Fortschritt beim EU-Gemeinschaftspatent

Der EU-Wettbewerbsfähigkeitsrat hat eine politische Willenserklärung für die Schaffung eines EU-weiten gewerblichen Schutzrechts und eines zentralen Patentgerichts verabschiedet, die aber noch wichtige Fragen ausklammert.

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Der EU-Wettbewerbsfähigkeitsrat hat auf seiner Sitzung am heutigen Freitag in Brüssel eine "politische Willenserklärung" für ein Gemeinschaftspatent und ein zentrales Patentgericht verabschiedet. Bei beiden Punkten geht es um die Verständigung auf grundlegende Inhalte zur Vereinheitlichung und " Vertiefung" des europäischen Patentsystems. Die Vereinbarung (PDF-Datei) lässt aber noch entscheidende Fragen offen. So haben die Regierungsvertreter den großen Streitpunkt über die Zahl der erforderlichen Übersetzungen der Ansprüche im Rahmen eines EU-weiten gewerblichen Schutzrechts ausgeklammert. Dieser steht einer Einigung seit Jahren im Wege.

Die in dem Ratsgremium hauptsächlich versammelten Wirtschaftsminister betonten zugleich, dass zu dem Beschluss noch die Meinung des Europäischen Gerichtshofs sowie weitergehende Stellungnahmen der Mitgliedsstaaten eingeholt würden. Eine Reihe von Mitgliedstaaten habe "grundlegende rechtliche Bedenken" vor allem gegenüber dem avisierten Patentgerichtshof. Einzelheiten macht der EU-Rat nicht öffentlich: Entsprechende kritische Eingaben werden auf seiner Webseite zwar verzeichnet, sind für die Allgemeinheit aber nicht abrufbar.

Gemäß den Vorschlägen der schwedischen Ratspräsidentschaft soll das Gemeinschaftspatent im Wesentlichen durch den Beitritt der EU zum Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) bewerkstelligt werden. Das Europäische Patentamt (EPA) vergibt derzeit auf Basis des von der Europäischen Patentorganisation (EPO) ausgehandelten Abkommens ein Bündel nationaler Patente angeschlossener Länder. Die EU gehört bislang nicht dazu, würde dann aber in das System des EPÜ als eigenes Territorialgebiet mit eingegliedert.

Das EPA soll dann auch die Erneuerungsgebühren für die Gemeinschaftspatente einsammeln und sie teilweise wieder an nationale Patentämter ausschütten, wie das bei den bisherigen Bündelpatenten der Fall ist. Einem Komitee des Verwaltungsrats der Europäischen Patentorganisation wird zudem gemäß dem Beschluss die Aufgabe erteilt, die exakte Höhe und den Schlüssel zur Verteilung der Gelder für die Patentbehörden in den Mitgliedsstaaten festzulegen. Ziele dabei sollen "die Förderung von Innovation und die Stärkung der Wettbewerbskraft europäischer Unternehmen" sein.

Weiter geht die Erklärung auf Prinzipien einer "verstärkten Partnerschaft" zwischen dem EPA und Patentinstitutionen auf nationaler Ebene. Demnach soll die Münchner Behörde die Prüfergebnisse jedes Patentamtes eines Mitgliedsstaates der Europäischen Patentorganisation auf Basis entsprechender Abkommen in Betracht ziehen können. Eine Verpflichtung, entsprechende Resultate zu übernehmen, unterstreicht das Papier, werde es nicht geben.

Beim angekündigten Patentgericht, das für die EU und weitere der EPO angeschlossene Länder zuständig sein soll, und seiner geplanten nationalen Unterabteilungen umschreibt der Beschluss deren hauptsächliche Funktionen und Arbeitsweise. Enthalten sind Vorgaben zu den Verfahrenssprachen, Qualifizierungsanforderungen an die Richter, internen Berufungsmöglichkeiten oder zur Finanzierung des "European and EU Patents Court" (EEUPC). Generell umfassen soll das Gericht eine Erst- sowie eine Berufungsinstanz und eine Verwaltungseinrichtung. Ihm wird eine exklusive Rechtsprechung auch für bisherigen Bündelpatente zugewiesen, solange es entsprechende Vereinbarungen zwischen der EU und EPO-Drittstaaten gibt.

Die schwedische Handelsministerin Ewa Björling sprach bei Bekanntgabe der Entscheidung von einem "bedeutender Durchbruch" für das europäische Patentsystem. Von diesem könne ein Signal an die EU-Wirtschaft und vor allem an den Mittelstand und Erfinder ausgehen. Die kommende spanische Ratspräsidentschaft, die sich in Fragen der Patentübersetzungen bisher immer besonders strikt gab, müsse das Verfahren 2010 weiter vorantreiben, wobei das EU-Parlament ein Mitentscheidungsrecht habe. Der EU-Kommission obliege die Aufgabe, einen neuen Vorschlag für die Übersetzungen vorzulegen, hier blieben die Abgeordneten aber außen vor. Die Schwedin rechnet damit, dass die weiteren Entscheidungsschritte noch ein Jahr in Anspruch nehmen.

Industriekommissar Günter Verheugen beteuerte, dass der Beschluss den "Interessen der gesamten Wirtschaft" Rechnung trage. Er sei "sehr wichtig für die globalisierte Wirtschaft, da wir unsere geistigen Eigentumsrechte verteidigen müssen". Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) begrüßte "das Ende des jahrelangen Tauziehens und die politische Einigung über das zukünftige europäische Patentsystem". Dies sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem "kosteneffizienten" Patentsystem in Europa. Gegner des Vorhabens monieren seit Längerem, dass die Harmonisierungsbemühungen eine Hintertür für Softwarepatente öffnen könnten. Es drohe, dass die weite, Schutzrechte auf computerimplementierte Erfindungen einschließende Vergabepraxis des EPA in der EU kodifiziert werde. (vbr)