Ausbau-Pläne

Trotz der mit viel Tamtam verkündeten Breitbandinitiative der Bundesregierung ist vom Ausbau noch nicht viel zu spüren. Ein Blick in die Zukunft bringt den Schmalband-Geplagten jedoch etwas Hoffnung. Im kommenden Jahr soll der Ausbau endlich forciert werden und neue Funkdienste werden die Versorgung verbessern.

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Von
  • Urs Mansmann
Inhaltsverzeichnis

Das Amtsblatt Nummer 20/09 der Bundesnetzagentur hat fast das Format eines Telefonbuchs. Sonst ist es meist nur ein dünnes Heftchen, diesmal jedoch enthält es geballte Informationen: Auf rund 250 Seiten listet es Gemeinden in den Flächenländern mit ungenügender Breitbandanbindung auf, ein Ortsteil pro Zeile. Ein flüchtiger Blick darauf genügt, um festzustellen, dass Deutschland in Sachen Breitband noch immer Entwicklungsland ist.

Je kleiner der Ort, je dünner die Besiedelung der Region und je lockerer die Bebauung, desto kleiner ist die Chance des Verbrauchers auf einen Breitbandanschluss. Nach offiziellen Angaben der Deutschen Telekom gibt es nur für einige wenige Prozent der Haushalte keinen DSL-Anschluss. In Wirklichkeit sind es viel mehr, die Zahlen sind offensichtlich schöngerechnet: Gibt es irgendwo im Postleitzahlengebiet einen DSL-Anschluss, zählt die Telekom das komplette Gebiet als erschlossen. Die Auflistung der Bundesnetzagentur zeigt hingegen klar: Ganze Ortsteile sind nicht oder nur teilweise mit DSL versorgt.

Ein Schaltverteiler befindet sich meist am Rande eines Ortes und erlaubt Zugriff auf alle Anschlussleitungen. Die Telekom muss ihn auf Anfrage zu Festpreisen errichten und ihren Konkurrenten zur Verfügung stellen.

Nach Zählung der Telekom beginnt ein Breitbandanschluss bereits bei 384 kBit/s. Die Politik hat nun die Latte auf 1 MBit/s gelegt. 2,4 Millionen Haushalte sind nicht mit einem Breitbandanschluss versorgt, so die neueste offizielle Zahl der Regierung. Die Breitbandgrenze rutschte historisch schon manches Mal nach oben: Bei der Einführung von ISDN 1994 wurde der neue Dienst als Breitbandanschluss beworben – bringt er doch immerhin bis zu 128 kBit/s bei der Bündelung zweier Leitungen. Modems brachten es damals bestenfalls auf 14,4 kBit/s. Wer heute ISDN noch als Breitband bezeichnet, erntet höchstens mitleidiges Lächeln.

Lange Zeit war das entscheidende Argument für einen DSL-Anschluss nicht die schiere Bandbreite, sondern vor allem die damit verbundene Flatrate, die es erlaubt, ständig online und damit per VoIP oder in Instant Messengern erreichbar zu bleiben. Inzwischen ist für viele Dienste aber eine Bandbreite von 1 MBit/s oder mehr erforderlich, die Flatrate ist für die meisten Nutzer ganz selbstverständlich.

Ist ein Hauptort mit DSL versorgt, lassen sich kleinere umliegende Orte oder einzelne Anwesen mit geringem Aufwand per Funk verschließen.

Der Bandbreitenhunger des Durchschnittsanwenders wächst kontinuierlich: Aktuelle Spiele etwa lassen sich im Internet kaufen und gleich herunterladen – das sind oft bereits 5 Gigabyte oder mehr. Seine Bilder lässt man nicht mehr in der Drogerie entwickeln, sondern lädt die Dateien auf einen Server, und bekommt die Abzüge per Post. Oder man lädt Fotos und Videos gleich auf einen Server, wo sie alle Interessierten direkt betrachten und herunterladen können.

