US-Regierung will Verfahren gegen NSA-Abhörprogramm stoppen

Das US-Justizministerium hat sich in einer Klage gegen geheimdienstliche Überwachungsmaßnahmen ohne richterliche Anordnung nach dem 11. September 2001 erneut auf "Staatsgeheimnisse" berufen.

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Das US-Justizministerium hat sich in einer Klage gegen geheimdienstliche Überwachungsmaßnahmen ohne richterliche Anordnung nach dem 11. September 2001 erneut auf die viel beschworenen "Staatsgeheimnisse" berufen. Es hat den zuständigen Bundesrichter im Bezirk Nordkalifornien, Vaughn Walker, daher in einem Antrag (PDF-Datei) aufgefordert, den Fall nicht weiter zu verfolgen. US-Justizminister Eric Holder erklärte dazu Ende vergangener Woche, dass es um den Schutz "höchst sensibler, nicht für die Öffentlichkeit freigegebener Informationen" gehe. Deren Bekanntgabe würde "die nationale Sicherheit des Landes unwiderruflich schädigen".

Dem Antrag sei ein sorgfältiger Prüfprozess mit dem Leiter der nationalen Geheimdienstbehörden sowie dem Direktor der für das Abhörprogramm zuständigen National Security Agency (NSA) vorausgegangen, versicherte Holder. Beide hätten beteuert, dass durch Veröffentlichungen in dem Fall laufende Aufklärungsarbeiten bedroht würden.

Kläger in dem Verfahren "Shubert vs. Bush" beziehungsweise mittlerweile gegen den neuen US-Präsidenten Barack Obama sind vier Bürger aus Brooklyn. Sie monieren, dass ihre ins Ausland gerichteten E-Mails und Anrufe widerrechtlich in das "Fangnetz" geraten seien, das die NSA unter der Bush-Regierung aufgebaut habe. Laut Holder darf der Fall aber nicht geprüft werden, weil daraus Rückschlüsse auf die Quellen und Methoden der Geheimdienstarbeit in den USA gezogen werden könnten. Es gehe dagegen nicht darum, ein Fehlverhalten Washingtons zu verschleiern oder eine Peinlichkeit zu vermeiden. Es liege der Regierung auch fern, die "State Secret"-Doktrin allein zu bemühen, um die Macht der Exekutive zu bewahren.

Das US-Justizministerium stellte vor Kurzem eine neue Linie zum Schutz von Staatsgeheimnissen vor. Bisher kann die Regierung das entsprechende Privileg sehr weit interpretieren und bei Gericht ohne große Hürden vorbringen, um Beweismaterial den Boden zu entziehen. Künftig müssen Verwaltungsangehörige einschließlich Staatsdienern in Sicherheitsbehörden den Justizminister und ein Team seiner Anwälte erst davon überzeugen, dass die Veröffentlichung sensibler Informationen der nationalen Sicherheit oder internationalen Beziehungen bedeutenden Schaden zufügen würde. Laufende Verfahren sind von der Änderung nicht betroffen. Der Rechtsausschuss des US-Abgeordnetenhauses soll sich am heutigen Mittwoch zudem mit einen Gesetzesentwurf für einen State Secret Protection Act, der klare Verfahren zur Anwendung der Doktrin festsetzen würde.

Der aktuelle Antrag des Justizministeriums zeigt für die US-Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF), dass die Obama-Regierung in derlei Verfahren trotz anders lautender Versprechen die gleiche Haltung einnehme wie die Vorgängeradministration. Als Präsidentschaftskandidat habe Obama zwar noch das NSA-Abhörprogramm sowie den "Missbrauch" des Geheimnisprivilegs scharf kritisiert. Davon sei nach der Amtsübernahme aber nichts mehr übrig geblieben.

Die Obama-Regierung hatte bereits im Rahmen der von der EFF mit betreuten Klage der vormaligen islamischen Wohltätigkeitsorganisation Al-Haramain Islamic Foundation gegen Washington aufgrund der geheimdienstlichen Überwachung die Doktrin der Staatsgeheimnisse bemüht. Demnach soll ein als vertraulich eingestuftes, versehentlich an die Stiftung geschicktes Fax der Regierung nicht als Beweis dienen dürfen. Walker hat in diesem Fall die Klage gegen AT&T und andere Telekommunikationsfirmen wegen ihrer Beihilfe zu den umstrittenen Abhöraktionen bereits zurückgewiesen. (jk)