Vertracktes Lizenzmanagement für Rational Team Concert

Für die kürzlich erschienene neue Version 2.0.0.1 von IBMs kollaborativer Entwicklungsumgebung für Teams, Rational Team Concert, erhält man nun zehn kostenlose Entwickler-Lizenzen. Geht das Entgegenkommen IBMs an die bislang nicht kauffreudigen Kunden auf?

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Von
  • Frank Gerhardt

IBM hat in der Ende September erschienenen Version 2.0.0.1 das Lizenzmodell für seine kollaborative "Application Lifecycle Management"-Suite Rational Team Concert (RTC ) geändert. Die Express-C Edition enthält nun zehn kostenlose Entwickler-Lizenzen statt bisher drei. Diese sieben kostenlosen Lizenzen waren in früheren Versionen mit über 10.000 Euro zu bezahlen. Erfreulich ist, dass IBM bei der Lizenzierung Bewegung zeigt, denn das RTC-Lizenzmodell sorgte von Anfang an für Unmut.

Ein ähnliches Entgegenkommen zeigte IBM beim Sprung von Version 1.0 auf 2.0, als einige Funktionen, die nur der teuren Standard-Edition vorbehalten waren, auch in den beiden Express-Editionen Eingang fanden. Andererseits zeigt das Entgegenkommen auch, dass IBM große Schwierigkeiten hat, das neue Produkt am Markt zu platzieren. Im Vergleich mit Alternativprodukten wie Microsofts Team Foundation Server ist es immer noch zu teuer. Mit der Erhöhung auf zehn freie Lizenzen will IBM offensichtlich den Einsatz von RTC in kleinen Projekten ankurbeln, um damit einen Fuß in den Markt zu bekommen. Bisher war mit drei freien Lizenzen allenfalls an Spielprojekte zu denken.

Auch nach der Veränderung des Lizenzmodells gibt es immer noch einige Punkte, die Unverständnis auslösen und nicht gerade zur Akzeptanz des Produkts beitragen. Die freien Lizenzen beziehen sich nur auf Entwickler. Anwender, die allein den Bugtracker verwenden wollen, müssen sogenannte Contributor-Lizenzen erwerben – für 724,71 Euro pro Nutzer. IBM bietet in den Express-Editionen keine Floating-Lizenzen an. Erst ab der Standard-Version, bei der der Server 40.232 Euro kostet, dürfen für die Clients Floating-Lizenzen erworben werden.

Wer eine RTC-Installation von zehn auf elf Entwickler erweitern möchte, muss dafür den Preis eines Kleinwagens hinblättern. Der Grund ist, dass für 11 bis 50 Entwickler die nächstgrößere Edition des Servers für 7242 Euro fällig wird. Bei dieser Version sind nicht zehn, sondern nur drei freie Lizenzen dabei, sodass sieben Lizenzen und die elfte für je 1448 Euro gekauft werden müssen. Alles zusammen 18.828 Euro für elf Entwickler.

Einen ähnlichen Sprung hat IBM dann noch mal für den Wechsel auf die Standard-Edition für mehr als 50 Entwickler eingebaut. Hier wird der Server noch mal teurer und kostet nun 40.232 Euro. Ein viel größeres Loch ins Budget reißen aber die Entwickler-Lizenzen, die statt 1448 nun 4712 Euro kosten, ungefähr das Dreifache. In dieser Version skaliert RTC bis 250 Entwickler. Eine derartige Installation schlägt mit über 1,2 Millionen Euro zu Buche. Das Paradoxe an dem Modell ist, dass es keinen Mengenrabatt gibt, sondern im Gegenteil. Bei Bedarf an mehr Lizenzen werden Server- und Client-Lizenzen jeweils teurer.