Bei Fernsehsendern und auf Videoportalen wächst ein beachtliches Serien- und Beitragsarchiv heran, außerdem bieten Online-Videotheken eine große Auswahl an Filmen. Aber Breitband dient nicht nur Spiel und Spaß: Viele Firmen bieten ihren Mitarbeitern die Möglichkeit, wenigstens zeitweise im Home Office zu arbeiten, etwa per VPN – und immer mehr erwarten, dass ihre Mitarbeiter auch zu Hause ab und zu einen Blick in ihre Mailbox werfen.

Durch die große Entfernung eines geostationären Satelliten entstehen zwangsläufig Antwortzeiten von mindestens einer halben Sekunde, da für jede Anfrage mit zugehöriger Antwort der Weg zum Satelliten viermal zurückzulegen ist.

Selbst wer nicht an Multimedia-Anwendungen oder Spielen interessiert ist, sondern nur einfach surfen will, kommt um einen schnellen Anschluss fast nicht mehr herum. Der Aufruf einer einzigen Internetseite schlägt oft mit 300 Kilobyte zu Buche. Mit ISDN auf einem Kanal dauert die Übertragung dieser Datenmenge quälende 37 Sekunden. Selbst eine Datenkompression ändert da nicht viel, denn ein Großteil der Daten sind bereits hochkomprimierte Bilder.

Der Leidensdruck der digital Abgehängten wächst also ständig. Schon geraume Zeit macht das Mem „Digitale Spaltung“ die Runde. In den Großstädten fällt ein Geschwindigkeitsrekord nach dem anderen. 16, 32, 50, 100, 120 MBit/s werden dort angeboten, inzwischen nahezu flächendeckend. Auf dem Land hat man hingegen schon Glück, wenn man 384 kBit/s und die damit verbundene Flatrate erhält. Wer auf ISDN angewiesen ist, wird für die Minderleistung obendrein kräftig zur Kasse gebeten. 80 Euro pro Monat kostet die bundesweit verfügbare Schmalband-Flatrate bei T-Online. Billiger wird es bei Vodafone, aber an deren Telefonnetz ist gerade auf dem flachen Land längst nicht jeder angeschlossen. Alternativ bleibt die Abrechnung nach Zeit; bei einem seriösen Anbieter zahlt man derzeit knapp einen Cent pro Minute für die Schmalbandeinwahl.

Vermittlungseinheiten, sogenannte DSL Access Multiplexer (DSLAM), versorgen jeweils einige Dutzend bis einige hundert Haushalte. Sie benötigen eine Anbindung an den Backbone per Glasfaserkabel.

Viele Betroffene machen sich auf die Suche nach Alternativen und stoßen dabei meist auf Satelliten-Zugänge. Diese sind die einzige tatsächlich bundesweit verfügbare Lösung, weisen aber massive Nachteile auf. Der wichtigste ist technischer Natur: Aufgrund der Entfernung zum Satelliten beträgt die Round Trip Time, also die Zeit, die ein Datenpaket vom Sender zum Empfänger und wieder zurück insgesamt benötigt, mindestens 500 Millisekunden. Denn moderne Satelliten-Systeme nutzen die Zwei-Wege-Technik, auch der Uplink läuft über die Satellitenstrecke. Das günstigste Angebot mit 1 MBit/s im Downstream kostet rund 30 Euro im Monat und 100 Euro einmalig.

Echtzeit-Spiele sind damit aber nicht spielbar, VoIP-Verbindungen sind von der Verzögerung her im Idealfall gerade eben so noch brauchbar. Und selbst bei normalem Surfen und dem E-Mail-Versand spürt man die Laufzeit deutlich. Denn jeder Aufruf einer Internet-Seite und jeder Mail-Abruf setzen eine ganze Kaskade von aufeinanderfolgenden Abfragen und Antworten in Gang, die bei der langen Signallaufzeit deutlich schleppender vonstattengehen als bei einem DSL- oder Kabelanschluss.

