Landwirtschaft in der Dürre: Abwasser, Gentechnik, Digitalisierung

Die Sommer in Deutschland werden im Schnitt immer trockener. Für Landwirte ist das herausfordernd. Sie brauchen neue Bewässerungs- und Anbaumethoden.

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(Bild: Budimir Jevtic/Shutterstock.com)

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Von
  • Katja Scherer
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Neue Pflanzensorten und neue Bewässerungssysteme können der Landwirtschaft helfen, auch in trockenen Zeiten über die Runden zu kommen. Das berichtet das Magazin MIT Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe 3/2023 (jetzt im heise shop bestellbar und im Bahnhofsbuchhandel erhältlich).

Ein wichtiger Baustein könnte die Nutzung von aufbereitetem Abwasser sein. Thomas Dockhorn von der TU Braunschweig erforscht diese Möglichkeit im Projekt HypoWave. Bisher sei die Nutzung von Abwasser auf Feldern in Deutschland gesetzlich verboten, sagt er. Der Grund sei, dass Abwasser aus Kläranlagen bestimmte Bakterien und Viren sowie Arzneimittelrückstände und Schwermetalle enthalten kann. "Das will man nicht nach der Ernte auf dem Teller haben." Eine Ausnahme gebe es für die Regionen Braunschweig und Wolfsburg. Dort darf gereinigtes Abwasser unter anderem für die Beregnung von Silomais und Zuckerrüben genutzt werden – also Feldfrüchten, die nicht direkt verzehrt, sondern als Futtermittel genutzt oder industriell verarbeitet werden.

Im Projekt HypoWave untersucht Thomas Dockhorn gemeinsam mit elf Verbundpartnern – darunter Wasserverbände und Forschungsinstitute –, wie man Abwasser so aufbereiten kann, dass die Nutzung für die Landwirtschaft generell unproblematisch ist, auch für Lebensmittel, die auf dem Teller landen. Das Team reinigt Abwasser dazu in mehreren Stufen. Zunächst wird es konventionell in einer mechanisch-biologischen Kläranlage gesäubert. Dann folgt eine weitergehende Aufbereitung, um organische Spurenstoffe wie Arzneimittelrückstände zu entfernen. Dafür nutzt das Team eine sogenannte Aktivkohlebiofiltration: Bei diesem Verfahren bleiben die organischen Stoffe zunächst an der Aktivkohle haften und werden dann von Mikroorganismen, die auf der Aktivkohle angesiedelt sind, abgebaut. Als letzter Aufbereitungsschritt folgt eine Desinfektion durch UV-Bestrahlung.

"Wir konnten nachweisen, dass das Wasser danach sauber genug ist, um ohne Probleme für die Bewässerung von Feldfrüchten genutzt zu werden", sagt Dockhorn. Vor allem, da das Team die Pflanzen nicht von oben bewässert, sondern nur ihre Wurzeln unter Wasser setzt (Hydroponik). "So reduzieren wir weiter das Risiko, dass Rückstände auf den Blättern zurückbleiben." Auch auf dem Feld könnte man das aufbereitete Abwasser einsetzen.

In einem nächsten Schritt will das Team das Verfahren nun in großem Maßstab testen. Dazu soll in diesem Jahr ein Gewächshaus für Tomaten und Paprika mit einem Hektar Fläche errichtet werden. Ziel ist auch, die Akzeptanz für solche Produkte zu ermitteln. Deswegen ist ein lokaler Edeka-Markt als Partner dabei. In Ländern wie Spanien wird aufbereitetes Abwasser schon länger in der Landwirtschaft genutzt, viele Konsumenten und Konsumentinnen werden derart bewässerte Produkte höchstwahrscheinlich bereits verzehrt haben. Und bald könnte das Vorgehen in der EU sogar Standard werden: Brüssel arbeitet an einer Verordnung, die die Nutzung von Abwasser in der Landwirtschaft in ganz Europa vorsieht. Diese soll im Juni in Kraft treten und muss dann in nationales Recht umgesetzt werden.

MIT Technology Review 3/2023

Eine wichtige Frage ist auch, wie man die Bewässerung optimieren kann, etwa durch Tröpfchenbewässerung statt großflächiger Beregnung. Dabei werden dünne Schläuche mit winzigen Löchern auf den Feldern verlegt. Die Installation einer solchen Schlauchanlage ist allerdings auch um ein Vielfaches teurer, vor allem, da die Schläuche jedes Jahr neu verlegt werden müssen.

Ein Mittelweg könnte die Lösung des spanischen Start-ups Spherag sein. Das hat kürzlich Wagniskapital unter anderem vom Münchener Landwirtschaftskonzern BayWa bekommen. Es bietet ein System an, mit dem Landwirte ihre bestehenden Beregnungsanlagen digitalisieren und automatisieren können. Das Unternehmen montiert dafür solarbetriebene digitale Module auf die Steuerungselemente der Bewässerungsanlagen und erstellt so einen digitalen Zwilling der Anlage. Den können Landwirte dann in Echtzeit auf ihrem Smartphone überwachen und steuern. Sie müssen also zum Beispiel nicht mehr extra zu ihren Feldern fahren, um ihre Beregnungsanlagen abzustellen, und können entsprechend schneller reagieren. Ein Drittel des Wasserverbrauchs könne dadurch eingespart werden, schreibt Baywa.

Auch neue Pflanzensorten können sinnvoll sein. Dürreresistente Pflanzen zu kreieren, gilt als eines der wichtigsten Züchtungsziele weltweit – egal ob mit herkömmlichen Methoden oder mit Gentechnik. In Europa ist der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen derzeit zwar verboten. Die Europäische Kommission will das Verbot für neue Gentechnikverfahren wie die Genschere CRISPR/Cas aber lockern. Experten erwarten noch in diesem Jahr einen entsprechenden Vorschlag.

In anderen Ländern wachsen gentechnisch veränderte Pflanzen schon auf den Feldern. Argentinien etwa hat im vergangenen Jahr den Anbau von genverändertem Weizen auf lizenzierten Betrieben zugelassen. Dem Weizen wurde ein Sonnenblumen-Gen namens HB4 eingesetzt, das ihm hilft, auch bei starker Hitze weiterzuwachsen. Und in Südafrika, Nigeria und Kenia ist dürreresistenter Mais bereits zugelassen.

Die Züchtung dürreresistenter Pflanzen gilt allerdings als schwierig. Die Toleranz von Pflanzen gegenüber Hitze und Trockenheit werde – anders als die Resistenz gegen bestimmte Schädlinge – nicht durch einzelne Gene bestimmt, schreibt das Branchenportal Transgen. Sie nutzten komplexe Anpassungsstrategien, um mit Trockenheit umzugehen, zum Beispiel intensivierten sie ihr Wurzelwachstum. Um solche Strategien durch Züchtung zu replizieren, müsse man sehr genau verstehen, von welchen Genen sie codiert und wie sie reguliert würden, schreibt Transgen. "Meist sind es nicht einzelne DNA-Sequenzen, sondern komplexe, sich gegenseitig beeinflussende Netzwerke."

Dazu kommt, dass Trockenheit kein statisches Problem ist. Sie tritt mal auf, mal nicht, mal ist sie stärker, mal kommt sie früher. Auch damit müssen Pflanzen umgehen können. Es reicht also nicht, sie auf ein bestimmtes Merkmal hin zu optimieren.

(grh)