Man sollte annehmen, dass IBM lange genug im Geschäft ist, um zu wissen, wie man Geld verdient. Das Lizenzmodell zeigt deutlich, dass IBM dort Geld verdienen will, wo Geld zu holen ist – bei den Großen. Kleinen Projekten will IBM mit den zehn freien Lizenzen ebenfalls einen Zugang zum Produkt ermöglichen. Dabei spielt sicher auch die Erfahrung mit dem freien Eclipse eine Rolle. Mit Eclipse hat es IBM geschafft, neben Visual Studio die zweite dominierende Entwicklungsumgebung zu etablieren und sie gleichzeitig als Basis für alle Rational-Tools zu nutzen. Heute ist jedes Eclipse-Plug-in automatisch auch als Plug-in in den Rational-Tools verwendbar. Diesen Effekt braucht IBM auch bei einem Team-Werkzeug wie RTC.

Erfolg wird IBM nur haben, wenn RTC auch in der Breite eingesetzt wird. So ist die Änderung auf zehn freie Lizenzen nicht ganz selbstlos. Als letzter "Pain Point" sei noch die unsägliche Umrechnung der Dollar-Preise in Euro genannt. Beispielsweise verlangt IBM für eine Contributor-Lizenz in den USA 630 Dollar und in Deutschland 609 Euro. Das ist ein Wechselkurs von fast 1 : 1. Aktuell steht der Dollar bei 1,48 Euro, sodass Kunden in Deutschland für RTC über 40 Prozent mehr ausgeben sollen als amerikanische Kunden.

Wenn man sich den Rational-Werbespruch "Smarter Planet " auf der Zunge zergehen lässt, würde man erwarten, dass ein internationaler Konzern nicht solche Probleme mit der Arithmetik hat. Selbst wenn man keine Absicht hinter den höheren Preisen vermutet, fällt es schwer, sich als Kunde darauf einzulassen. An diesem Lizenzmodell sieht man, dass IBM kaum Erfahrungen mit Kunden in kleinen und mittleren Firmen hat. Dort werden im Gegensatz zu großen Konzernen kaum Rational-Werkzeuge eingesetzt. Eclipse-/RTC-Schöpfer Erich Gamma nennt diesen Bereich den White Space – aus Sicht von IBM.

Es ist Big Blues erklärtes Ziel, in diesem Bereich mehr Marktanteile zu gewinnen. Problematisch an dem Lizenzmodell ist, dass es nicht rund ist und weder bei kleinen noch bei großen Kunden auf Gegenliebe stößt. IBM hat schon Veränderungsbereitschaft gezeigt. Die Firma sollte noch mehr auf die Kunden hören und die Lizenzierung entsprechend anpassen.

Das RTC-Entwicklungsmodell nennt sich "Open Commercial Development". Mehr "Open" würde dem Lizenzmodell gut zu Gesicht stehen. Es ist kein Geheimnis in der Branche, dass die großen Kunden von IBM, die gerne und viel Hardware kaufen, nicht die Listenpreise bezahlen, sondern individuelle Rabattstaffeln haben. Dem Lizenzmodell würde zugute kommen, das Verteuern und Wiederherunterrabattieren durch ein ganz einfaches Modell zu ersetzen. Ein Preis für den Server, gleiche Preise für die Clients in allen Editionen, Floating-Lizenzen in allen Editionen.

Das Modell sollte sich in einer Minute erklären lassen. IBM hat für das aktuelle Modell ein zehnminütiges Video ins Netz gestellt. Wer ein Team-Werkzeug für die Software-Entwicklung sucht, der findet in RTC viel Gutes. Wer zudem mit zehn Entwicklern auskommt, dem sei die Express-C Edition auf jeden Fall ans Herz gelegt. Wer mehr als zehn Lizenzen braucht, sollte sich überlegen, mehrere RTC-Server für je ein Teilprojekt zu verwenden. Das spart mindestens 18.000 Euro.

IBM hat sich veränderungsbereit gezeigt, sodass mit weiteren Anpassungen zu rechnen ist. Für Kunden bedeutet das, erst mal die kleistmögliche Edition mit so wenig Lizenzen wie möglich auszureizen, denn womöglich gibt's genau das Gewünschte bei der nächsten Lizenzänderung umsonst. Für IBM ist die Empfehlung, das Lizenzmodell ordentlich aufzusetzen, sodass Kunden ohne Bauchschmerzen eine klare Kaufempfehlung gegeben werden kann. (ane)