Dazu kommt noch ein Lastproblem: Ein Satellitenkanal zur Datenübertragung hat in der Regel 32 MBit/s – er entspricht also zwei ADSL2+-Anschlüssen, einem TV-Kabelanschluss oder zwei Dritteln eines VDSL-Anschlusses. Aber diesen teilen sich zahlreiche Kunden. Wie viele, halten die Anbieter geheim.

Die Breitbandanbieter könnten natürlich zusätzliche Kanäle vom Satellitenbetreiber buchen, das aber verursacht erhebliche Kosten. Der Betrieb rechnet sich nur, wenn man so viele Kundenzugänge wie möglich auf einen Datenkanal packt. Bietet der Betreiber eine Bandbreite von 1 MBit/s an, kann er pro Kanal maximal 32 Kunden gleichzeitig mit maximaler Bandbreite bedienen. Zwar werden die Datenströme zwecks Kostendämpfung und Performance-Erhöhung optimal komprimiert, Wunder lassen sich damit aber nicht bewirken. Multimediadaten sind meist schon hoch komprimiert und lassen sich auf dem Transportweg nicht noch effektiver packen.

Durch Nachrüsten eines Glasfaserkabels und eines DSLAM kann die Geschwindigkeit in abgelegenen Ortschaften durch Verkürzung der Kupferkabelführung deutlich gesteigert werden.

Wenn der Anbieter zu wenig Bandbreite bereithält, führt das zu einem ausgeprägten Tagesgang der Übertragungsraten [1], wobei es sich bei solchen Messungen immer um eine Momentaufnahme handelt. Das hat aktuell auch die Zeitschrift „test“ festgestellt [2], die kürzlich dem Anbieter skyDSL eine mangelhafte Leistung bescheinigte, den Konkurrenten Filiago und StarDSL hingegen eine ordentliche. Die niedrigste Bandbreite erhält man meist abends zwischen 20 und 22 Uhr, die höchste zwischen 4 und 6 Uhr morgens.

Um die Belastung zu reduzieren, greifen einige Anbieter zu unfeinen Maßnahmen: Per „Fair-Use-Policy“ maßregeln sie Nutzer, die nach ihrem Geschmack zu viel Datenvolumen generieren und drehen diesen das Tempo herunter – bis hin zur Unbrauchbarkeit des Anschlusses. Einige Unternehmen verraten dem Kunden noch nicht einmal, wann und wie diese Bremse greift. Vor Abschluss eines Vertrags sollte man diesen Punkt daher sorgfältig prüfen. Es hilft indes wenig, wenn man sich von Juristen bestätigen lässt, dass eine solche unbestimmte Klausel in den AGB unwirksam ist. Ihr Recht tatsächlich durchzusetzen wird den wenigsten Kunden gelingen. Besser ist es, um unseriöse Anbieter gleich einen großen Bogen zu machen.

Selbst wer mit all diesen Nachteilen leben kann, hat in einer Mietwohnung schlechte Karten. Viele Vermieter verbieten das Anbringen einer Satellitenschüssel. Und ohne diese bleibt selbst das eingeschränkte Breitbandvergnügen via Satellit unerreichbar.

Besser sieht die Lage bei den terrestrischen Zugängen per Mobilfunk aus, zumindest auf den ersten Blick. Bis zu 7 MBit/s schaffen UMTS-Zugänge derzeit nominell, und das bei durchaus brauchbaren Antwortzeiten (siehe Tabelle). Der harte Preiskampf im Mobilfunkmarkt hat die Zugänge auch für Privatkunden erschwinglich gemacht. Eine gute Alternative zu langsamen DSL- oder gar ISDN-Verbindungen sollte man meinen.

