Krypto-Geld für Artenschutz? Ein Nationalpark geht diesen Weg mit Bitcoin-Mining

Um seine Wälder und die berühmte Tierwelt zu schützen, hat der Nationalpark Virunga im Kongo eine Bitcoin-Mining-Farm eröffnet. Das Projekt ist umstritten.

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(Bild: AFP/ Getty Images)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Adam Popescu
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Die weltweit erste Mining-Farm zum Schürfen der Kryptowährung Bitcoin, die von einem Nationalpark betrieben wird, steht in Luviro, einem Weiler außerhalb des Virunga-Parks. Die nötige Hardware wird mit Wasserkraft betrieben. Es ist ein Experiment, das viele, die im und um den Park herum arbeiten, begeistert hat. Es hat aber auch Skepsis bei Experten hervorgerufen, die sich fragen, was Kryptowährungen mit Naturschutz zu tun haben sollen, berichtet MIT Technology Review in seiner neuen Ausgabe.

Das Projekt geht auf die Initiative von Emmanuel de Merode zurück. De Merode stammt aus einer belgischen Adelsfamilie – Belgien hat im Kongo eine blutige Kolonialgeschichte. Der Anthropologe kam 1993 in den Kongo, um die Ranger des Garamba-Nationalparks zu unterstützen und für seine Doktorarbeit den Buschfleischhandel zu untersuchen. Im Jahr 1999 ging er in den Lopé-Nationalpark in Gabun, wo er an der Habituierung von Gorillas und am Aufbau des Ökotourismus arbeitete.

"Wir haben ein Wasserkraftwerk gebaut und dachten, wir würden das Netz schrittweise ausbauen", erklärt de Merode. "Dann mussten wir 2018 den Tourismus wegen Entführungen durch Rebellen einstellen. 2019 wegen Ebola. Und 2020 – Covid. Vier Jahre lang brachen unsere gesamten Tourismus-Einnahmen ein – sie machten bis dahin 40 Prozent der Parkeinnahmen aus." Die kongolesische Regierung fördert den Park gerade einmal mit einem Prozent des operativen Budgets. "Also mussten wir eine Lösung finden. Sonst wären wir als Nationalpark pleitegegangen." Im März 2022, als de Merode das sagte, wurde der Bitcoin zu einem Kurs von 44.000 US-Dollar gehandelt, der Virunga-Chef rechnete mit Einnahmen von etwa 150.000 Dollar pro Monat. Das entspricht in etwa den Tourismus-Einnahmen auf ihrem Höhepunkt. "Wir hatten Glück – ausnahmsweise", sagte de Merode.

MIT Technology Review 3/2023

Hinter dem Projekt steht jedoch nicht nur der Virunga-Nationalpark, sondern auch der Krypto-Investor Sébastien Gouspillou. Mit Gouspillous Hilfe kaufte Virunga Anfang 2020 gebrauchte ASIC-Miner und begann mit dem Bau einer kleinen Rechenfarm. Heute gibt es 10 Container mit jeweils 250 bis 500 Rigs. Virunga besitzt drei Container, deren Erlöse vollständig in die Finanzierung des Parks fließen. Die anderen sieben gehören Gouspillou. Er bezahlt Virunga für den Strom zum Betrieb seiner Server. Alles, was er schürft, gehört ihm und seinen Investoren.

De Merode schätzt, dass die Mining-Farm dem Park im letzten Jahr, als die Pandemie die meisten anderen Einnahmequellen versiegen ließ, etwa 500.000 Dollar einbrachte. Zusätzlich profitierte der Park von der Popularität der Gorilla-NFTs Digital Apes: Er schloss sich mit dem NFT-Projekt CyberKongz zusammen, das die Digitalgrafiken bei Christie’s versteigerte. Das brachte dem Park weitere 1,2 Millionen Dollar ein. Ein Teil dieses Geldes wurde für den Kauf von zwei der drei parkeigenen Container verwendet.

Nicht alle sehen Krypto-Mining jedoch so positiv. "Das Hauptproblem ist, dass der Nutzen im Vergleich zu den Kosten immer extrem begrenzt ist", sagt Alex de Vries, Doktorand an der Vrije Universiteit Amsterdam, der sich mit Nachhaltigkeit von Kryptowährungen beschäftigt. "Die Miner versprechen zu viel und liefern zu wenig. Lokale Gemeinschaften sind in der Regel ohne sie besser dran." Das gelte auch für Virunga, ist Peter Howson, Assistenzprofessor für internationale Entwicklung an der Northumbria University, überzeugt. Die saubere Energie im Kongo könne effektiver genutzt werden. "Bitcoin-Schürfer verdrängen produktivere Formen der grünen industriellen Entwicklung im Kongo", sagt er.

Zudem scheint Virungas Glückssträhne nicht von Dauer zu sein. Vor fast einem Jahrzehnt wurde der Nationalpark durch einen gleichnamigen Netflix-Film berühmt, der zeigte, wie die Ranger mit einer Invasion von Rebellen und der Bedrohung durch Ölkonzerne zu kämpfen hatten. Diese Gefahren sind längst nicht gebannt – im Gegenteil. Noch immer gibt es heftige Kämpfe in der Region. Gewalt ist hier an der Tagesordnung, und die jahrelangen Aktivitäten der Milizen, Raketenangriffe und Machetenattacken haben tiefe Traumata hinterlassen.

(wst)