Innenministerium will Verfassungsschutz zur Polizei machen

Heimliche Online-Durchsuchungen und Zugriff auf Daten aus der Verbindungsdatenspeicherung für den Verfassungsschutz, der genetische Fingerabdruck als erkennungsdienstlicher Standard - die Wünsche aus dem Bundesinnenministerium gehen sehr weit.

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Von
  • Jürgen Kuri

Ein "Wunschzettel" aus den Referaten des Bundesinnenministeriums illustriert weitreichende Forderungen und Vorstellungen für Maßnahmen zur inneren Sicherheit nach den Bundestagswahlen. Nach dem Konzept, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, würde der Verfassungsschutz zahlreiche neue Kompetenzen bekommen, die bislang der Polizei vorbehalten waren. Auch soll etwa der genetische Fingerabdruck als erkennungsdienstlicher Standard etabliert werden, berichtet die Zeitung. Aus dem Innenministerium hieß es zu dem Konzept, das Papier sei kein Koalitionsverhandlungs-Papier, sondern ein "Ministeriums-Internum". Es sei nur im Auftrag von Referatsleitern aufgeschrieben worden, was man in der laufenden Legislaturperiode nicht geschafft habe.

Laut diesem Wunschzettel würde der Verfassungsschutz zu einer allgemeinen Sicherheitsbehörde ausgebaut. Die als Reaktion auf nationalsozialistische Herrschaftsinstrumente wie Gestapo und Reichssicherheitshauptamt etablierte strikte Trennung von Geheimdienst und Polizei würde damit weiter aufgeweicht. Der Verfassungschutz soll künftig das Recht zur heimlichen Online-Durchsuchung erhalten – dies ist nach dem jüngst in Kraft getretenen BKA-Gesetz bislang dem BKA vorbehalten. Außerdem soll der Inlandsgeheimdienst Zugriff auf die Daten aus der Vorratsdatenspeicherung erhalten, bei der die Verbindungsdaten der Telekommunikation und des Internet-Zugriffs aller Bürger festgehalten werden. Bislang ist auch dies der Polizei vorbehalten.

Das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung allerdings harrt noch der verfassungsrechtlichen Prüfung, eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Massenbeschwerde gegen das Gesetz steht noch aus. Auch das BKA-Gesetz soll zudem einer weiteren Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht unterzogen werden. Die Verfassungsrichter hatten zuvor bereits der Ausforschung von Computern und Festplatten enge Grenzen gesetzt und ein Grundrecht auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme etabliert.

Dem Verfassungsschutz sollen laut Innenministerium aber auch Lausch- und Spähangriffe in Privatwohnungen erlaubt werden. Neben den Plänen zum Verfassungsschutz enthält das Papier aus dem Innenministerium auch die Forderung, den genetischen Fingerabdruck als "erkennungsdienstliche Standardmaßnahme"einzuführen – bislang ist er nur bei "Straftaten von erheblicher Bedeutung" und nur nach Genehmigung durch einen Richter erlaubt. Zudem sollen verdeckte Ermittler, wenn sie Straftaten begehen und diese zum "szenetypischem Verhalten" gehören, nicht bestraft werden.

Das Innenministerium verfolgt bereits seit geraumer Zeit eine Linie, die nicht nur die Befugnisse der Strafermittler auch im präventiven Bereich immer weiter ausdehnt, sondern auch die Grenzen zwischen Geheimdienst und Polizei aufweicht. Pläne des Innenministeriums, die Befugnisse des Verfassungschutzes auszubauen, wurden bereits Ende vergangenen Jahres bekannt – und von Unionspolitikern verteidigt. Auch kritisierten Datenschützer und Bürgerrechtler bereits beispielsweise das Abhörzentrum im Bundesverwaltungsamt als "Bundesabhörzentrale"; nach den Plänen des Innenministeriums soll sie künftig auch als eine Art übergeordnete Denkfabrik für das Bundesamt für Verfassungsschutz, die Bundespolizei und das BKA fungieren. (jk)