Dummerweise sind UMTS-Zugänge aber gerade dort, wo sie einen nicht vorhandenen DSL-Anschluss ersetzen könnten, in den meisten Fällen nicht vorhanden. Dort gibt es nur das herkömmliche GSM. Zwar sorgt in den meisten Fällen der Datenturbo EDGE für eine Vervierfachung der ursprünglichen Bandbreite, aber auch diese Technik liefert nur 200 kBit/s, viel zu wenig für echtes Surfvergnügen. Außerdem teilen sich wie bei allen Funklösungen mehrere Kunden die Bandbreite. Das spürt man deutlich in städtischen Gebieten, die großflächig nicht mit DSL versorgt sind, beispielsweise weil dort ein altes Glasfasernetz liegt, das die Telefongesellschaft noch nicht modernisiert hat. In solchen Gegenden sind die Mobilfunknetze in den Abendstunden häufig überlastet, mitunter bis hin zur kompletten Unbrauchbarkeit.

Denselben Effekt gibt es bei den langsamen EDGE-Zugängen im ländlichen Raum. Sind gleichzeitig mehrere Kunden auf einer solchen Basisstation zu Gange, sinkt der Durchsatz dramatisch. Ein Ausbau des GSM-Netzes ist aber nicht zu erwarten. Die Anbieter stecken ihr Geld derzeit vor allem in die moderneren UMTS-Netze. Der Mobilfunk taugt also bestenfalls zur Schließung kleiner weißer Flecken. Um ganze Ortschaften oder Stadtteile mit brauchbaren Datenraten zu versorgen, müssten die Mobilfunker ihr Netz massiv ausbauen.

Große Hoffnung setzen die Kunden und Unternehmen nun in die sogenannte digitale Dividende. Das ist ein Frequenzbereich von insgesamt 72 MHz am oberen Ende des bisherigen UHF-Fernsehbandes III (Kanäle 61 bis 69). Durch den Umstieg auf DVB-T hat sich der Bedarf fürs Fernsehen verringert, deswegen mussten die Rundfunkanstalten ein Stückchen des Frequenzkuchens abgeben.

Die Bundesnetzagentur hat die digitale Dividende in sechs Kanäle à 5 MHz unterteilt. Diese Frequenzen sind gepaart, also für den Duplexbetrieb geeignet. Allzu viel Bandbreite lässt sich dort aber nicht herausholen, egal welche Übertragungstechnik man einsetzt. Im TV-Kabel gelingt es den Betreibern, auf einem 9 MHz breiten Kanal eine Datenrate von 50 MBit/s netto zu erreichen. Dort herrschen aber ideale Bedingungen: keine Störungen von außen, kein Mehrwegeempfang durch Reflexionen und definierte Signalpegel an beiden Enden der Kommunikationsstrecke.

All das ist bei einer terrestrischen Funkübertragung nicht gegeben. Ein solcher Kanal im Frequenzbereich der digitalen Dividende wird also mit den gängigen Methoden bestenfalls 15 MBit/s liefern, denn hier müssen deutlich robustere Übertragungsverfahren eingesetzt werden als im Fernsehkabel. In den Startlöchern steht indes LTE (Long Term Evolution, in Anlehnung an UMTS auch Super 3G oder 3.9G genannt). Damit wären auf einem solchen Kanal theoretisch Datenraten von maximal 75 MBit/s erzielbar. Praktisch wird der erzielbare Datendurchsatz aber auch mit LTE deutlich darunter bleiben.

Diese Bandbreite steht allen Kunden gleichermaßen zur Verfügung. Wollte man beispielsweise einen Ort mit 1000 Haushalten versorgen, würde eine solche Funklösung also sehr schnell an ihre Grenzen stoßen, weil die Kunden in den Spitzenzeiten mehr Bandbreite anfordern als bereitsteht. Sie eignet sich lediglich zur Schließung kleiner Lücken, wo eine Kabellösung unverhältnismäßig teuer wäre, etwa für abgelegene Höfe oder kleine Weiler mit höchstens einigen Dutzend Anwesen.

