Bundespräsident will Zugangserschwerungsgesetz überprüfen [Update]

Bundespräsident Horst Köhler will das umstrittene Zugangserschwerungsgesetz, das Provider zu Internet-Sperren für kinderpornografische Online-Inhalte verpflichten soll, offenbar zunächst nicht unterzeichnen.

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  • dpa

Der deutsche Bundespräsident Horst Köhler unterschreibt das sogenannte Zugangserschwerungsgesetz offenbar zunächst nicht. Einem Vorabbericht des "Spiegel" zufolge will Köhler das umstrittene Gesetz, das Provider zu Internet-Sperren für kinderpornografische Online-Inhalte verpflichten soll, überprüfen und hat zu diesem Zweck die Bundesregierung um "ergänzende Informationen" gebeten. [Update: Das Bundespräsidialamt bestätigte auf Anfrage den Bericht des Nachrichtenmagazins. Vertreter von FDP, Linken und Grünen forderten die Regierung auf, das Gesetz jetzt ganz zu kippen.]

Nach Meinung zahlreicher Rechtsexperten ist das Gesetz, das unter der Regierung der Großen Koalition beschlossen wurde und auf eine Initiative der vormaligen Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) zurückgeht, möglicherweise verfassungswidrig. Ohne die Unterschrift des Bundespräsidenten kann es nicht in Kraft treten.

Union und FDP hatten sich in ihren Koalitionsverhandlungen im Oktober darauf verständigt, die umstrittenen Bestimmungen des Gesetzes nicht anzuwenden: Internetseiten mit Kinderpornografie sollen nun mit Hilfe polizeilicher Maßnahmen möglichst aus dem Netz entfernt statt per Adressumleitung "gesperrt" werden.

Nach einem Bericht der "Wirtschaftswoche" wollen Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) mit einem Erlass die Anwendung des Zugangserschwerungsgesetzes stoppen. In der FDP-Fraktion gebe es aber Zweifel, ob das ein rechtsstaatlich korrektes Verfahren ist. Auch Expertenstimmen, die der "Spiegel" zitiert, weisen auf die bislang offene Rechtsfrage hin, ob einem geltenden Gesetz per Regierungsbeschluss die Anwendung versagt werden kann.

[Update]:
Rechtsexperten der FDP schlagen nach dpa-Informationen vor, für eine Aussetzung des Zugangserschwernisgesetzes ein Änderungsgesetz zu verabschieden. Johannes Vogel, Vorsitzener der Jungen Liberalen (JuLis), erinnerte an das politische Ziel der neuen Bundesregierung: "Löschen statt Sperren." Es dürfe in Deutschland keine Zensur-Infrastruktur geben. Die Bundesregierung müsse in jedem Fall sicherstellen, dass die Netzsperren nicht kommen, sagte Vogel der dpa.

Linke-Vize-Parteichefin Halina Wawzyniak forderte die Bundesregierung auf, das Gesetz endgültig zurückzuziehen: "Internet-Sperren sind unsinnig und reiner Populismus." Die Bundesvorsitzende
der Grünen, Claudia Roth, bezeichnete das Gesetz als "unsinniges Placebo im Kampf gegen Kinderpornografie".

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(psz)