Rucksack mit Grätzel-Zelle

Neuartige Farbstoffsolarzellen, die sich besonders günstig und flexibel produzieren lassen, feiern ihr Endkundendebüt - in Form einer Tasche mit Aufladefunktion für tragbare Elektronik.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Prachi Patel

Schon seit längerer Zeit wartet die Sonnenstrombranche auf den ersten kommerziellen Einsatz neuartiger Farbstoffsolarzellen. Nun sollen die so genannten Grätzel-Zellen, die sich besonders kostengünstig produzieren lassen, gleichzeitig wenig wiegen und flexibel sind, in einem Rucksack verbaut werden, mit dem sich tragbare Elektronik aufladen lässt.

Die Zellen werden von G24 Innovations aus dem walisischen Cardiff produziert und basieren auf Entwicklungen des Chemieprofessors Michael Grätzel, der an der EPFL in Lausanne arbeitet. Bei der Technik werden mit Farbstoff überzogene Nanokristall-Halbleiter zwischen Glaspanels gestopft oder zusammen mit einem Elektrolyt in Kunststoff eingeschlossen. Der Farbstoff absorbiert Licht und generiert die notwendigen Elektronen, die dann auf den Halbleiter und schließlich auf das Board transferiert werden. Die Grätzel-Zellen haben zwar einen etwas geringeren Wirkungsgrad als die besten Dünnfilmsolarzellen, lassen sich aber deutlich billiger herstellen und auch auf biegsame Oberflächen drucken.

Grätzel sieht auch noch andere praktische Vorteile seiner Erfindung gegenüber anderen Sonnenkollektoren: Zellen aus amorphem Silizium bauten unter ständigem Strahleneinfluss mit der Zeit ab und ihre Effizienz sinke, wenn sie nicht mehr direkt vom Sonnenlicht getroffen würden. Farbstoffzellen könnten dagegen das Licht aus verschiedenen Winkeln aufnehmen und hielten insgesamt länger. Positiv sieht Grätzel außerdem die Möglichkeit, die Zellen unter Innenraumbedingungen zu betreiben. Diffuses Sonnenlicht und sogar der Output von Leuchtstoffröhren seien absorbierbar.

G24 Innovations betont, man habe einen kostengünstigen Produktionsprozess entwickelt, der es erlaubt, flexible Solarmodule "von der Rolle" zu generieren. Diese produzieren 0,5 Watt unter direkter Sonneneinstrahlung. Die ersten Module wurden in der vergangenen Woche an das Unternehmen Mascotte Industrial Associates in Hong Kong verschifft, das die neuen Rucksäcke herstellen wird. G24 nutzt einen Ruthenium-Farbstoff, der auf Titandioxid-Nanokristalle aufgebracht ist, außerdem ein nichtvolatiles Elektrolyt, das ein Jodid enthält. Die Zellen der Firma erreichen so einen Wirkungsgrad von 12 Prozent bei der Umsetzung von Licht in Strom.

G24 plant, Module zu vermarkten, die sich zum Aufnähen auf Kleidung, Zelte oder Markisen eignen. Die Module ließen sich auch kostengünstig in stromerzeugende Fenster oder Werbeplakate einbauen. "Für uns ist das gerade eine tolle Zeit", freut sich Grätzel, "es wurde lange darüber geredet, wann das erste kommerzielle Produkt herauskommen wird – nun passiert es".

Eine zweite Firma, Dyesol, steht ebenfalls kurz vor der Herstellung fertiger Komponenten mit Farbstoffsolarzellen. Im Oktober 2008 hat das Unternehmen im australischen Queanbeyan eine Fabrik eröffnet, um Fliesen herzustellen, die sich in Gebäudefassaden integrieren lassen.

Der japanische Elektronikgigant Sony forscht ebenfalls an solchen Zellen und gab im letzten Jahr bekannt, dass er Wirkungsgrade um 10 Prozent erreicht habe – ein Niveau, das für kommerzielle Produkte Grundvoraussetzung ist. Konzeptdesigns von Lampen, in denen diese Zellen stecken, wurden bereits gezeigt, echte Geräte sind hingegen noch nicht in der Pipeline.

Die Farbstoffsolarzellen bilden derzeit also noch eine kleine Marktnische. Das könne sich aber schnell ändern, wie Michael McGehee, Material- und Ingenieurwissenschaftler an der Stanford University, sagt: "In Zukunft werden wir wahrscheinlich sehen, wie diese Technik der traditionelleren Dünnfilm-Solar-Technik Konkurrenz macht, wenn sich die Kombination aus Wirkungsgrad, Kosten und Haltbarkeit weiter verbessert."

Grätzel sieht spannende Zeiten für seine Technik aufziehen. Zahlreiche Produkte seien demnächst geplant. Andere Forscher arbeiten unterdessen bereits an verbesserten Zellen mit neuen nichtvolatilen Elektrolyten und organischen Farbstoffen. Sie könnten die Grätzel-Zelle noch billiger und robuster machen. (bsc)