Neben der digitalen Dividende wird die Bundesnetzagentur im kommenden Jahr aber noch weitere Frequenzbereiche für die Breitbandversorgung auf den Markt werfen, insgesamt rund 360 Megahertz. Diese liegen bei 1,8, 2 und 2,6 GHz. Bei den Betreibern sind sie nicht so begehrt, denn je höher die Frequenzen liegen, desto geringer wird die Reichweite der Basisstationen und desto dichter muss deren Netz geknüpft werden, was wiederum die Investitionskosten hochtreibt.

Im Vorfeld der Versteigerung ist indes bereits eine Beißerei zwischen den Mobilfunkanbietern um die begehrten Frequenzen der digitalen Dividende ausgebrochen. Die E-Netz-Betreiber O2 und E-Plus fühlen sich benachteiligt, da sie schon bei den GSM-Frequenzen um 900 MHz nur ein kleines Stückchen des Kuchens abbekommen hatten, und fürchten nun, von den Branchenriesen T-Mobile und Vodafone vollends an die Wand gedrückt zu werden.

Auch nach der Versteigerung müssen die Betreiber tief in die Tasche greifen. Bei Funklösungen müssen sie innerhalb recht kurzer Fristen große Gebiete abdecken, um die Zuteilung nicht wieder zu verlieren. Üblicherweise stellt sich diese Aufgabe ausgerechnet in einer Gegend, die keine dafür erforderliche Infrastruktur aufweist. Die Mobilfunker sind da klar im Vorteil: Sie können vorhandene Standorte für Mobilfunk-Basisstationen nutzen und dort zusätzlich Zugangspunkte für den schnellen Internet-Verkehr installieren. Neu in den Markt kommende Firmen müssen hingegen erst einmal erheblich in die Infrastruktur investieren.

Viele Basisstationen sind per Richtfunkstrecke angebunden. Die allerdings funktionieren nur, wenn zwischen Basisstation und Backbone-Übergabepunkt eine optische Sichtverbindung besteht. Außerdem ist die Bandbreite einer Richtfunkverbindung begrenzt. Wenn außer dem Mobilfunk nun auch Breitbanddienste angeboten werden, könnte es auf der Funkstrecke schnell eng werden. Reicht eine Richtfunkverbindung nicht aus oder ist sie technisch nicht möglich, etwa in bergigem Gelände, muss der Anbieter stattdessen ein Glasfaserkabel zur Basisstation verlegen. Das ist teuer: 50 bis 70 Euro pro Meter kostet der Neubau einer Glasfaserstrecke. Dafür hat das Glasfaserkabel im Gegensatz zur Richtfunkstrecke eine deutlich höhere Übertragungskapazität und ist eine zukunftssichere Investition.

In Großstädten ist das Verlegen von Glasfasernetzen gleich in zweifacher Hinsicht günstiger als auf dem Land: Zum einen sind die Strecken zwischen den Verteilern kürzer, oft nur wenige hundert Meter, zum anderen finden sich in Städten viel häufiger Leerrohre, die teure Erdarbeiten überflüssig machen. Kein Wunder, dass die Telekom ihr VDSL-Netz zunächst in den Städten ausbaute. Mit relativ geringen Investitionen ließen sich damit jede Menge Kunden erschließen. Auf dem Land hingegen muss in den meisten Fällen jeder Meter Kabel aufwendig vergraben werden. Liegen auf der Strecke Hindernisse wie Wasserläufe oder Straßen, treibt das die Kosten weiter. Außerdem muss man von allen betroffenen Grundstückseigentümern Genehmigungen einholen – ein zeitraubendes und aufwendiges Verfahren.

