Sind Tauschbörsen unpatriotisch?

Der US-Senat befragte die RIAA, Kazaa, LL Cool J und Chuck D zur Klagekampagne der US-Musikwirtschaft.

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Von
  • Janko Röttgers

Auf Einladung des republikanischen Senators Norm Coleman beschäftigte sich ein Unterausschuss des US-Senats mit der juristischen Kampagne der US-Musikwirtschaft gegen Tauschbörsen-Nutzer. Als Zeugen traten dabei unter anderem der Mitch Bainwol als neuer CEO der Recording Industry Association of America (RIAA), LL Cool J, Chuck D und Alan Morris vom Kazaa-Betreiber Sharman Networks auf. Coleman, der nach eigenem Bekunden selbst eine Zeit lang Napster-Nutzer war, hatte bereits im Vorfeld der Anhörung mehrfach Besorgnis über die Verfahrensweise der RIAA ausgedrückt.

Zu Beginn der Anhörung präzisierte er seine Bedenken. So wandte er ein, dass die RIAA erklärt habe, nur die schwersten Fälle zu verklagen. Doch das Gesetz verpflichte sie keineswegs zu dieser Selbstbeschränkung. Besonderen Anstoß nahm Coleman auch an der maximal vom Gesetzgeber vorgesehenen Schadensersatzsumme von 150.000 Dollar pro unberechtigt angebotenem Werk. Schließlich zeigte er sich auch skeptisch gegenüber der Wirksamkeit der jetzt angestrengten Verfahren. "Ich glaube nicht, dass das Verklagen einzelner Individuen das Verhalten einer ganzen Generation verändert", so Coleman.

Mitch Bainwol beklagte für die RIAA, dass die Industrie Piraterie-bedingt bereits 4000 Jobs habe abbauen müssen. Gleichzeitig zeigte er sich zuversichtlich, dass die Klagekampagne bereits Effekt zeige. Das Bewusstsein für Copyright-Belange steige rasant, erklärte Bainwol. Von P2P-Betreibern verlangte er, sie sollten die Standardeinstellungen ihrer Software ändern, um automatisches Anbieten heruntergeladener Inhalte zu unterbinden und unberechtigt angebotene Inhalte ausfiltern. Zum jetzigen Zeitpunkt könne er jedenfalls nicht mit ihnen zusammenarbeiten. "Das wäre, als würde man Jesse James einen Job in einer Bank geben", frotzelte Bainwol. Der Nachfolger Hillary Rosens schloss seinen Beitrag mit den Worten: "Uns steht mit Technologie eine goldene Zukunft bevor. Aber es gibt einen richtigen Weg, damit umzugehen. Einen amerikanischen Weg. Und der ist, dafür zu bezahlen."

Jack Valenti, Präsident der Motion Picture Alliance of America (MPAA), knüpfte an diesen leicht patriotischen Appell seines Vorredners an, indem er seinen Zuhörern die wirtschaftliche Bedeutung der Filmindustrie für die USA in Erinnerung rief -- um dann dramatisch zu verkünden: "Dieses Komitee muss verstehen, dass wir unter Beschuss stehen." LL Cool J stimmte ebenfalls in diesen Tonfall ein und erklärte, Diebstahl könne nicht einfach hingenommen werden, nur weil er technisch möglich sei. Musiker und Filmemacher seien nicht zuletzt auch die Propagandisten des amerikanischen Traums, was ihn zu einem drastischen Urteil über Tauschbörsen verleitete: "Ich glaube, sie sind antiamerikanisch."

Alan Morris von Sharman Networks bemühte sich zu Beginn des zweiten Panels, die Verbreitung legaler Inhalte über Kazaas Netzwerk in den Mittelpunkt der Diskussion zu stellen. Seinen Aussagen zufolge ist Sharman gemeinsam mit seinem Partner Altnet bereits der größte Distributor von legalen, per DRM geschützten Inhalten im Netz. Mehr als 35 Millionen Videos, Songs und Computerspiele würden so jeden Monat im Auftrag von Rechteinhabern in Umlauf gebracht. Würde sich die Musikindustrie zu einer Zusammenarbeit mit Kazaa entschließen, dann könne die Zahl noch weitaus höher sein. Einige kritische Nachfragen musste sich Morris vom demokratischen Senator Carl Levin gefallen lassen. So wollte Levin wissen, warum Sharman Networks seinen Firmensitz auf Vanuatu habe und wer die Eigentümer der Firma seien. Morris erklärte, man habe Vanuatu lediglich aus Steuergründen und wegen seiner Nähe zu Australien gewählt. Die Eigentümer wollte er jedoch wegen laufender Verfahren nicht offenbaren.

Lorriane Sullivan kam als eine der 261 von der RIAA verklagten Tauschbörsen-Nutzer zu Wort. Dabei versicherte sie, nicht gewusst zu haben, dass der Tausch von Musik über Kazaa illegal sei. Die Studentin erklärte, entsetzt gewesen zu sein, als man sie mit der potenziellen Schadensersatzsumme von 150.000 Dollar pro Song konfrontiert habe. "Ich dachte, mein Leben ist zu Ende", zeigte sich Sullivan immer noch erschreckt. Gleichzeitig ließ sie wenig Zweifel daran aufkommen, dass die Klage zumindest auf ihr Umfeld nicht so gewirkt habe, wie die Musikwirtschaft es sich wünscht. Ihre Freunde hielten die Klage allesamt für unfair. "Sie wollen sich keine CDs mehr kaufen, bis sich etwas ändert", betonte Sullivan.

Public-Enemy-Frontmann Chuck D erklärte schließlich, er halte P2P für ein großartiges Mittel, mehr Aufmerksamkeit zu erlangen. Wörtlich erklärte er dazu: "Als schwarzer Musiker habe ich sowieso nie das Gefühl gehabt, das meine Urheberrechte geschützt sind." Gleichzeitig regte er an, eine Art von Kompensation über Verwertungsgesellschaften in Tauschbörsen zu integrieren. Seinen Kollegen LL Cool J erinnerte er daran, dass Hip Hop selbst im Wesentlichen durch Copyright-Vergehen entstanden sei -- vom ungeklärten Sample bis zu auf Flohmärkten verbreiteten Mixtapes. Letztlich sehe er der Zukunft sehr optimistisch entgegen: "P2P bedeutet für mich Power to the people." (Janko Röttgers) / (jk)