Konferenz diskutiert Datenschutz in Smart Grids

Mit der Einführung des intelligenten Stromnetzes werden viel mehr und aussagekräftigere Daten anfallen als bisher. In Stuttgart haben sich Experten getroffen, auch um darüber zu sprechen, wie die Privatsphäre der Verbraucher geschützt werden kann.

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Eine einzige Messzahl pro Haushalt und Jahr – mehr Daten fallen bislang nicht an bei den Energieversorgern. Doch mit der Einführung des intelligenten Stromnetzes, Smart Grid genannt, explodiert diese Zahl: Allein bei viertelstündlichen Messungen kommen 36.000 Daten jährlich je Haushalt zusammen. Jetzt seien die Datenschutzfragen zu klären, mahnten Experten auf einer Konferenz zum "Nachhaltigen Energieinformationsnetz" (PDF-Datei) der Alcatel-Lucent Stiftung für Kommunkationsforschung gestern in Stuttgart. Erste Ideen für eine Datenschutzerklärung hat ein Berliner Forschungsprojekt auf den Weg gebracht.

Die Daten aus den Smart Metern, den kleinen Boxen, die beim Stromkunden der Zukunft viertelstündlich den Energieverbrauch registrieren und Anwendungen erlauben sollen, seien von hoher Aussagekraft, so der Datenschutzexperte Alexander Roßnagel. "Damit lässt sich nachvollziehen, ob jemand gerade duscht, oder ob er sein Essen mit dem Elektroherd oder der Mikrowelle zubereitet." Wenn Energieinformationsportale entstünden, die sich durch den Verkauf von Werbung und Kundendaten refinanzieren, dann werde es eine große Datenschutzdiskussion geben.

Roßnagel riet ebenso wie seine Berliner Kollegin Katharina Boeschke, Datenschutz schon bei der gerade laufenden Gestaltung der Technik als Kernbestandteil zu integrieren. Jetzt gehe das noch vergleichsweise günstig. Personendaten müssten beispielsweise möglichst vermieden werden. Boeschke arbeitet als Leiterin der Fachgruppe Recht des eEnergy-Projekts der Bundesregierung an einer Datenschutzerklärung, die all das berücksichtigen soll. "Der Nutzer wird selbst die Kontrolle haben", lautet ihr erklärtes Ziel. Der Vorschlag liege auch verschiedenen Landesdatenschützern und dem Düsseldorfer Kreis zur Prüfung vor und solle im Juni präsentiert werden. Immerhin könnte sogar die Unverletzlichkeit der Wohnung bedroht sein, je nachdem in welcher Form der Energieversorger von außen auf Geräte beim Kunden eingreift.

Die Energieversorger dürfen bei der Auslieferung erster Smart Meter im kommenden Jahr diese Überlegungen nicht überrollen, meinte Rolf Uhlig, Präsident von Webolution, einem Anbieter von Systemen zur Zähler-Fernauslesung und Haus-Automatisierung. Uhlig fürchtet, dass genau das passieren könnte, wenn ab 1. Januar die dann gesetzlich in Neubauten und grundlegend modernisierten Häusern geforderten Smart Meter in die Haushalte gebracht werden. Franz Hein, Berater und ehemaliger Geschäftsführer der Initiative EDNA, die sich ebenfalls mit Energiedatenmanagement befasst, kritisierte, dass die Konsultation der Bundesnetzagentur zu den Anforderungen an die neuen Messeinrichtungen gerade erst laufe.

Das Ziel, mit besserer Energieausnutzung dem Klimawandel zu begegnen, unterstrich Andreas Kießling vom Mannheimer Versorgungsunternehmen MVV Energie AG, ebenfalls Partner beim eEnergy Projekt. Er bestätigte, was auch Ernst Ulrich von Weizsäcker der Stuttgarter Konferenz gesagt hatte. Dieser meinte, wenn noch länger gewartet werde, müsse noch viel dramatischer umgesteuert werden. Andreas Goerdeler, Leiter des Referats Entwicklung konvergenter IKT beim Bundeswirtschaftsministerium, wies auch auf den wirtschaftspolitischen Aspekt hin. Es gebe in den USA eine starke Bewegung hin zu Smart Grids, die Chancen, ein "Smart Grid Valley Deutschland" zu schaffen, seien aber gut.

"Wir sollten nicht warten, bis wir das wieder woanders einkaufen können", warnte für die Informatiker Paul Kühn von der Universität Stuttgart. Die Energiebranche müsse sich des Wissens der Informatik bedienen und dürfe nicht den Versuch unternehmen, ein völlig neues Kommunikationsprotokoll zu schaffen. Mit der Vielzahl neuer Komponenten und Schnittstellen würden auch neue Angriffsszenarien entstehen, räumte Claudia Eckert vom Fraunhofer Institut für Sichere Informationstechnologie ein. Es gebe dafür aber auch viele Lösungsansätze. Eine Garantie dafür, dass die Politik irgendwann Daten aus dem Energieinformationsnetz von den Providern bevorraten lassen will, traute sich keiner der Experten auf der Veranstaltung zu geben. (anw)