Microsofts Visual Studio 2010 Beta 2 - eine Querschau

Microsofts Ankündigung, die Visual-Studio-Oberfläche mit WPF zu gestalten, hat manchen Entwickler beunruhigt. Die kürzlich erschienene Beta 2 von Visual Studio 2010 zeigt sich aber gegenüber dem Vorgänger oberflächlich kaum verändert.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 15 Min.
Von
  • Dr. Holger Schwichtenberg
  • Alexander Neumann
Inhaltsverzeichnis

Microsofts Ankündigung, die Visual-Studio-Oberfläche mit Windows Presentation Foundation zu gestalten, hat manchen Entwickler beunruhigt. Die kürzlich erschienene Beta 2 von Visual Studio 2010 zeigt sich aber gegenüber dem Vorgänger oberflächlich kaum verändert. Microsoft hat WPF genutzt, um sinnvolle Visualisierungen zu ergänzen.

Die "Windows Presentation Foundation" (WPF) gehört wegen ihres Leistungshungers und der noch nicht ganz ausgereiften Entwicklerunterstützung in Visual Studio zu den umstrittenen Teilen von .NET. Vista sollte ursprünglich eine WPF-Oberfläche erhalten, aber dieses Projekt scheiterte. So verwundert es nicht, dass viele Entwickler verunsichert waren – ausgerechnet Visual Studio, das auch manchmal langsam arbeitet, sollte als erste große Anwendung aus Redmond eine WPF-Oberfläche erhalten? Mit der ersten Beta von Visual Studio 2010 bestätigten sich die Befürchtungen, denn die Vorabversion war ausgesprochen träge. Die Beta 2 läuft hingegen wieder flüssiger, auch wenn man noch nicht das Gefühl hat, der alte Stand sei erreicht. Aber noch ist das Produkt ja in der Beta-Phase.

Neben der Geschwindigkeit war die zweite Befürchtung, dass die Entwicklungsumgebung nun "verspielt" ist und mit allerhand Effekten den Entwickler eher von der Arbeit ablenkt. Tatsächlich hat sich aber oberflächlich wenig verändert. Anstelle des grauen Grundtons ist nun ein Blau getreten. Ansonsten sind die Fenster, die Menüpunkte und die Symbolleisten immer noch die gleichen, und auch die Grundprinzipien der Bedienung mit Projektmappen-, Server- und Team-Explorer blieben unverändert.

Neu gestaltet sind die Dialoge zum Anlegen eines Projekts und zum Hinzufügen von Elementen. Der Entwickler kann endlich die installierten Vorlagen nach Namen sortieren und in Vorlagennamen und Beschreibungstexten suchen. Angesichts der stetig wachsenden Anzahl von Vorlagen ist das eine wichtige Erweiterung. Neben C#, C++ und Visual Basic unterstützt Visual Studio 2010 die Programmiersprache F#, eine von Microsoft Research entwickelte Multiparadigmen-Sprache, die ML und OCaml ähnelt. F# ist insbesondere im Bereich des funktionalen Programmierens stärker als C# und Visual Basic.

Wie schon die Vorgängerversion kann Visual Studio 2010 "Multi-Targeting", also das Programmieren für unterschiedliche .NET-Varianten. Die neue Version läuft mit .NET 2.0, 3.0, 3.5 und 4.0. Leider fehlt auch hier die Differenzierung zwischen den Grundversionen und den Service Packs, die ja zum Teil erhebliche Erweiterungen mit sich bringen. Das führt in der Praxis zu Problemen, denn .NET-Anwendungen stürzen in dem Moment ab, wenn sie eine Funktion aufrufen, die in einem Service Pack hinzugefügt wurde, und dieses Service Pack auf dem Zielsystem nicht vorhanden ist.

Während die Grundprinzipien der Bedienung gleich geblieben sind, hat Microsoft WPF offensichtlich als Chance genutzt, die Visualisierungsoptionen von Visual Studio zu verbessern. Microsoft setzt das insbesondere zur Visualisierung von Abhängigkeiten zwischen Codeteilen ("Call Hierarchy") sowie Komponenten und Klassen an. Mit dem Architecture Explorer (siehe Abbildung 1) kann ein Entwickler Quellcode erforschen und sich die Abhängigkeiten anzeigen lassen. Die entstehenden Diagramme speichert der Explorer in einer XML-Datei im Format Directed Graph Markup Language (DGML). Bei den Team-Funktionen sind Visualisierungsoptionen hinzugekommen, etwa für Verzweigungen (Branches) im Quellcodeverwaltungssystem. Für die Code-Editoren nutzt Microsoft WPF für das nahtlose Zoomen mit STRG + Mausrad.

Der Architecture Explorer erlaubt die Visualisierung der vorhandenen Implementierung (Abb. 1).

Microsoft war bisher nie stark im Bereich der Modellierung. Frühere Visual-Studio-Versionen konnten im Zusammenspiel mit Visio aus UML-Klassendiagrammen Programmcode generieren und ihn in Klassendiagrammen visualisieren, beides aber als Einbahnstraße. Ein Round-Trip-Engineering
war nicht möglich. 2004 kündigte Microsoft dann an, die eigene UML-Unterstützung bei Version 1.3 einzufrieren und stattdessen domänenspezifische Modellierungssprachen zu entwickeln. Allerdings war in Visual Studio Team System (VSTS) 2005 und 2008 davon kaum etwas zu sehen, und mit Ausnahme des (nicht UML-konformen) Klassendiagrammdesigners gab es auch kaum Anwender. Die Modellierungswerkzeuge waren der bei Weitem schwächste Teil von VSTS.

In Visual Studio 2010 beugt sich Microsoft nun dem Kundenwunsch und bietet die UML-Diagrammtypen Activity, Use Case, Layer, Logical Class, Component und Sequence an. Allerdings nur zum Malen und Aufhängen: Die Code-Generierung gibt es erst später. Parallel entwickelt Microsoft an einer Alternative zur UML, der Sprache "M". Sie hat aber noch nicht die Reife, um direkt Einzug in Visual Studio 2010 zu halten.