, ist, dass die Anzahl der Nachkommen geringer ist als bei unveränderten Tieren." Das müsse noch weiter untersucht werden. Zu beachten sei auch, dass das ADH-1-Enzym neben dem Glycerin-Abbau den Fettabbau auch direkt auslösen kann. Bei einer Aktivierung seien die Tiere dünner.

"Das könnte für Erwachsene gut sein, aber nicht unbedingt für sich entwickelnde Tiere oder Kinder. Deshalb haben wir bisher in allen Versuchen den Prozess aktiviert, nachdem die Tiere das Erwachsenenalter erreicht haben", berichtet O’Rourke. Sie müssten noch herausfinden, wann ein guter Startzeitpunkt sei und welche Dosis die richtige ist.

Weil zudem das Enzym in der Leber am aktivsten sei, will die Forscherin herauszufinden, ob es reicht, das Enzym dort zu aktivieren. Wenn nicht, sei es wichtig herauszufinden, ob eine körperweite Aktivierung Probleme verursachen würde.

All das liegt aber noch weiter in der Zukunft. Zunächst ist das Team auf der Suche nach privaten Investoren und industriellen Investoren aus der Pharmabranche, um die nächsten Forschungsstufen finanzieren zu können.

Update, 27.3.2023, 15.15 Uhr: Im Text wurde die englische Bezeichnung Glycerol benutzt. Dies ist nun durch die deutsche Übersetzung Glycerin ersetzt worden.

(vsz)