Wenn man ohnehin ein Kabel verlegen muss, drängt sich die Frage auf, ob es nicht vernünftiger wäre, damit einen DSLAM anzubinden und Anschlüsse per DSL anzubieten, anstatt eine Funklösung mit den bekannten Nachteilen zu installieren. Beides wird man in der Praxis vermutlich kombinieren: Ein DSLAM in einer Hauptgemeinde wird dann per Glasfaser angebunden, parallel dazu wird ein Sendemast errichtet, der abgelegene Ortsteile oder einzelne abseits gelegene Anwesen versorgt (siehe Grafik auf S. 122).

Die Bundesnetzagentur fördert das Aufstellen von DSLAMs der Telekom-Konkurrenten: Wo DSL-Anschlüsse nicht mindestens 1 MBit/s erreichen, muss die Telekom auf Antrag ihrer Konkurrenten sogenannte Schaltverteiler zum Festpreis errichten. Hier laufen alle Anschlussleitungen eines Ortes zusammen und können mit einem DSLAM zentral versorgt werden.

Die Wettbewerber der Telekom sind indes mit Investitionen zurückhaltend. Sie berichten hinter vorgehaltener Hand, dass die Telekom ihnen mit schöner Regelmäßigkeit die Kalkulationen über den Haufen wirft, indem sie sehr zügig gerade dort mit dem DSL-Ausbau nachzieht, wo ihre Konkurrenten in Vorleistung getreten sind. Statt noch nicht erschlossene Gemeinden zu versorgen, zieht es der Ex-Monopolist offenbar vor, die Konkurrenz systematisch durch einen redundanten Ausbau zu attackieren. Das mag den Wettbewerb befeuern, ist jedoch nicht im Sinne der Kunden, die anderswo verzweifelt auf einen Breitbandanschluss warten.

Wohnt man in einem weißen Breitband-Fleck, kann man als Einzelner wenig tun. Erkundigt man sich bei der Telekom oder ihren Wettbewerbern nach Möglichkeiten für den Breitbandzugang, erntet man lediglich bedauerndes Schulterzucken. Aufträge für einen Breitbandanschluss lehnen die Anbieter ab. Trotzdem sollte man sein Interesse bekunden: Je mehr Nachfragen bei einem Netzbetreiber vorliegen, desto eher wird er einen möglichen Gewinn vermuten und investieren. Dabei sollte man nicht nur bei der Telekom vorstellig werden, sondern auch bei anderen Netzbetreibern mit eigener Infrastruktur, vor allem Vodafone und O2, die das umfangreichste Netz betreiben, sowie bei Regionalanbietern, etwa EWETel im Nordwesten oder M-Net in Bayern.

Erfolgversprechend ist der Weg über die Kommune. Schließen sich Betroffene zu einer Bürgerinitiative zusammen, können sie viel bewegen. Mitunter rennen sie offene Türen ein: Die meisten Bürgermeister bekommen inzwischen schmerzhaft zu spüren, dass der Breitbandanschluss zum Standortfaktor wird. In unserer Umfrage (siehe S. 126) hielten fast 80 Prozent der Teilnehmer einen Breitbandanschluss für unabdingbar oder sehr wichtig, wenn für sie die Wahl eines neuen Wohnorts anstünde.

Dabei geht es nicht nur um die Besserverdiener aus den Städten, die gerne im Grünen wohnen wollen. Diejenigen, die nicht mal eben wegziehen können, etwa weil sie eine Immobilie besitzen, trifft es noch härter. Ein moderner Landwirtschaftsbetrieb beispielsweise benötigt einen Breitbandanschluss, um mit Abnehmern und Lieferanten zu kommunizieren. Handwerker, Ladenbesitzer, Freiberufler sind ebenso auf einen Breitbandanschluss angewiesen und können nicht mit den Füßen abstimmen. Fehlt ein solcher, geraten sie gegenüber der Konkurrenz im breitbandversorgten Nachbardorf ins Hintertreffen.

Sogar die Finanzierung der Gemeinde hängt mittel- und langfristig ein Stück weit vom Breitbandanschluss ab: Die Pendler, die in der Stadt eine gut bezahlte Stelle haben, füllen das Stadtsäckel über ihre Steuern.

Ein einfaches Rechenexempel zeigt, dass sich die Investitionen für einen Breitbandanschluss durchaus lohnen: In einer fiktiven Gemeinde wohnen 2000 Einwohner in insgesamt 500 Immobilien. Der durchschnittliche Wert der Gebäude beträgt 250 000 Euro. Sinkt der Wert der Gebäude nur um ein einziges Prozent, weil die Nachfrage nach Wohn- und Gewerberäumen durch den fehlenden Breitbandanschluss ein wenig geringer ausfällt, entsteht bereits ein volkswirtschaftlicher Schaden von über einer Million Euro. Ein DSL-Anschluss für die Gemeinde durch einen Outdoor-DSLAM am Ort, der 16 MBit/s für alle bereitstellt, ist inklusive Anbindung per Glasfaserkabel in vielen Fällen für deutlich weniger als die Hälfte dieses Betrags zu haben. Das Geld wäre also gut investiert, selbst in diesem kleinen Beispiels-Weiler und selbst wenn die Gemeinde dafür einen Kredit aufnehmen müsste. In dieser Rechnung sind die sonstigen Einnahmeausfälle, etwa durch ein geringeres Aufkommen von Grunderwerbs- oder Gewerbesteuern, noch gar nicht eingerechnet.

Telefongesellschaften werden gerne tätig, wenn Kommunen die sogenannte Wirtschaftlichkeitslücke schließen, also den Teil der Investitionen übernehmen, der sich durch die zu erwartenden Einnahmen nicht decken lässt. Meist stehen Beträge von einigen zehn- oder hunderttausend Euro zur Diskussion, wenn eine Gemeinde ans DSL-Netz angeschlossen werden soll. Dabei sollte man nicht nur die Telekom befragen. Auch andere Anbieter, etwa Vodafone, Telefónica oder regionale Telefongesellschaften wie EWETel oder M-Net, installieren eigene Vermittlungstechnik.

Gemeindevertreter sollten auch prüfen, ob sie nicht Eigenleistungen anbieten können. Sparen lässt sich beispielsweise, wenn man den gemeindeeigenen Bauhof damit betraut, einen Graben auszuheben, sodass die Telefongesellschaft nur noch ein Kabel verlegen muss. Im ostwestfälischen Hegensdorf griffen die Bürger gar selbst zu Hacke und Schaufel, um endlich den begehrten DSL-Anschluss zu erhalten. Durch den Aushub von 1300 Meter Kabelgraben sanken die von der Telefongesellschaft berechneten Kosten von 40 000 auf 10 000 Euro – und wurden dadurch für die Bürgerinitiative erschwinglich.

Das Verbuddeln eines Kabels benötigt aber viel Zeit. Zwischen Idee und Realisierung vergehen oft Jahre. Schneller geht es mit einer Funkverbindung, für die nur die Endstellen errichtet werden müssen. Es gibt eine ganze Reihe von Firmen, die sich darauf spezialisiert haben, Gemeinden per Richtfunk und WLAN ins Netz zu bringen. Diese sind jedoch zumeist regional tätig, um eine intensive Recherche im Internet kommen Interessenten deshalb nicht herum.

Statt eines Glasfaserkabels nutzen diese Firmen Funkstrecken, beispielsweise indem sie mit Richtantennen eine WLAN-Strecke zum nächsten versorgten Punkt aufbauen und im Ort selber eine oder mehrere Basisstationen errichten. Diese Anbindung ist zwar nicht ganz so leistungsfähig wie ein DSL-Anschluss, dafür lässt sie sich aber schnell in Betrieb nehmen, im Idealfall innerhalb weniger Monate. Das allerdings taugt nur für Ortschaften, die in der Ebene oder erhöht im Bergland liegen. Für einen Ort, der ringsum von Anhöhen eingeschlossen ist, lässt sich eine Richtfunkverbindung nur mit erheblichem Aufwand einrichten, beispielsweise über einen Umsetzer auf einer Anhöhe, wo dann zumeist kein Stromanschluss bereitsteht.

Eine Funkanbindung kann man auch selbst stricken, das aber bedeutet erheblichen Aufwand. Das größte Problem besteht in der Praxis darin, innerhalb der Funkreichweite von maximal 10 Kilometern einen Breitbandanschluss zu finden, der per Funkstrecke verlängert werden kann. Dann muss man die Funkstrecke aufbauen, meist mit dem Einsatz von Außenantennen, was wiederum die Verlegung von Antennenkabeln erforderlich macht. Die meisten Betroffenen schrecken vor diesem Aufwand zurück.

Eine solche Eigenbau-Lösung (siehe S. 130 ) drängt sich indes förmlich auf, wenn man nur knapp außerhalb eines Versorgungsgebiets wohnt, beispielsweise weil die Versorgungsgrenze mitten durch eine Ortschaft verläuft. Der Nachbar einige Häuser weiter wird eher bereit sein, einen DSL-Anschluss zur Verfügung zu stellen als ein Wildfremder ein oder zwei Ortschaften weiter. Aufgrund der geringen Distanz können dann relativ simple Antennenkonstruktionen zum Einsatz kommen, etwa aus einer Dose mit rund 10 Zentimetern Durchmesser [3]. Sind viele Kilometer zu überbrücken, steigt der Aufwand für die Funkstrecke. Im Extremfall muss man präzise ausgerichtete Langyagis oder Parabolspiegel mit hohem Antennengewinn einsetzen, deren Justierung viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl benötigt.

Zwar ist inzwischen bei der Regierung in Berlin angekommen, dass ein Breitbandanschluss immer wichtiger wird. Allerdings mag man sich dort nicht zu dem entscheidenden Schritt durchringen, eine Grundversorgungspflicht festzuschreiben. Vermutlich fürchtet man die immensen Folgekosten, wenn auch der Besitzer des letzten Einödhofs einen Breitbandanschluss fordern kann.

Alle wichtigen Infrastrukturen stehen flächendeckend zur Verfügung: Das Straßennetz reicht bis ins letzte Dorf, Strom steht allerorten aus der Steckdose zur Verfügung. Wasser muss keiner mehr aus einem Brunnen schöpfen und Abwasser wird nirgendwo mehr ungeklärt in Bäche oder Flüsse geleitet. Postboten bringen Briefe und Pakete überall hin. Rundfunksender sind überall zu empfangen. Telefonanschlüsse sind in jedem Haushalt verfügbar. Nur der Breitbandanschluss ist vielerorts noch ein Traum. Dabei ist er inzwischen für immer mehr Bürger ebenso wichtig wie die übrige Infrastruktur.

Nach marktwirtschaftlichen Prinzipien wird eine flächendeckende Versorgung nicht zu erreichen sein. Je eher das die Bundesregierung erkennt, desto eher wird der Breitbandanschluss für alle Realität. Vermutlich wird das viel Geld kosten, aber die Alternativen zur Vollversorgung mit Breitbandanschlüssen könnten auf Dauer volkswirtschaftlich noch viel teurer zu stehen kommen.

[1] Johannes Endres, Urs Mansmann, Vom Himmel hoch, Breitband-Internet-Zugänge per Satellit

[2] Per Funk ins Internet, Internet per Sat und Mobilfunk, test 11/09, S. 36

[3] Oliver Bartels, Weiter funken, WLAN-Antennen unter der Lupe

Weitere Artikel zum Thema "Breitband für alle" aus c't 26/2009 finden Sie hier:
Umfrage zur Internet-Nutzung S. 126
WLAN-Richtfunk bringt schnelles Internet aufs Land S. 130